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Re: [ox] Re: Materielle Produkte



Hi Thomas und alle!

Last week (7 days ago) Thomas Uwe Gruettmueller wrote:
On Sunday, 29. July 2001 20:18, Stefan Merten wrote:
Reicht eine Skizze auf einer Serviette oder muß es ein
komplettes Steuerprogramm für einen bestimmten Maschinenpark
sein.

Letzteres ist heute noch nicht möglich, aber darauf sollte es
hinauslaufen.

Ja.

In einer strengeren Definition ("frei++") könnte man später
festlegen, daß zur Produktion nur freie Software und freie
Produkte (dazu gleich mehr) zum Einsatz kommen dürfen.

Das wäre aber tatsächlich vielmehr eine "frei--"-Definition,
da sie dir die Freiheit nimmt, den Bauplan auf jede
erdenkliche Art anzuwenden.

Nee... Dieser Freiheitsgrad soll ja nicht erzwungen, sondern nur
festgestellt werden -- sozusagen als Gütesiegel.

Das war ja auch blöd formuliert, besser:

  In einer strengeren Definition ("frei++") könnte man später
  festlegen, daß die Produktion unter ausschließlicher
  Verwendung freier Software und freier materieller Produkte
  (dazu gleich mehr) möglich sein muß.

Das ist vergleichbar mit main und contrib bei Debian. In contrib
kommen freie Programme, die entweder einen unfreien Compiler
oder für ihre Ausführung unfreie Software (z.B. die Romz bei
diversen Emulatoren) erfordern.

Jetzt verstehe ich endlich, von was du redest... War mir nicht bekannt
diese Debian-Regelung :-( .

1.1.1.2. "freies materielles Produkt"

Nun zu "freien materiellen Produkten": Materielle Produkte
haben völlig andere [rechtliche] Eigenschaften als
Informationsprodukte.

Ja, sie unterliegen insbesondere nicht den Bedingungen der
digitalen Kopierbarkeit (jedenfalls noch nicht - wenn ich da
an den Laser denke...).

Kopierbar ansich sind sie schon, wenn der Bauplan gut ist.

Das wäre mir wichtig, das nochmal zu klären und die Begriffe klar zu
trennen.

Mit heutiger Technik ist ein Gegenstand nicht zu kopieren. Darunter
würde ich verstehen, daß du ihn Atom für Atom scannst und parallel
aufbaust. So wie digitale Kopie und auch eine Fotokopie geht. Erst
eine solche Technologie wäre ähnlich neutral gegenüber den kopierten
Gegenständen wie es die digitale Kopie gegenüber der Bitsammlungen
ist. Diese Universalität scheint mir ein sehr wichtiger Punkt,
weswegen ich ihn nicht verwischen möchte.

Ein materielles Produkt wird heute aufgrund eines Bauplans
hergestellt. Teile des Bauplans entstehen dabei wahrscheinlich oft ad
hoc im Kopf der HerstellerIn. Für die Herstellung braucht es
spezialisierte Werkzeuge und Maschinen. Hier sehen wir einen Trend zu
immer universelleren Maschinen, was der Universalität der digitalen
Kopie nahe kommt. Dennoch handelt es sich nicht um Kopien, sondern um
Herstellung / Produktion.

Und
wenn der Bauplan digital kopierbar ist, und immer mit
weitergegeben wird, ist auch die Kopie des materiellen Produkts
über viele Generationen verlustfrei.

Möglicherweise kann man ein materielles Produkt nicht selbst
kopieren, das man sich gerade gekauft hat, so einfach, wie das
bei Software geht. Aber das paßt inhaltlich nicht in diesen
Punkt.

Doch, das ist sogar sehr wichtig. S.o.

BTW: Hast du eigentlich einen CD-Brenner?

Nein - und bisher habe ich noch keinen Bedarf dafür gehabt.

Sie werden
nicht selbst durch Urheber- oder Patentrecht "geschützt",
sondern ihre Baupläne bzw. ihre Funktions- oder
Herstellungsweisen. Daher möchte ich folgende, kurze
Definition vorschlagen:

  Ein "freies materielles Produkt" nennt sich ein solches,
wenn es nach einem "freien Bauplan" hergestellt wurde und
dieser dem Produkt beiliegt (oder in einem öffentlichen
Computernetzwerk kostenfrei abgerufen werden kann).

Das wäre zumindest als Arbeitsdefinition und für eine
Übergangsphase eine brauchbare Minimaldefinition.

Warum meinst du, daß das nicht reicht?

IMHO zumindest reicht diese Definition, um zu dem zu kommen, was
du in Teil 4, GPL-Gesellschaft beschreibst.

