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Re: [ox] Zur Kritik der Freien Kooperation



Hallo alle miteinander,

On Mon, Oct 01, 2001 at 12:29:55PM -0400, RalfKrae aol.com wrote:
[Administrative Anmerkung: Ich habe auch diese Mail von dem
überflüssigen HTML-Teil befreit. Den RTF-Teil konnte ich mit
StarOffice 5.1 nicht lesen. Da das sich das häuft, nehme ich an, daß
sich M$ zunhemend von (seinem eignen) RTF-Standard verabschiedet. Ich
habe daher in ein textorientiertes Format gewandelt und gehe davon
aus, daß alles Wichtige enthalten ist. -- StefanMn]

Danke! Als RTF wäre das für mich schwer lesbar und noch schwerer
beantwortbar gewesen.

Inhaltlich hab ich wieder mal - ähnlich wie schon bei Stefan Mertens Kritik
- den Eindruck, dass viel dieser Kritik im Alienbuch behandelt wird.
Vielleicht muss man die beiden Texte doch einfach zusammen lesen?

Heading_1: Alles Kooperation oder was?

Normal: Ralf Krämer, Dortmund, im August 2001. Auszüge aus einer
Kritik an Christoph Spehr.

Wenn das nur Auszüge sind, gibt es dann auch noch den Rest? 

Heading_3: Gesellschaft und Kooperation

Normal: Seiner ganzen Konzeption der `Freien Kooperation' liegt eine
völlig unangemessene Vorstellung von Gesellschaft überhaupt zu Grunde.
Spehr reduziert Gesellschaft auf Kooperationen, also bewusst
eingegangene - und aufkündbare - interpersonale Interaktionen und
Beziehungen. 

Also im Alienbuch kommen noch einige andere Konzepte zum tragen, die quer zu
Kooperationen laufen, das sind vor allem soziale Bewegungen
(Arbeiterbewegung, Friedensbewegung, Frauenbewegung, ...), postmoderne
Kollektive (Startrekfans, Freie Software Gemeinde, ...) und "Zivilisationen"
(Aliens, Maquis, Faschos und Zivilisten).

In diesem Kontext ist FK (Freie Kooperation, ich kürz das jetzt auch mal ab)
eine Strategie des Maquis (der emanzipatorischen Zivilisation) nicht mehr
und nicht weniger.

Was den gesellschaftlichen Lebensprozess der Menschen und
Gesellschaft als System mit eigenen emergenten Zusammenhängen und
Entwicklungslogiken ausmacht und Menschen und ihre Existenzbedingungen
und Tätigkeiten grundlegend prägt, wird von ihm nur betrachtet unter
dem Aspekt davon für die Individuen ausgehender Zwänge, die es zu
beseitigen gelte. Spehr vertritt seine Sicht durchaus explizit, z.B.
wenn er die besondere Qualität und Komplexität gesellschaftlicher
Verhältnisse mit dem Hinweis bestreitet, jede soziale Kooperation (und
jeder einzelne Mensch) sei selbst ebenso komplex, und dies mit der
`Selbstähnlichkeit von gesellschaftlichen Verhältnissen' begründet
(40). Aber eine solche Verwendung von Versatzstücken aus der Theorie
der Selbstorganisation dynamischer Systeme bzw. Chaostheorie mag zwar
den Zeitgeist ansprechen, ist aber in der Sache völlig unangemessen.

Das stimmt schon, dass ist nicht besonders gut begründet. Ich persönlich
finde es schlicht einleuchtend. Annette hat glaub ich ein paar tiefer
gehende Texte zu dem Thema auf ihrer Homepage, wenn ich mich recht erinnere.
Mit "Zeitgeist" und "der Sache völlig unangemessen" zu kontern zeugt nun
aber auch nicht gerade von tiefgründiger Analyse ;-)

Das erklärt überhaupt nichts und vermittelt
keine angemessenen Handlungsorientierungen.

Das alleine erklärt nichts, aber es beseitigt vielleicht den Nebel, den man
ansonsten zwischen kleinen und großen Kooperationen rumwabern hat. Die
Grundidee ist schlicht: Wenn alle Leute an gesellschaftliche Beziehungen die
selben Massstäbe anlegen würden, wie an ihre direkten persönlichen
Beziehungen, dann wäre möglicherweise schon viel gewonnen.

