Message 03257 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT03195 Message: 5/17 L2 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Re: Gewalt



Hi Christoph,

Danke für Deine Antworten! Ich muß 'zugeben', daß ich viel daraus
gelernt habe, obwohl Du mich nicht überzeugt hast...

Es war Fri, Aug 24, 2001 at 05:14:34PM [PHONE NUMBER REMOVED], als Christoph Reuss schrieb:
[...]
Gewalt ist etwas, das dem Opfer schadet.  "Aufklärung" (in beiden
Bedeutungen), Unterricht und Erziehung _nützen_ den Empfängern i.d.R.
(ausser es handelt sich um "Verdummung" -- in dem Fall kann man durchaus
von Gewalt sprechen).


Die Einschätzungen, die Du hier dem Urteil zugrunde legst, ob
etwas als Gewalt eingestuft werden kann oder nicht, scheinen mir
äußerst subjektiv. Da Du im Moment den Maßstab bestimmst, muß ich
fragen, wer oder was Dich authorisiert, dies zu tun. Was mich
daran stört ist, daß Dein Urteil, welches zweifellos von der
heutigen Zeit und Deinem Leben in Westeuropa geprägt ist,
herangezogen wird, um Vorgänge in der menschenlosen Natur, in
anderen Gesellschaften oder anderen Zeitepochen zu
beurteilen. Dein Gewaltbegriff soll ja auch unabhängig von den
Unterschieden sein, die zwischen den jeweiligen Zusammenhängen
bestehen. Da es um diesen ja geht, folge ich erstmal Deinem
Anspruch. Aber ich kann Dir nicht folgen, wenn das, was als
Schaden gilt, unabhängig von den jeweiligen Umständen sein soll.

Du bringst ja selbst Beispiele, wo bei gleicher "Gewalt"
unterschiedlicher Schaden ausgeübt wird. Man könnte diese
Beispiele (als geschulter Krimi-Konsument) auch so hindrehen, daß
im einen oder anderen Fall von "Gewalt"-Anwendung gar kein
Schaden mehr zugefügt wird, sondern im Endeffekt ein Nutzen
entsteht: z.B. beim Serien-Einbrecher -- sagen wir, er bestielt
einen reichen alten Herren, welchen seine junge Ehe-Frau sowieso
gerade umbringen wollte um dieses oder jenes Erbstückes
willen... -- nun, da die Erbstücke wohlbehalten von unserem
Serien-Einbrecher entwendet wurden, kommt unser reiches Alterchen
mit dem Leben davon und hat also ganz den Nutzen auf seiner
Seite... -- Ist nun also die Gewalt des Einbruchs und des
Diebstahls keine Gewalt mehr? -- nur wegen dem Hintergrund einer
anderen drohenden Gefahr? 

-- und wie ist es beim Sonnenbad? -- die einen haben den Schaden,
die anderen nicht; die gleich Sonne übt also am selben Strand auf
die einen  Gewalt aus, während die anderen zwar genauso
beschienen, aber von der Gewalt verschont werden???


Des weiteren verhindert (in meinem gegenwärtigen Verständnis) das
Schadenskriterium eine eindeutige Anwendbarkeit des
Gewaltbegriffes, wenn das Subjekt des Schadens nicht eindeutig
feststellbar ist: Ein Kloster, das die Wissenschaft pflegt, aber
das Volk verdummt, gleichzeitig auch noch die Bauern auf den
umliegenden Länderein aussaugt, wird im Zuge der Politik eines
aufklärerischen Kaisers aufgelöst. Gewalt -- ja oder nein? Die
Mönche mögen nicht mehr systematisch verdummt werden, aber
gleichzeit wird ihnen die Lebensgrundlage entzogen... Die Bauern
werden sich bedanken, sofern sie eine Erleichterung zu spüren
bekommen, sie werden vielleicht auch ein bischen weniger verdummt
aus vorher (wenn auch immer noch gerade genug, um das nun neue
System am Laufen zu halten), sie müssen aber auch auf einige
soziale Funktionen verzichten, die das Kloster erfüllt hat,
bspw. daß die Leute, die sonst immer ins Kloster geschickt
wurden, dort keinen Unterschlupf mehr finden können (Zunahme von
Bettlern, Räubern, Kranken etc.), kein Ort des Glaubens und der
Wissenschaft mehr in der Nähe usw. ... Wer kann hier Schaden
gegen Schaden, Nutzen gegen Nutzen aufwiegen etc? 

Ich glaube, daß diese Art von Relativismus zu unendlichen
Verschiebungen von Ursachen und damit Bewertungen führt. Und
dadurch verliert der Begriff (Gewalt) in meinen Augen seine
Anwendbarkeit und also seinen Sinn.

- - - - - - - - - - - -

Außerdem kann ich Dir nicht folgen, daß alles Gewalt sei, was
Schaden zufügt... Mein von der Umgangssprache geprägtes
Verständnis macht da einfach einen Unterschied zwischen List und
Gewalt, zwischen Verführen und Vergewaltigen, zwischen Vergiften
und Erschlagen.
Man kann, in meinem Verständnis, Opfer einer Intrige werden,
deren ganzer Zweck es gerade ist, die Täter ohne Gewalt zum Ziel
zu führen. Ist diese Unterscheidung in Deinen Augen müßig? Hältst
Du es für überflüssig, Gewalt von anderen Formen des Zwangs
bzw. Schädigens abzugrenzen?

Sei gegrüßt,
Casimir.
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT03195 Message: 5/17 L2 [In index]
Message 03257 [Homepage] [Navigation]