Na, als Endziel würde ich natürlich wollen, daß ein Freies materielles
Produkt allen so Frei zur Verfügung steht wie Freie Software: JedeR
kann einfach nehmen, was sie braucht.

(BTW: Mir ist noch nicht ganz klar, warum du das
"GPL-Gesellschaft" nennst. Das sind doch alles eher
wirtschaftliche Dinge. Gehört nicht zu einer
Gesellschaftsordnung auch, wie das politische System
organbisiert ist und ähnliches?)

Schon lange nicht mehr erläutert worden, also nochmal. Die Bezeichnung
"GPL-Gesellschaft" habe ich (wohl) im Meilenstein-Papier eingeführt,
weil ich eine neue Bezeichnung für diese neue gesellschaftliche
Formation haben wollte. Die Bezeichnung ist damals und seitdem oft
kritisiert worden und kürzlich haben wir ja auch festgestellt, daß es
in der GPL-Gesellschaft gar keine GPL mehr braucht - tja.

Anyway würde ich an dem Begriff festhalten, einerseits gerade weil er
so sperrig ist und tatsächlich erstmal keine Assoziationen aufkommen
läßt, andererseits weil er mittlerweile einen gewissen
Verbreitungsgrad hat und eine andere Bezeichnung nicht gerade zur
Erhellung beitragen würde.

Nicht für sinnvoll halte ich die Überlegung, daß freie
materielle Produkte das materielle Eigentum auf den Kopf
stellen müßten, wie es freie geistige Produkte mit dem
"geistigen Eigentum" täten.

Was verstehst du unter Eigentum? Genaugenommen wird damit ein
Rechtstitel bezeichnet. Besitz ist dagegen etwas anderes, was
näher an der sinnlichen Wahrnehmung einer Zuordnung von Dingen
zu Menschen liegt. (EinE MieterIn besitzt eine Mietswohnung,
während sie der VermieterIn eigen ist.)

Das ist mir schon klar, aber:

Geistiges "Eigentum" ist kein Eigentum in diesem Sinne, sondern
lediglich ein salopper Oberbegriff für Urheberrecht, Gebrauchs-
und Geschmacksmusterschutz, sowie Patentrecht.

Na ja, er konstituiert einen Rechtstitel genauso wie das Eigentum an
Sachen das tut - oder?

Ein wichtiger Unterschied ist IMHO, daß materielles Eigentum das
Recht darstellt, über ein räumlich abgegrenztes Stück Materie zu
verfügen, entweder völlig uneingeschränkt oder zum Gemeinwohl,
wogegen geistiges "Eigentum" bestimmte Rechte festlegt, über
*jegliche* Materie zu verfügen, die bestimmte Eigenschaften
aufweist.

Na, jetzt übertreibst du aber. Du redest von Vervielfältigungsstücken
wenn ich dich recht verstehe. Das ist aber mitnichten jegliche
Materie.

Der Fokus beim geistigen Eigentum richtet sich eben auf die Idee, den
Gedanken. Den kannst du halt nur schützen, wenn du die
Vervielfältigungsstücke regulierst. So gesehen hat das schon eine
innere Logik.

Das geistige "Eigentum" ist also dem materiellen
Eigentum übergeordnet und schränkt dieses ein, und das nicht
gerade zum Gemeinwohl.

Zu wessen Wohl Eigentumstitel verwendet werden, ist eine ganz andere
Liga. Und in dieser Liga würde ich auch sagen, daß Freie Software
gerade zeigt, daß "geistiges Eigentum" - genauer: die Verknappung von
geistigen Produkten - von Übel für alle ist. Vielleicht nicht die,
die aus Knappheit Profit schlagen wollen.

(Woher kommt eigentlich dieses /s/x/y???)

Das wird länger ;-) .

Heute würde ich sagen: `perl'.

`perl' hat es aber aus dem `sed' übernommen. Der `sed' ist ein `Stream
EDitor', mit dem Text-Dateien non-interaktiv verarbeitet werden
können.

Der `sed' hat es seinerseits aus dem `ed' (EDitor) übernommen, wie es
auch der `vi' (VIsual) getan hat. Beides Text-Editoren. Letzterer
bildschirmorientiert, ersterer zeilenorientiert. Beide sind noch in
aktuellen Linux-Systemen enthalten. `diff' kann heute noch ein Format
produzieren, daß mit Hilfe des `ed' einen Patch durchführt.

BTW übrigens ein schönes Beispiel dafür, wie Wissen in einer Freien
Umgebung - die Unix eigentlich immer war - erhalten bleibt. Eine gute
Lösung wird nicht weggeworfen, nur um mit einer neuen Lösung neu Geld
verdienen zu können. Wenn du das Substitute-Kommando des `ed' von vor
25 Jahren kennst, dann kannst erkennst du das in aktuellem Perl-Code
zumindest wieder - auch wenn es natürlich stark ausgebaut worden ist.

