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Re: [ox] Fetisch



[unread ox: 17]

Hi Horst und Listige,

H.R. wrote:

>>von Krisis stammt (oder älter?), macht etwas, was Krisis sonst
>>vehement kritisiert: Sie ontologisiert eine Erscheinung der
>>bürgerlichen Gesellschaft.
>
> Na klar, weil es Fetischverhältnisse
> zwar auch in unserer bürgerlichen Gesellschaft gibt,
> dies aber nicht typisch bürgerlich ist,
> wie z.B. der Warenfetisch oder der Arbeitsfetisch.
> O.K.?

Nichts ist klar. Nur weil es Erscheinungen auch früher gab, sind die
noch lange keine "Seinsbestimmung" (Ontologie). Du illustrierst gerade,
was dabei raus kommt, wenn man bestimmte Erscheinungen ontologisiert
(zur Seinbestimmung erhebt).

Da ist kein Unterschied zum Altmarxismus: Ersetze testenshalber überall
"Fetisch" durch "Klassen". Für den Hammer besteht die Welt aus Nägeln...

> Mit "ontologisieren" meinst Du sicher auch überhistorisch und nicht
> "Seinsbestimmung des Menschen",

Ja, eine "Seinsbestimmung" ist stets überhistorisch.

> Krisis kritisiert also zweierlei,1. die Behauptung abstrakte Arbeit
> wäre die Seinsbestimmung des Menschen und 2. die Ontologisierung des
> Begriffs Arbeit.

Den inhaltlichen Unterschied kann ich nicht erkennen. (1) ist ein
Ausdruck von (2). Kannst du ihn erklären?

> Denn daraus folgt: Genau so wie Marx, der den Klassencharakter
> ontologisierte, ohne dadurch die Aufhebung der kapitalistischen
> Klassenherrschaft für unmöglich zu halten, darf die Aufhebung des
> kap. Fetischsystems für möglich gehalten werden.

Deine Folgerung kann ich nicht nachvollziehen. Willst du sagen, weil
"Klassen" durch "Fetisch" ersetzt wurde, Marx aber sonst richtig lag,
darf man weiter an die Aufhebung glauben? Das klingt mir selbst schon
ziemlich "fetischartig"...

> Der Diskurs begann mit meinem Hinweis, die unsichtbaren Flossen und
> Flügel der FS hätten wie die "invisibe Hand" des Marktes etwas
> anscheinend unverzichtbares gemeinsam, nämlich eben dieses
> unsichtbare. Ob wir das hinter unserem Rücken dulden sollten.
> Und Du behauptest jetzt, "auch in einer freien Gesellschaft stellt
> sich der gesellschaftliche Zusammenhang "hinter unserem Rücken" her."
> Ich glaube, ich bin im falschen Film :-)!
> Oder haben Du oder ich was missverstanden :-(?

Nein, schon völlig richtig: Der gesellschaftliche Zusammenhang stellt
sich _immer_ hinter dem Rücken der Einzelnen her. Nochmals mein Verweis
auf den Dschungeltext: http://www.opentheory.org/dschungel/. Wenn du das
falsch findest, dann argumentiere am besten anhand dieses Textes.

>>Diese Tatsache mit "Fetisch" zu identifizieren, greift
>>zu kurz. Das Fetischartige ist doch nicht die "Unsichtbarkeit" der
>>Herstellung des gesellschaftlichen Zusammenhangs, sondern die
>>Tatsache, dass sich diese Logik gegen die Bedürfnisse der Menschen
>>verselbstständigt durchsetzt.
>
> Ich will jetzt Petra nicht vorgreifen,

Ich würde mich auch über einen Kommentar freuen:-)

> aber ich glaube wohl. Beides.

Ja, beides existiert, aber das "hinter-dem-Rücken" ist nicht das
Problem, sondern das _wie_. Das kannst du übrigens anschaulich in der FS
studieren.

> Diese invisible Hand des Marktes ist das prinzipiell
> unkontrollierbar wirkende Wertgesetz, welches hinter unserem Rücken
> verselbstständigt (automatisch) herrscht.

Das ist das _wie_.

>>Oder anders
>>formuliert: Es gibt immer ein "Drittes" ausserhalb der Menschen
>
> Verstehe ich nicht.

Ausser je mir und dir ein Drittes. Das Dritte ist das ausserhalb der
Menschen liegende. So wie das Wertgesetz.

>>- mit Christoph Spehr formuliert: ein alienistisches Programm -,
>>das die Regeln setzt, nach denen wir leben
>
> Langenscheidts großem Schulwörterbuch übersetzt "alien" in:
> fremdartig-ausländisch-außerirdisch-andersartig-fernliegend.

Du hättest bei "Alienismus" gucken müssen. Und hättest nix gefunden.
Denn es geht nicht um "Aliens" als konkrete "Wesen", sondern um ein
"Programm". Das alles sind Metaphern (Bilder) für gesellschaftliche
Prozesse. Und Alienismus ist eine sehr treffende Metapher für den
Warenfetisch.

> Aber obiges Fetischverhältnis ist absolut der Kern unserer
> Gesellschaft, sozusagen ihr wesentlichstes ureigenstes
> Charakteristikum.
> Da ist absolut nichts fremdartiges.
> Es ist auch uns Menschen nicht fremd.

Der Kern des Warenfetischs ist die Entfremdung - dachte ich immer?

> Und weil das Bewußtsein dessen so unerträglich ist wird dieses
> unser "Böses" immer wegprojiziert auf etwas uns äußeres -
> eben fremdartiges.

Jetzt verwechselst du IMHO Ursache und Wirkung: Die Entfremdung sei
eine blosse Projektion? Eigentlich ist sie gar nicht da? Nur Einbildung?
Das sehe ich nicht so.

>>Worauf es "nur" ankommt, ist, die Regeln selbst zu setzen, also nach
>>eigenen Regeln zu leben, statt nach fremdgesetzten.
>
> Hört sich erstmal gut an.
> Aber wie gesagt, ich glaube nicht an dieses fremdgesetzte.

Ich glaube gar nicht;-)

Ciao,
Stefan

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