Was Du machst, ist ja nichts anderes, als eine gigantische Komplexität zu
postulieren und damit erstmal dem Einzelnen die Zuständigkeit abzusprechen.
"Lass das mal kleiner, wir kennen uns da aus, vertrau uns." Und das ist eine
Herrschaftsstrategie, die Christoph kaltstellen will.

Wenn man da so herangeht, wundert nicht mehr,
dass bei Spehr zwischen den unterschiedlichsten
Gesellschaftsformationen der letzten paar tausend Jahre anscheinend
keine grundsätzlichen Unterschiede bestehen, die Auswirkungen auf das
(anti-)politische Herangehen an sie haben müssten, sind sie doch alle
irgendwie durch Herrschaft geprägt.

Auch dazu findest Du viel im Alienbuch. Demnach leben wir heute in einem
Zeitalter "demokratischer Herrschaft", dass auf das Zeitalter der
"persönlichen Herrschaft" gefolgt ist. FK ist ja gerade ein Konzept zur
Emanzipation unter demokratischer Herrschaft.

Heading_3: Gesellschaft und Individuum

Normal: Man kann die Tätigkeiten und Interaktionen der Menschen nicht
begreifen als bloß subjektive. Man muss sich darüber klar sein, (1.)
dass von bzw. auf Ebene der Gesellschaft materielle, soziale,
kulturelle, politische etc. Bedingungen gesetzt werden, die die
Handlungsmöglichkeiten der Einzelnen weitgehend bestimmen; 

In genau diesem "weitgehend" liegt aber nunmal der Schlüssel zur
Emanzipation. Wenn dieses "weitgehend" ein "vollkommen" wäre, bräuchten wir
uns darüber keine Gedanken mehr machen. FK will nichts anderes, als dieses
"weitgehend" aufzuweichen und eben gerade Handlungsmöglichkeiten schaffen.
Siehe dazu auch die Mails zur kritischen Psychologie von Stefan Mz.

Was soll denn eine emanzipatorische Theorie machen, wenn nicht
Handlungsmöglichkeiten erweitern?

(2.) dass
die Auswirkungen der Tätigkeiten und sozialen Prozesse weit über
diejenigen Subjekte hinausreichen, die an den jeweiligen
`Kooperationen' beteiligt sind, sei es über den gesellschaftlichen
Zusammenhang des Austausches der Produkte, sei es über
Systemzusammenhänge etwa finanzieller Art, sei es über ökologische
Folgen oder andere externe Effekte; 

Das bedeutet nichts anderes, als das dort verdeckte Kooperationen am Werk
sind. Diese gilt es aufzudecken und nach den Prinzipien FK zu organisieren.

(3.) dass das Bewusstsein der
Menschen in so einem umfassenden Sinne gesellschaftlich geformt ist,
dass Marx sagen konnte, dass `das menschliche Wesen in seiner
Wirklichkeit das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse' (MEW 3,
S. 6) ist, und 

Völlig korrekt. Nur gibt es da eben nur zwei Alternativen, entweder man läßt
die Menschen zu oder man richtet sie zu. Emanzipation muß sich immer an
ersterem orientieren. Es gibt keinen "neuen Menschen", den man durch
Erziehung oder was auch immer heranzüchten kann. 

Auch hier gilt wieder, der Verblendungszusammenhang kann nicht total sein,
sonst könnten wir ihn ja nicht erkennen. Wenn er nicht total ist, dann
bedeutet das, dass man daran arbeiten kann und muß ihn zurückzudrängen.
Genau das will FK.

(4.) dass von der Gesellschaft Anforderungen an die
Individuen ausgehen, in bestimmter Weise tätig zu werden, und dass die
Gesellschaft Mechanismen aufweist, die bewirken, dass diesen
Anforderungen genüge getan wird, dass also Menschen in dieser Weise
tätig werden. Was diese Menschen sich dabei im Einzelnen denken oder
sonst noch tun, und welche Menschen das im Einzelnen sind und wie
genau sie es tun, und dass es auch Menschen gibt, die in verschiedener
Weise nicht mitmachen, ändert nichts daran, dass es läuft. Man muss
die menschlichen Tätigkeiten und Interaktionen also auch als
Systemprozesse der Gesellschaft betrachten.

