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Re: [ox] Biologismus etc. (was: Fritjof Capra zum WTC - Terror)



Entschuldige Lutz, mir scheint, als sei ich mittlerweile in einer Ecke
angekommen, in die ich nun weissgott nciht wollte.

So haben die Nazis in allen feindlichen Ansichten den Juden zu
entdecken vermocht, vom Kapitalismus bis zum Kommunismus.
Und ich sehe, dass vielen Denkern der Biologimusvorwurf vollkommen
unberechtigt gemacht wurde und der Nebel der Demagogie erst langsam
wegzieht.

/*Um es zynisch zu sagen, haben die Nazis haben eben keine Kritik an dem
Gegenstand ihrer
Bemühungen geübt sondern sich gleich auf die Ausrottung desselben verlegt.
Du kannst doch nicht ernsthaft meinen, Kritik, meinetwegen auch
Demagogie, wären damit auch nur ansatzweise vergleichbar.*/

Ich denke Du scheisst hier ein bisschen an meiner Kritik vorbei. Die
antisemitischen Hetzschriften hatten eines gemeinsam: in jedem Phänomen der
Moderne, das ihnen nicht gefiehl den Juden als Sündenbock zu erkennen, und
seien es vollkommen wiedersprüchliche Geisteshaltungen. Wo hatten die nazis
denn her, das der Jude der auszurottende Feind sei, mit welchen Begründungen
wurde gegen Juden gehetzt? Antisemitismus gab es unabhängig von der
nationalsozialistischen Herrschaft und der Frage, ob diese Herren die Macht
hatten.
So wie das Bannwort "jüdisch" zum Universalschimpfwort wurde, kann man auch
feindliche Geisteshaltungen mit irgendwelchen *passt immer
irgendwie"-Schimpfbegriffen wie "biologistisch" belegen. das nachzuweisen
ist vergleichbar mit den Versuchen der Numerologen, die natürlich auch bei
dem WTC-Anschlag wieder auf ganz putzige Kombinationen (die 11) gestossen
sind. :-) Ich finde eine solche Argumentationslinien tendentiell unseriös.

Das nicht, aber dieses Dogma von der Unvergleichlichkeit, das bei uns
eisern verteidigt wird, wird von Aussenstehenden anderer Kulturkreise,
schon von Letten, Mongolen und ähnlichen, die nicht Teil unseres
Diskurses waren, nicht verstanden.

/*Das mag richtig sein, obwohl ich bei den Letten da so meine Zweifel
hätte. Auch in Lettland wurden, auch wenn mir die konkreten historischen
Daten fehlen, von Deutschen Juden ermordet. Auch Lettland war während
des zweiten Weltkriegs von der Wehrmacht besetzt, hatte also ausreichend
Gelegenheit, mit dem deutschen "Kulturkreis" Bekantschaft zu machen.*/

Ich meinte natürlich die Abgeschnittenheit von der kontinentaleuropäischen
diskussion zu dem Thema, in deren Lauf das Dogma entstand, brauchen wir
eigentlich gar nicht drüber zu reden, das wird sich mit der Zeit ohnehin
nicht halten. Ich jedenfalls sehe seine gegenwärtige Funktion nicht mehr.
das ist so eine Geschichte, wie wenn man mit angehörigen einer Dikatur über
die "Einzigartigkeit" ihres großen, unvergleichlichen Führers XY spricht.
Natürlich wissen wir alle, dass die macht solcher götzen nicht ewig halten
wird und solche geschichtlichen bilder immer eine funktion, etwa im
führerbeispiel die Stabilisierung und Legitimation einer Diaktatur haben.
Warum soll ich mir von Leuten mit dem erhobenen Zeigefinger einschränken
lassen, was man sagen/denken/vertreten darf. Was fürchten diese Leute? Ich
denke den Revisionismus, aber - was soll ich sagen - , was solls,  bin dann
vielleicht nach Definition solcher Gralshüter ein "Revisionist" (wieder der
gleiche Mechanismus, man kritisiert nicht wirklich, sondern belegt mit
Kampbegriffen "revisionistisch"), nach meinem eigenen Verständnis bin ich
aber schon über die Diskussion hinaus gewachsen.

