Re: [ox] Reality-Check (was: Re: [pox] Anfrage vom "Freitag")
- From: "B. Fallenstein" <b.fallenstein gmx.de>
- Date: Mon, 28 Jan 2002 23:49:53 +0100
Hi Stefan etc.,
Stefan Merten schrieb:
1 hours ago LutzH wrote:
Wenn sich
tatsächlich die Motivationen derjenigen, die Freie Software schreiben,
gar nicht in der von uns als erkannt geglaubten Art erklären lassen?
Stellt sich die Frage was "tatsächlich" ist. Aber diese Frage ist wohl
prinzipiell unbeantwortbar.
Hm. Nach Motivationen müsste man doch eigentlich fragen können? Gibt es
eigentlich empirische Erhebungen direkt dazu, warum FS-EntwicklerInnen
Freie Software schreiben? Ich kann mich spontan an nichts erinnern,
obwohl ja gerne darüber interpretiert wird (z.B.: aus der
unterschiedlichen per-capita-Anzahl von FS-Aktiven in USA und der EU
darauf schließen, dass FS geschrieben wird, um bei Bewerbungen in
Übersee bessere Chancen zu haben-- siehe "Fading Altruism of Open
Source," IIRC).
Und es müsste doch auch möglich sein, sich mal ein wichtiges Projekt
(oder eine Auswahl weniger wichtiger Projekte) vorzunehmen, die
Listenarchive *genau* anzugucken und zu schauen, wie die EntwicklerInnen
zum Projekt gekommen sind und wie es sich entwickelt hat, dass sie dabei
geblieben sind?
[Nicht, dass ich im Moment Zeit und Lust dazu hätte, aber vielleicht ein
andermal ;-)]
Für mich hilft hier nur der
Realitäts-Check: Schauen, ob die Theorie mit den real beobachtbaren
Phänomenen zusammenpaßt. D.h. hinschauen, hinschauen, hinschauen. So
ist selbst Benni schon mal aufgefallen, daß die Abstürze an den Börsen
der Freien-Software-Bewegung nicht geschadet haben.
Solche Punkte sammeln und zusammenschreiben wäre vielleicht auch gut,
als Referenz? Für mich stellt sich Ökonux eher als plausible Hypothese
dar: ich kenne die FS-Motivation Selbstentfaltung aus eigener Erfahrung,
was ich in verschiedenen Foren so mitkriege lässt mich vermuten, dass es
anderen ähnlich geht (im indirekten Schluss: die kriegen schließlich
auch kein Geld für ihr Engagement...), und schließlich gehen auch die
populären Erklärungen von Freier Software, bei RMS wie ESR, durchaus in
eine Richtung die dazu passt (wenn auch beide andere Schlüsse daraus
ziehen als Ökonux, aber das ist ja ein ander Ding). Aber abgesehen von
meinen persönlichen Erfahrungen und den nachzulesenden von z.B. Linus
und RMS habe ich keine wirklichen Belege für die Ökonux-Theorie-- ich
denke da an sowas wie eine (möglichst dicke) Sammlung von Fallstudien
(Projekte und EntwicklerInnen). Aber auch eine Sammlung von
Beobachtungen wie das mit den Börsen wäre schon gut.
BTW: Ob die Freien-Software-Leute selbst in ihrer Tätigkeit das
Potential sehen, das einige hier vermuten, ist ja zunächst mal nicht
sonderlich relevant.
Stimmt, und ist ein wichtiger Punkt: Ich glaube (und das ist wieder so
ein 'educated guess' ohne harte Belege...), dass die meisten
FS-EntwicklerInnen _kein_ ökonuxiges Potential sehen; ich habe den
Eindruck, die meisten nehmen die kapitalistischen Verhältnisse an und
sehen in FS keinen Widerspruch dazu (d.h. auch keine bessere Alternative
oder so).
Sehr wohl relevant ist aber, ob sie sich mit der
Selbstentfaltungs-Erklärung für ihre Motivation anfreunden können oder
nicht. Wenn jemand sagt, es macht aus ganz anderen Gründen bei FS mit,
dann finde ich das sehr glaubwürdig. Ich würde aber trotzdem *vermuten*
dass Selbstentfaltung bei einem Großteil eine wichtige Rolle spielt--
und dazu würden mich Nachforschungen doch sehr interessieren!
Der von Stefan hier eingeforderte Reality-Check ist, so glaube ich,
dringend nötig. In welcher Form nehmen wir ihn tatsächlich vor?
Wer hat noch Ideen, wie es gehen könnte?
Wie gesagt, erst mal sammeln, was bisher an Reality-Check da ist (oder
mich auf die bisher übersehene Sammelstelle hinweisen ;-) )
- Benja
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