Was Du hier sagst, ist nichts anderes als: Man muß von den Menschen absehen.
Das genau ist aber meinem Verständnis nach antiemanzipatorisch. Natürlich
gibt es abstrakte Mechanismen, die hinter dem Rücken der Subjekte agieren.
Nur muß es doch unser Ziel sein, diese abzuschaffen, zurückzudrängen und
wieder zu uns selbst zu kommen. Da hilft es wenig an genau diesen abstrakten
Mechanismen anzusetzen, sondern wir müssen da ansetzen, wo diese Mechanismen
nicht zu 100% funktionieren, wo es Brüche und Widersprüche gibt.

Normal: Die Einbindung in den gesellschaftlichen Lebensprozess ist die
notwendige Bedingung des Lebensprozesses der Individuen. Die Menschen
können zwar aus einzelnen `Kooperationen' aussteigen, `den Baum
wechseln' (23), aber das hat seine Grenzen, man kann nicht aus der
Gesellschaft aussteigen. Aus der Perspektive der Einzelnen erfordert
es, dass andere Bäume zur Verfügung stehen, und wenn die auch nicht
besser sind, ist nicht viel gewonnen. `Sein eigenes Ding zu machen'
(23) ist häufig die noch schlechtere Alternative, und auch das macht
niemand außerhalb der Gesellschaft. Was Spehr als `Ausnahme'
formuliert, dass `es für den Betreffenden keine vergleichbare und
vertretbare Alternative' (54) gibt, ist ein regelmäßiges Problem in
vielen Lebenslagen sehr vieler Menschen. Und wenn die Gesellschaft
nicht für diese Fälle Vorkehrungen trifft, die die Form von Ansprüchen
der Menschen gegenüber der Gesellschaft haben und Verpflichtungen für
andere Menschen implizieren, damit diese Ansprüche eingelöst werden
können, sehen die Betreffenden ggf. sehr schlecht aus. Spehr schreibt:
`Wir können uns nicht aussuchen, welche Flüchtlinge wir in unsere
Gesellschaft aufnehmen.' (54) Aber in Wirklichkeit können und tun
`wir' das sehr wohl, und genauso könnten `wir' Erwerbsunfähige,
Obdachlose oder Pflegebedürftige innerhalb unserer Gesellschaft
zugrunde gehen lassen. Und ohne gesellschaftliche Regelungen, die das
verhindern sollen, würde es tatsächlich massenweise geschehen, und es
geschieht in vielen Regionen der Welt.

Wie ja auch schon in der Mail zu Stefan Mt. geschrieben teile ich diesen
Kritikpunkt. Es geht da nicht darum "Ausnahmen" zu formulieren, sondern das
in das Konzept als Ganzes zu integrieren. Ob und wie das geht, wäre dann mal
zu untersuchen, aber als Killerkriterium sehe ich es nicht.

Heading_3: Regeln und Institutionen

Normal: Spehr betrachtet als `Realität: dass wir Sklaven sind.
Verfügbar. Regeln und Kontrollen unterworfen, denen wir uns nicht
entziehen und über die wir nicht bestimmen können. Den ganzen Tag, mit
all unseren Empfindungen und Fähigkeiten; bis ans Ende unserer Tage
und bis in die siebte Generation. (...) Fast alles ist erzwungene
Kooperation.' (17) Indem er gesellschaftliche Regeln und Normen
pauschal als Medien von Herrschaft und Unterdrückung behandelt,
verschleiert und vergibt er, was eigentlich nötig wäre, nämlich
konkret diejenigen herrschenden gesellschaftlichen Normen und
Institutionen zu kritisieren, die und insoweit sie tatsächlich unter
dem Deckmantel der Neutralität und Allgemeingültigkeit soziale
Herrschaft und Diskriminierung exekutieren und der Artikulation
sozialer Abgrenzung der Oberen von den Unteren in der Gesellschaft
dienen. Da gäbe es wahrlich reichlich zu kritisieren und zu verändern
und Diskussionsbedarf, wie dabei die Prioritäten zu setzen sind.

Das ist jetzt ulkig. Du wirfst Christoph genau das vor, was Du in Deiner
Kritik selber an mehreren Stellen machst, nämlich das er die Kritik
totalisieren würde. Der Schlüssel liegt wie immer im "fast". Es ist eben nur
_fast_ alles erzwungene Kooperation.

