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Re: [ox] Ein paar Gedanken zum Freiheitsverständnis



Hi Robert und alle!

3 days ago Robert Gehring wrote:
Hier also mein Versuch, mich dem Freiheitsbegriff mal etwas anders,
vielleicht etwas generischer zu nähern.

Eine super Abhandlung mit nochmal einer sehr spannenden Perspektive.

Wenn von "Freiheit von" bzw. "Freiheit zu" die Rede ist, dann bezieht sich
das m.E. immer -auch wenn das nicht immer offen ausgesprochen werden sollte-
auf _Handlungen_.

Ja, das finde ich wichtig festzuhalten.

Handlungen haben Akteure, d.h. man kann den Freiheitsbegriff in Bezug zu den
Akteuren setzen. Ein Freiheitsbegriff ohne Akteure scheint m.E. absurd zu
sein. [Wer sollte da frei sein? "Der Stein, der auf dem Feld liegt, ist so
frei"?]

Ja. Wieder sehr wichtig. Wir müßten also immer fragen "Freiheit - für
wen?".

Diese Inbezugsetzung zu Handlungen kann dreierlei Perspektiven haben, die
nicht gleichzeitig eingenommen werden können, die aber nicht unbedingt als
unvereinbarer Widerspruch zu sehen sind:

(1) Die subjektive Perspektive, die vom Handelnden ausgeht.

(2) Die soziale Perspektive, die von der Handlung der Gesellschaft ausgeht.

(3) Die "objektive" Perspektive eines von den Handlungsbezügen ausgenommenen
Beobachters (schwierig zu erreichen, als Idee, als Konstrukt, aber z.T.
machbar).

Die "objektive" Perspektive scheint mir nicht wirklich Sinn zu machen.

[Eine dieser Perspektiven nimmt man in der Diskussion/Reflexion unweigerlich
immer an. Genaugenommen müßte man sich das jederzeit ganz klar machen.]

Ja.

In der Perspektive (1) äußert sich dann Freiheit als "Freiheit zu".
In der Perspektive (2) äußert sich Freiheit als "Freiheit von".

Das könnte hinhauen.

Man kann in diesem Modell "Freiheit zu" und "Freiheit von" also zwei Seiten
eines Interaktions-/Kommunikationsprozesses zwischen Individuum und der sich
aus den Individuen konstituierenden Gesellschaft sehen. Dieser "Prozeß
Freiheit" äußert sich dann als wechselseitige Herstellung bzw.
Nicht-Herstellung von Handlungsoptionen (und ggf. ihrem Vollzug).

Einen Widerspruch gibt es bei dieser Betrachtungsweise nicht mehr auf der
Ebene der Freiheit, sondern auf der Ebene der _Bewertung_ der Handlungen.

Bingo! Ganz wichtiger Punkt in deinen Ausführungen. Das heißt also,
daß wenn wir über Freiheit reden, wir eigentlich über die Bewertung
von Handlungen reden? Oder ist das zu verkürzt.

Dieser tritt dann auf, wenn die Bewertungen der Handlung(en) nicht kohärent
ausfallen, was heute, in unserer Kultur, aus verschiedensten Gründen eher die
Regel als die Ausnahme ist. [Je höher die Kohärenz, desto weniger stellt sich
z.B. die Frage der Gewalt.]

Ja, unsere Kultur ist als eine Konkurrenzkultur, eine
Gegeneinanderkultur konstruiert. Die Gesellschaft in der die Freiheit
der Einzelnen die Bedingung der Freiheit aller wird, wäre aber wohl
kaum als Gegeneinanderkultur zu denken. Auch nicht als simple
"Miteinanderkultur" im übrigen.

Und da sagst du auch was, was mir intuitiv klar wird: Wenn die
Kohärenz niedrig ist, dann öffnet sich überhaupt erst die Schere, in
der Begriffe wie Freiheit und Unfreiheit eine Rolle spielen können.
Wenn Individuen und Gesellschaft über eine hohe Kohärenz bzgl. der
Bewertungen verfügen, wenn der gesellschaftliche Konsens also hoch
ist, dann braucht sich (Sicht 1) niemensch unfrei zu fühlen, weil er
die gesellschaftlichen Anforderungen als in Übereinstimmung mit den
eigenen Bedürfnissen empfindet und niemensch (Sicht 2) handelt gegen
die gesellschaftlichen Anforderungen, so daß die Schaffung von
Unfreiheit gar nicht notwendig ist.

Das haut hin.

Eine Präferierung der einen oder anderen Seite -individueller/subjektiver
ggü. sozialer Freiheit- wird sich wohl immer daran messen lassen müssen, ob
sie zu einem höheren Grad an Kohärenz der Bewertungen führt oder nicht, d.h.
ob sich das Individuum in seiner Bewertung als durch die Gesellschaft
vergegenständlicht (als _Objekt_ sozialer Maßstäbe) erfährt oder eben nicht.

D.h. um das Leiden zu minimieren müßten wir eine höhere Kohärenz
haben. Das klingt plausibel.

Vielleicht hilft der eine oder andere Gedanke aus dieser Modellierung
(einer unter vielen möglichen) weiter.

Danke, sehr :-) !


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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