/*Es ist ja nicht so wichtig, ob meinetwegen ein Mongole, der "Mann auf
der Straße", sich einen Begriff vom Holocaust machen kann oder nicht.
Ich gehe aber davon aus, dass jeder Mensch, dem die historischen und
ideologischen Zusammenhänge des Mordes an den Juden verdeutlicht werden,
sehr wohl dessen Einzigartigkeit anerkennen wird. Dass ihm das Material,
um Einblicke in diese Zusammenhänge selbst zu gewinnen, in seiner je
eigenen Lebenswelt nicht zugänglich sein mag, spricht nicht dagegen.*/

Ich meine nur das dogma nicht parallelisieren zu dürfen. Das aber sollte man
machen, sonst bekommt historie überhaupt keine zeitgeschcihtliche Bedeutung.
Während aber sich keiner daran stört, dass die NS-Vergangenheit auf das
heutige Verhältnis zwischen Deutschen und "Ausländern" parallelisiert wird,
wissend, das dies problematisch ist, aber mit dem Ziel Geshcihte nicht zu
wiederholen. Da schwebt dieses merkwürdige dogma von der Einzigartigkeit im
Raum, und jeder spiesser holt den Zeigefinger heraus, das darf(sic!) man
jetzt aber nicht vergleichen. Dabei geht es gar nicht darum Einzigartigkeit
zu bestreiten (auch die Krönung Kaiser Karls war "einzigartig"), sondern
Geschichte anwendbar zu machen. Das ziel des dogmas wird eine Art
erwünschter Sonderstatus sein, und den können Angehörige anderer
Kulturkreise schwer nachvollziehen, wie man jetzt merkt, nachdem sich die
kulturelle diskussion über die Fragestellung in andere Regionen der Welt
geöffent hat. Es spricht wenig dafür, dass diese sich unseren Begriff
überbügeln lassen.
DIESE Diskussion stammt ja nicht von mir und mir ist sie insofern
gleichgültig, wie Menschen nicht meine Freiheit einschränken

/*Was wäre übrigens die argumentatorische Konsequenz, wenn Du meinetwegen
einem Mongolen auch nach ausführlichster Diskussion und Darlegung der
historischen Vorgängen bescheinigen wolltest, er könne dieses "Dogma"
nicht nachvollziehen? Würdest Du ihn dann für einen besseren Menschen
halten? Ich könnte das nicht.*/

Ich versuche dir nur klarzumachen, dass wir in einem kulturellen Denkkäfig
gefangen sind, aus dem wir uns emanzipieren sollten. Meiner Ansicht nach,
sind "Mongolen" keine schlechteren oder besseren Menschen. Das Dogma hat
eine Funktion, wie der Gott für den Gläubigen, das ist klar. Nun fällt es
dem Gläubigen schwer sich vorzustllen, dass man auch ohne seinen Gott leben
kann :-) Meine These lautet, dass das "Dogma" in einem inteerkulturellen
diskurs keine chance hat von allen als "vernünftig" und "zwingend"
akzeptiert zu überleben, wie auch andere historisch sich etablierte
westliche Ideen (etwa das "geistige Eigentum", die Verzinsung des Geldes)
nicht. Das ist meine persönliche Meinugn, darüber möchte ich mich aber auch
gar nicht streiten.

Wenn ich jetzt einmal den Standpunkt dieser Leute nehme, die tiere und
Menschen mit einem ähnlichen Recht auf Leben sehen, dann ist es
konsequent, die industrielle Schlachtung von Tieren (die nur zu diesem
Zwecke geboren werden) mit der Massentötung von Menschen zu
vergleichen.

/*Nein, ist es nicht*/.

Warumn nicht ? Beachte die Bedingung, wenn jemand Leben menschlich oder
tierisch als gleichwertig betrachtet, also zwischen Mensch und tier, was das
Recht auf Leben angeht nicht unterschiede, wäre eine Massentötung(Mensch)
genauso ein Verbrechen wie eine Massentötung(Tier).
Wie bereits gesagt, ich vertrete die Ansicht nicht, aber ich respektiere
diese Leute, sofern sie sich an die allgemeinen Gesetze halten und mich in
Frieden lassen.