Normal: Aber indem Spehr in dieser Weise undifferenziert vorgeht,
gewinnt sein Ansatz Züge pubertärer Rebellion gegen `die Gesellschaft'
überhaupt und wird illusionär. Denn auch jede zukünftig mögliche
Gesellschaft wird wie alle bisherigen auf einer Vielzahl zunächst
fraglos vorausgesetzter und z.T. sozusagen schon "mit der Muttermilch
eingesogener" Regeln beruhen. Dabei geht es nicht nur um die etwa in
Gesetzen und Verträgen formalisierten Regelungen, sondern auch um
alltägliche Verhaltensmuster, Einstellungen, Bedeutungszuweisungen,
die Sprache etc. Ungeachtet auch meiner persönlichen Neigung, Regeln,
die ich nicht einsehe, in Frage zu stellen, sollte man sich klar sein,
dass wir ständig sozusagen in jeder Minute eine Vielzahl von Regeln
befolgen (die sich durchaus den verschiedenen nationalen
Gesellschaften, aber auch z.T. zwischen verschiedenen sozialen Gruppen
und Milieus innerhalb einer Gesellschaft unterscheiden), und dass
soziales Leben anders gar nicht funktionieren kann. Institutionen,
Habitus, Mentalitäten etc. sind nicht einfach willkürlich zu ändern,
sondern soziale Realitäten, die sich die Einzelnen nicht aussuchen
können, sondern die sozusagen sozial vererbt werden und die sich
zumeist gesellschaftlich auch nur sehr langsam, im Verlaufe von
Generationen, verändern.

Ja, völlig korrekt. Nur will FK eben nichts anderes als diese Regeln
prinzipiell hinterfragbar zu machen, das muss ja noch nicht heissen, dass
sie in jedem Einzelfall immer hinterfragt werden. Wie Christoph ja auch auf
dem Workshop auf der Konferenz gesagt hat: FK ist eine Theorie des
Ausnahmezustands. Es geht nur darum, dass Regeln prinzipiell und unter
fairen Bedingungen veränderbar sind und nicht darum, dass sie alle verändert
werden müssen. Das passiert dann schon von selbst genau an den Stellen, an
denen es wichtig ist.

Normal: Und auch in Bezug auf formalisierte Regeln, konkret v.a.
Gesetze, kann man nicht jederzeit alles in Frage stellen, sondern kann
es immer nur darum gehen, bestimmte sich als besonders problematisch
erweisende Regeln zu kritisieren und zu ändern. 

Wer entscheidet welche Stellen problematisch sind? FK gewährleistet darüber,
dass alle Regeln veränderbar sind, dass die problematischen auch verändert
werden. Wer sollte ein Interesse daran haben unproblematische Regeln zu
verändern? Und wenn jemand ein solches Interesse hat, dann sind diese Regeln
wohl offensichtlich eben gerade _nicht_ unproblematisch. Ob etwas
problematisch ist oder nicht kann sich doch nur darüber definieren, ob
jemand ein Problem damit hat. Worüber denn sonst?

Oder willst Du sagen, dass bestimmte Leute dann vielleicht nur Unsinn reden,
wenn sie Regeln für problematisch halten? Darf das nur die Mehrheit
entscheiden? Oder wer? Sind am Ende doch wieder einige Tiere gleicher als
andere?

Heading_3: Demokratisierung

Normal: Eine bessere gesellschaftliche Alternative - ich nenn sie mal
Sozialismus - kann nicht schlicht auf `Freie Kooperation' setzen,
sondern erfordert demokratische Planung und Steuerung, die auf
gesellschaftlichen Kommunikations- und Entscheidungsprozessen über die
Entwicklungsziele, Prioritäten und Beschränkungen von Produktion und
Konsumtion beruht. 

Was genau bedeutet das? Wer plant und steuert dann wen?

Um das Zerrbild einer widerspruchsfrei `wundervoll
funktionierenden gesellschaftlichen Maschine' (26), das Spehr dagegen
ins Feld führt, geht es dabei überhaupt nicht. Wohl aber um
Demokratisierung, die als `Anspruch anderer, im eigenen Leben
herumzupfuschen' (26) zu diskreditieren in Anbetracht der teils
gravierenden negativen Betroffenheit anderer Menschen von vielen
Tätigkeiten, die häufig den Subjekten gar nicht auffallen oder sie
nicht interessieren, nur als ignorant bezeichnet werden.