Aus dem selben Grund halte ich auch die Überlegung nicht für
sinnvoll, "Stückzahl 1" (wie beim CD-Brenner) sei ein
erstrebenswertes Ziel für die gesamte Wirtschaft. Wenn eine
technische Möglichkeit dazu besteht, sind
Einzelanfertigungen sicher sinnvoll für Entwickler. Für eine
gesamte Wirtschaft stünden derartige Verfahren, verglichen
mit Massenproduktion jedoch für Resourcenverschwendung (z.B.
Zeit beim CD-Brenner).

Wieso das denn? Eine möglichst flexible Maschine hat doch
nicht automatisch Ressourcenverschwendung zur Folge - oder?

Die Herstellung einer CD und eines CDR-Rohlings sind vom Aufwand
her vergleichbar. Der Unterschied ist nun: Die CD ist, wenn sie
die Fabrik verläßt, bereits fertig, der CDR-Rohling muß erst
noch gebrannt werden, und seine Haltbarkeit liegt weit unter der
normalen CD.

Die Möglichkeit, Einzelstücke oder kleine Serien herzustellen,
spricht natürlich für den Brenner, aber kaum sein
Ressourcenverbrauch. Ab 1.000 Stück ist daher eher die CD-Presse
zu empfehlen.

Genau dazu hatte ich ja kürzlich was von den Fabber-Leuten gepostet.

1.1.2. Copyleft-Lizenz

Für freie materielle Produkte wird es vermutlich mangels
rechtlicher Grundlage keine Lizenz geben. (Die Möglichkeit,
bei der der Hersteller Eigentümer bleibt, das Produkt
verleiht und per Vertrag die Nutzung regelt, finde ich, wie
oben schon gesagt, abartig.)

Wieso? Denke das doch mal als Copyleft-Lizenz weiter. Ich
bleibe [als Hersteller?] zwar Eigentümer meines Produkts, gebe
aber allen [*] eine kostenlose Nutzungslizenz. Das wäre doch
direkt mal eine Überlegung wert - oder?

*) Wen meinst du mit "allen"? Allen Käufern für ihr jeweiliges
   Exemplar(1) oder wirklich allen für jedes Exemplar(2)?

Das wäre die Abschaffung des persönlichen Eigentums.

Na und? Persönliches *Eigentum* ist kein Wert an sich.

D.h. ich
hätte dann keine eigene Zahnbürste mehr, ich dürfte lediglich
eine kostenlos benutzen

Was im Zweifelsfall ganz konkret überhaupt keinen Unterschied macht.
Du könntest lediglich niemenschen mehr aufgrund deines Eigentumstitels
an der Zahnbürste wegen Diebstahl verklagen.

(im Fall Nr. 2 dürfte diese aber auch
jeder andere benutzen -- egal wozu übrigens("No Discrimination
against Fields of Endevour")).

Dagegen bräuchten wir eine Besitzregelung. Wer eine Sache benutzt,
besitzt sie auch. Dieser Besitz"titel" wäre dann die Grundlage, auf
der du eineN DiebIn verklagen könntest.

Um deine obige Nachfrage zu beantworten: Ich bleibe als Hersteller
zwar Eigentümer meines Produkts - um gegen das bürgerliche Recht
gewappnet zu sein -, gebe aber allen NutzerInnen eine kostenlose
"Besitzlizenz". Mit der Besitzlizenz können die NutzerInnen sich gegen
DiebInnen schützen.

Immer noch roh, aber schon ein Stückchen weiter :-) .

All dies deutet auf eine geringe
Motivation und keinen Spaß. Es ist nicht zu erwarten, daß
diese Arbeiten ohne Anreizsystem ausgeführt werden.

Aber klar ist das zu erwarten. Meine Baseline wäre wie gesagt
die repetitiven Tätigkeiten den Maschinen, den Menschen das
Spannende.

So sehe ich das auch, aber eher als Idealzustand. In der
Realität werden zumindest Leute gebraucht, die den Maschinen
beim Arbeiten zusehen und einschreiten, sobald irgendwas durch
die Gegend fliegt. Diese Tätigkeit ist sehr verantwortungsvoll,
aber auch sehr eintönig.

Das ist wahr. Aber während dieser eintönigen Überwachungstätigkeit
sollten sie Software und andere Vorrichtungen erfinden, die sie
schleunigst wegrationalisieren ;-) .


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

PS: Schön, daß du wieder da bist, Thomas :-) .

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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