Der Vergleich hinkt natürlich, denn das Ziel der Fleischindustir ist
im grunde genommen, wenn man sich auf den Standpunkt stellt, noch
perverser:

/*Perverser als der Holocaust: meinst Du das wirklich ernst?*/

als eine Massentötung von Menschen, ich billige dem Holocaust zu eine
spezielle, einzigartige  "Massentötung" gewesen zu sein.
Perverser in bezug darauf, dass Menschen nicht geboren und getötet werden,
um verspeisst zu werden, wie man es von den Kanibalen (dort aber nur
rituell und ohne Mast) kennt.
Diese tierschützer-Leute sehen sich selbst doch genauso wie wir, wenn wir zu
den Kanibalen gingen.

Da wird ein Lebewesen zur Ware gemacht, dessen Leben keinerlei Wert
besitzt, vielmehr seinen wahren wert erst in Bezug auf seine Fähigkeit
dem Menschen als Nahrung zu dienen erhält.

/*Um wieder zynisch zu werden: Immerhin erhält das zu schlachtende Tier
durch seinen Metzger einen Wert zugewiesen, einen zwar, den es selbst
wohl nicht als solchen sieht, aber immerhin einen Wert. */

Eben, das ist Zynismus!

/*Die von den
Deutschen ermordeten Juden waren aber völlig wertlos: allein ihre
Ausrottung war Programm, ohne jeden konkret aus dieser zu ziehenden
Nutzen.*/

Nun wirst du aber pervers, wenn man noch Ubootdichtungen draus machte
konnte, hat es einen Wert?
Das erinnert mich an diesen Film über den Invisible Man, einen
todeskandidaten, der als "wertloser" Mensch seine Leiche der Wissenschaft
spendete, die ihn in Microskopisch kleine Schnitte zersägte, zur Freunde der
Wissenschaft... Da wurde der "Schurke" doch noch n-ü-t-z-l-i-c-h!

/*Wer diese These verträte hätte in der Tat einen erstaunlichen Begriff
von den Aufgaben eines Arztes. Wenn es sich bei diesem nicht gerade um
einen Vertreter der Euthanasie handelte, sollte man doch meinen, der
Arzt sollte nicht "das Schwache ausmerzen",
// okay, das war übertrieben, aber der Fetisch der Gesundtheit enthält
natürlich auch die "Ausstossung des Kranken".
vielmehr die Schwachen
heilen.
// interessant, wir sehen, was passiert, wenn wir andere Begriffe nutzen
 Übrigens kann ich Deiner Analogie hier nicht ganz folgen. Analog
wozu könnte man die obige, doch recht gewagte These vertreten?*/

Natürlich die Biologismusthesen gegen Capra und andere, da wird ja alles in
einen Topf geworfen, in den du auch noch den ganzen Ärztestand der Logik
folgend packen könntest. Fragt sich, ob eine solche Hexenjagd Sinn macht.
Eine solche Kritik sollte es dem Gegner ja auch ermöglichen, sich zu den
Vorwürfen zu äußern. Wenn man nicht am Diskurs interessiert ist, reichen
freilich solche "Nachweise" des X-ismus.

Dennoch behaupte ich: Einen, in einem animalistischen Weltbild
verhafteten Menschen, bezeichnest du als unemanzipiert, also
gewissermassen als zurückgeblieben und stellst Dich damit in eine
rassistische Tradition, in einen westlich-kolonisatorischen
Zusammenhang.  Wobei ich Dir auch nicht unterstelle, dass Du es
beabsichtigst. Aber du siehst die Gefahr, ich könnte dich jetzt auch
als Faschisten bezeichnen

/* Es geht doch gar nicht darum, wen oder was jemand als seine Götter
ansieht, seien sie animalistisch oder christlich-abendländisch.*/

der Animalist kennt keine "Götter", das ist auch ein linguistisches Problem,
wenn Du diese Menschen mit unserem Begriffsapparat beurteilst.

Wesentlich für Emanzipation ist, dass sie sich von etwas emazipiert, von
etwas, das den Menschen an seiner, um im Kontext der Liste zu bleiben,
Selbstentfaltung hindert.

// Also ist Emazipation nicht der Prozess der Selbstentfaltung, sondern die
Emanzipation emanzipiert sich selbst?