Die Kritik der "demokratischen Herrschaft" findet sich ausführlicher im
Alienbuch. Es macht wohl mehr Sinn, sich darauf zu beziehen, denke ich.

Ansonsten ist ja auch FK für "emanzipatorische Demokratisierung" aber eben
nicht für eine blinde institutionalistische Demokratisierung.

Heading_3: Kapital und Arbeit

Normal: Spehr stellt sich vor, dass die Herrschaft des Kapitals im
Produktionsprozess dadurch auszuschalten sei, dass
Kapitalinvestitionen `Anteile am Gewinn, aber keine Bestimmungsgewalt'
(46) beinhalten sollen. Darauf wird sich aber Kapital nicht einlassen,
wenn es nicht davon ausgehen kann, dass der Betrieb im Sinne der
Profitmaximierung bzw. des Shareholder Value- also nicht als `Freie
Kooperation' - geführt wird, oder es - in einklagbaren Verträgen -
feste Zinszusagen und Sicherheiten bekommt. Aber da ja alles
verhandelbar sein soll, wird das dann wohl das Ergebnis der `freien'
Verhandlungen zwischen den Kapitalgebern und den Betrieben sein. In
der real existierenden Welt ist Spehrs Konzeption ein Horrormodell für
diejenigen, die nicht über Kapital verfügen, sondern arbeiten müssen,
um ihren Lebensunterhalt zu verdienen (jedenfalls wenn es mehr als nur
Grundsicherung sein soll), denn ganz nebenbei sollen auch noch die
bisherigen Arbeitnehmerschutzgesetze beseitigt werden, weil sie eine
Einschränkung der freien Verhandelbarkeit der Bedingungen in der
`Kooperation' Betrieb bedeuten würden: dort `werden Regeln vereinbart,
die (...) Arbeitsverträge betreffen (...) Die Gesellschaft redet in
diese Regeln nicht hinein' (45).

Aber vielleicht die übergeordneten Kooperationen? Was Du schilderst sind
doch nur asymmetrische erzwungene Kooperationen.

Normal: Da wundert man sich kaum noch, wenn im anschließenden Kapitel
von Spehrs Text als das `zentrale Instrument moderner Diskriminierung'
(47), dessen `Privilegien die Verfügung über alle andere Arbeit und
alle anderen Arbeitenden' (48) sichert, aufgedeckt wird: nein, nicht
das Kapital, sondern die `formale Arbeit'. Sie ist `weder prekär, noch
illegalisiert, noch monoton, noch minderbezahlt, noch biografisch
zerstückelt' (47). Wer sie hat, `kann die Bezahlung und die
Bedingungen seiner Arbeit einklagen und seine Arbeitsstätte
einigermaßen frei wechseln. Er hat Urlaub, eine feste Begrenzung
seines Arbeitstages und gut funktionierende pressure groups. Er muss
nicht `um Erlaubnis bitten, wenn er mal pinkeln will'.' (48).

Normal: Weil ein großer Teil der Arbeitenden nicht über diese
unerhörten `Privilegien' verfügen (abgesehen davon, dass diese
Beschreibung der Arbeitsbedingungen qualifizierter Beschäftigter doch
in einigen Punkten geschönt ist), erhebt Spehr die Forderung:
`Entprivilegierung der formalen Arbeit'. Auf die Idee, dass es für die
Betroffenen vielleicht weitaus attraktiver sein könnte, diese
`Privilegien' auf möglichst alle Erwerbsarbeit auszudehnen, scheint er
nicht zu kommen - 

In dem Abshcnitt geht es nicht nur um "Erwerbsarbeit", sondern um jede
Arbeit. Wenn jetzt aber jede Arbeit, die gesellschaftlich verrichtet wird
mit den "Privilegien" der formalen Arbeit ausgerüstet würde, fände ich das
tatsächlich eine Horrorvorstellung. "Reich mir mal bitte die Butter - Erst
musst Du den Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung abdrücken"

Darin spiegelt sich aber tatsächlich der "sozialistische" Wahn der Plan- und
Kontrollierbarkeit allen menschlichen Seins und der ist nichts anderes als
ein Spiegelbild des kapitalistischen Jeder gegen Jeden, da hat Krisis schon
recht.

Grüße, Benni
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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