/* Dass der Glaube an welche übernatürliche Kraft
auch immer den Effekt einer solchen Hinderung hat, halte ich für
unbestreitbar.*/

fragt sich, ob Menschen wirklcih frei von glauben an "etwas" sein können,
und sei es der Glaube an eine Idee, den Staat, die zukunft, die kommende
Zeit, ihre Wertvorstellugnen  usw. Man sollte sich hüten fremde Menschen in
religiösen Sinne mit seinen eigenen Wertungen zu überziehen. Ich sehe
Religiösität als ein urphänomen an, das polymorph ist. Atheismus kann es
geben, Areligiösität nicht.

/*mit ist natürlich nicht die Frage geklärt, auf welche Art sich der
Mensch denn nach erfolgreicher Emazipation selbst entfaltet. Dass der im
"westlich-kolonisatorischen" Zusammenhang bisher beschrittene Weg nicht
der einzig seligmachende zu sein scheint, dürfte einleuchten.*/

Das Problem ist, dass wir Gefahr dabei laufen,  zu vergessen, dass unsere
eigenen Gedanken geschichtlich, und in der westlichen Tradition verwurzelt
sind, selbst, wenn sie sich gegen sie wenden mögen.

/*Gerade die genannte "Earth First!"-Publikation hat sich aus
diesen Möglichkeiten die schlechteste ausgesucht: sie hat das Symbol
eben nicht entweiht, also seines Symbolcharakters beraubt und damit für
eine symbolische Vermendung nutzlos gemahct, auch nicht in kritisch
gebrochener Form als Antisymbol verwendet, sondern sozusgen weiter
gemacht, als sei nichts geschehen: Edda als Verkörperung des Großen und
Guten, weil natürlichen*/

Nur mit dem Fehler, dass die amerikanische Gemeinschaft vielleicht gar keine
Ahnung davon hatte, dass die Edda (übrigens im Skandinavischen Raum noch
viel stärker ausgeschlachtet) als solches Symbol verwendet wurde. Auf
Gebetfahnen aus Nepal sind zum Beispiel sozusagen "hakenkreuze", die haben
aber überhaupt nichts mit den Nazis zu tun. Wenn sich sie nazis diese
Symbole (übrigens aus christlichem Zusammenhang) angeeignet haben, dann kann
man nicht von den Autoren erwarten, dass füre sie diese symbole den gleichen
Aussagewert besitzen wie für einen selbst. Heute sehe ich im Fernsehen eine
dokumentation über die deutsch-polnischen Beziehungen, eine Frau erzählte,
dass als Schülerin ihr ein Bild von Adenauer im Kreuzfahrermantel besonders
angst gemacht habe. Für uns wenig nachvollziebar, weil uns das polnische
AntiSymbol "Deutsche Orden" gar nichts bedeutet. Deshalb kann man ja auch in
den Vereinigten Staaten mit SS-Uniformen Kriegsspiele veranstalten ohne dass
sich jemand darüber raufregt, weil es(das Symbol SS-Uniform) für die
Amerikaner gar nichts(oder eben etwas anderes) bedeutet.

/* Nicht die Verwendung von, auch belasteten, Symbolen ist fragwürdig,
sondern ihre kritiklose, teils auch sich bewusst in frühere Verwendungen
einreihende Benutzung.*/

Den Nachweis der hitlernachfolge konnte der Autor aber eben nicht erbringen.
Vielleicht kann man gleiche Quellen annehmen. Ich glaube ja gar  nicht, dass
diese Organisation unproblematisch ist. Ic bin auch kein Fan von herrn
Capra, mich stört nur die: "Das sind alles Biologisten"- Schusslinie, wobei
freilich unterstellt wird, dass Biologismus in jeder Form und jeder Gestalt
abzulehnen sei - Vorsicht!!! Da liesse sich bestimmt bei jedermann ein
"biologismus" nachweisen.

/* Würde heute Wagner zu Feier des Germantums gegeben, jeder halbwegs
verständige Mensch würde sich zu Recht über eine solche
Ungeheuerlichkeit aufregen.*/

Richtig. Weil WIR das Wagnergermanensymbol in unserem Kopf haben.

/* Wird Wagner dagegen in einer Form inszeniert, die der stattgefundenen
Geschichte -- auch auf ironisch oder
zornig gebrochene Art -- Rechnung trägt, so ist dies ein sinnvoller Umgang
mit dem Symbol "Wagner".*/

Eben das Problem das wir ein dominantes Germanenwagnersymbol im Kopf haben
und mit diesem spielen. Freilich macht man dann so etwas, wie der Satanismus
mit dem Christentum, man übernimmt das Symbol, steigert noch den Fetisch,
statt ihm die Kraft zu rauben.
Die ironische Monatge des Durchhalteschlagers mit dem Endkampf  berlins im
Intro des Film Schtonk finde ich sehr gelungenen. Hier hat das zitat
entlarvenden Charakter, wenn man hingegen Wagner zitiert in einer "Form, die
der stattgefundenen Geschichte -- auch auf ironisch oder
zornig gebrochene Art -- Rechnung trägt", dann schleift man freilich das
Symbol nur weiter.. das kann "gut" sein, kann aber auch nerven.

Okay, aber natürlich ist das eine westliche Interpretation, für den Mann
in
der Wildnis ist Donner etc. nämlich etwas ganz konkret Fürchtenswertes,

/*Es ist aber nur so lange konkret zu fürchten, wie des "Wilden" Begriffe
von kausalen Zusammenhängen der Naturerscheinungen eben gering
ausgeprägt sind.*/

Ah ja, der Rationalist schlägt zu. Du soltest einmal Bergsteigen in den
Alpen, da bekommt man mehr Respekt vor der Natur. Wenn ein Unwetter
plötzlich aufzieht, dann interessiert dich weniger, warum es kausal zustande
kommt. Wenn du auf der Insel lebst und es ist Sturmflut, da hast du ein
"Gefühl" vor dem, was das Wetter anrichten mag. Das SichEinsfühlen mit der
Natur hält der von ihr entfremdete  Zentralheizungsmensch, der dank
Lichtverschmutzung den Sternenhimmel nur aus dem Planetarium kennt natürlich
für naiv und primitiv. Das Denkmuster: "Der erklärt sich die Naturgewalten
durch den Zorn der Götter" ist vielmehr von einem kulturell Fremden
aufgedrückt. Als Kind hatten wir auch keine Schwierigkeiten etwas als
Geschichte zu erzählen und zu verstehen, das wurde uns aber aberzogen.
Wenn heute wirbelstürme als "Hilda" bezeichnet werden, kann ich natürlich
sagen, ich fürchte mich vor "Hilda". Ob man von Neptuns Wogen oder von des
Meeres Grollen (personifizierend!) oder von der drohenden(!!) Flut spricht,
auch wir verwenden häufig personale Konstrukte, die allerdings einen anderen
"Sitz im Leben" wie der Theologe sagen würde, haben. Wer sagt, dass ein
kulturell Fremder uns mit dieser Sprache "richitig" verstünde?

ersetzen wir den theistischen Begriff Gottheit einmal durch Natur, und
sagt dann der "Wilde" er fürchte sich vor der Natur, haben wir schon
eine ganz andere Sicht der Dinge! die Geschichte der "Wilden" ist ja
leider vom Abendland geschrieben, mit unseren sprachlichen
Konstrukten.

/*Unabhängig davon, ob sich der "Wilde" vor der Natur oder den in dieser
imaginierten Gottheiten fürchtet, ist Furcht vor etwas und das sich
schicken in das als unausweichlich, */

Und Du glaubst von Furcht frei zu sein?

/*weil "natürlich" oder "gottgegeben"
Empfundene eben nicht emanzipatorisch. */

Nehme ein anderes sprachlcihes Kontrukt und du siehst, wie man durch
Verändernung in der sprache seine welt neu konstruiert:
"ihm blieb in der Wildnis nichts anderes übrig, als das Unwetter über sich
ergehen zu lassen...", kling vielleicht rationaler, nach "Realitätssinn",
weniger nach einem "schicken ins Unausweichliche"
Die Geschichte der "Wilden" ist mit  der Sprache ihrer "Entdecker"
geschrieben, die sie nicht verstanden. Es gibt unzählige witzige Texte in
denen Fronleichnamsprozessionen u.ä. in der Sprache der Entdecker und
Naturforscher beschrieben werden, aber auch andere kulturelle Sitten kann
man natürlich wie ein dokumentarfilmer beschreiben, etwa das Schminken von
Frauen, das setzen eines Zaunes im Kleingarten (Abgrenzung des Reviers oder
so) usw.

/*Auch der Begriff der "Natur"rettet das Nicht-Selber-Denken leider nicht
vor diesem Vorwurf.*/

Klar "Denken". Furcht ist eine ganz normale menschlcihe reaktion, in einer
Extremreaktion reagierst du auch nicht rational, selbst wenn du das
trainierst.
Es gibt doch diese Emo-intelligenztests mit de Frage, was tun, wenn im Kino
der Brand ausbricht. Alles Blödsinn, in Notsituationen reagiert man nciht
so, wie "man denkt". Diese natürliche Reaktion zu verdecken, da ist für mich
Entfremdung, man könnte natürlich gleich wieder von biologismus sprechen,
aber eine solches Setzen der Ratio über die Natur, das ist freilich
antiemaziptorisch. WIr sind nun einmal biologische Wesen mit natürlichen
Bedürfnissen. Das war ja auch der Kardinalfehler der KI, die erst implizit
entdeckt hat, was den menschen wirklich ausmacht. Der Philosoph H.L. Dreyfus
stellt 1979 in seiner Fundamentalkritik die klassische-symbolische KI in die
Tradition der platonischen Erkenntnistheorie. Nach Platon müsse "sich alles
Wissen in eindeutigen Definitionen formulieren lassen, die jeder anwenden
kann."   Diese a priori angenommene axiomatische Formalisierbarkeit der Welt
und das Werturteil  "Wenn jemand sein Wissen nicht in Form solcher
eindeutigen Anweisungen mitteilen oder in Erkenntnis verwandeln konnte, dann
galt es nicht als Wissen, sondern als bloßes Meinen und Glauben."  wurden
die Leitgedanken des Positivismus im 19. Jahrhundert. Er kritisiert
KI-Technologie ob ihres humanorientierten Anspruchs als eine Verfälschung
der Wahrnehmung vom Menschen, während seine Gesamtkritik sich auch auf
konventionelle Techniken ausdehnen ließe. Sowohl die philosophische
Position, dass "die für eine kontextbezogene Intelligenz erforderlichen
Wahrnehmungen und Praktiken sich sämtlich in einer symbolischen Beschreibung
darstellen lassen" , als auch die technologische Ansicht, dass "ein
Alltagsverständnis und eine Kommunikation in natürlicher Sprache nicht
wesentlich von unseren körperlichen, im Sozialisationsprozeß erworbenen
Fähigkeiten abhängen"  werden von ihm abgelehnt.

Was wollte ich sagen mit diesem Exkurs: Vergessen wir nicht das Körperliche
(denk mal an Deinen Tagesablauf und die täglichen Tätigkeiten: Essen,
Schlafen, Waschen, ), sich davon zu "emanzipieren", hiesse sein selbst zu
verleugnen und sich unter eine Fremdherrschaft des Symbols zu begeben.
Wenn Du Natur selbst erfährst, dann hast du ein ganz konkretes Gefühl dafür.
Übrigens gibt es ja auch biologische Urprogramme, die bei uns auch immer
funktionieren und die man kennen sollte, wenn man sie kontrollieren will.
Wenn z.B. Kinder und schwangere Opfer von Terror/Verbrechen werden. Wenn
eine Form "niedlich" empfunden wird. usw. Ob man Witwenverbrennung als eine
Vernichtung von Leben oder eine horribile dictu als sinnvolle, rationale
Lösung eines versorgungsproblems ansieht, das ist eine kulturelle Frage, die
mit einer anderen "Symbolik" und Wertvorstellungen zusammenhängt. Genauso
seltsam wie uns eine fremde "Symbolik", ein fremdes Weltbild erscheint, mag
diesen Leuten unseres Erscheinen. Tatsache ist, dass wir mindestens mit
genausoviel "Schwachsinn" im Kopf herumlaufen. Unter Emanzipation verstehe
ich auch den Prozess der Aufklärung über diese "fixen Ideen" bzw. die
fähigkeit diese als kulturell bedingt zu erkennen, das kann ein Denkverbot,
der seltsame Glaube an die Überlegenheit der eigenen Rasse, die Entscheidung
für eine bestimmte oder keine Art von Erbfolge, die Existenz und
Ausgestaltung eines "Eigentums" und vieles andere sein.

// Nun denn, ich hoffe, die zynischen Stellen in meinen Worten sind halbwegs
erkennbar.

Ich gebe zu, ich hätte nicht mit so viel "Feindseligkeit" gerechenet.


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