Re: [ox] Re: [ox] Re: [ox] Die Finsternis der "Aufklaerung "
- From: Thomas Berker <thomas.berker gmx.de>
- Date: Mon, 11 Mar 2002 15:30:40 +0100
Hi Benni,
At 16:48 08.03.02 [PHONE NUMBER REMOVED], Benni Baermann wrote:
Das ist mir zu wenig. Mein Verständnis von Emanzipation ist quasi
identisch mit Befreiung von Herrschaft, also so wie in den "Einige
Thesen über Befreiung" beschrieben:
http://co-forum.de/index.php4?Einige%20Thesen%20%DCber%20Befreiung
Deine Büger-Emanzipation kann da durchaus Teil von sein, das schon.
Da sprichst du ja auch nicht ueber Emanzipation sondern ueber Befreiung.
Emanzipation und Befreiung gleichzusetzen wuerde m.E. Befreiung ungut
einschraenken. Wieder ein Dissens als Definitionsproblem geklaert.
Ich sehe nicht, wieso es da ein Nebeneinander von hier die
(Reform-)Emanzipation und da die (Revolutions-)Aufhebung geben muss.
Die meisten historischen Revolutionen waren nicht besonders aufhebend
sondern haben nur eine besonders krasse Phase der Repression
eingeleitet und viele Reformen waren in dem Sinne revolutionär, dass
sie neue Handlungsoptionen geschaffen haben.
Genau, weder gibt es das Prinzip Reform noch das Prinzip Revolution, noch
sind sie im Prinzip Gegensaetze, noch ist eins von beiden gut oder boese.
Nach meinem Dafuerhalten gab es nur eine Revolution, die der Buerger gegen
den Adel. Jede Verallgemeinerung dieser historisch spezifischen Zeit ins
Ueberzeitliche hinkt (die sprechen ja wirklich von der "Neolithischen
Revolution", was fuer ein Quark!). Diese eine "echte" Revolution war in der
Tat blutig und so weiter, und hat ein paar gruslige Jahrhunderte
eingeleutet. Dass Revolutionaere im 19. und 20. Jahrhundert die
Buergerliche Revolution bei ihrem Wort nahmen und deren Werk vollenden
wollten, macht sie sympathisch. Sie sind gescheitert. Reform ist ebenso ein
historisch spezifisch entstandener Begriff, der sich immer gerade in der
Abgrenzung zu Revolution definiert. Mit Reformen wurden spontane
Widerstaende gegen das neue Regime befriedet und die Revolutionaere ihrer
Basis beraubt. Reformen sind also Veraenderungen, die zugestanden werden,
damit es nicht zu einer grundsaetzlichen Veraenderung kommt.
> Eine wichtige Rolle bei dieser flexible response strategy zur
> Verteidigung bestehender Machtverhaeltnisse spielt vielleicht gerade
> Emanzipation als die partielle Einbeziehung neuer Gruppen (z.B. Frauen,
> Arbeiter), waehrend allerdings immer mal wieder auch andere Gruppen neu
> ausgegrenzt werden (z.B. Juden in den 30ern).
Genau. Und deswegen muss auch die Gegenstrategie eine der "flexible
response" sein, also sich nicht von vorneherein auf Reform oder
Revolution festlegen, sondern beides immer für möglich halten.
Einverstanden. Ich wuerde ebenfalls diese beiden Begriffe nicht fuer die
Gegenwart benuetzen. Die sind doch nicht nur aus ihrer historischen Genese
heraus (s.o.) zweifelhaft, sondern auch sonst dermassen abgenudelt.
Wenn ich mich aber schon vorher gedanklich auf das
Bürgersubjekt einenge, wird das nix. Dann endet man so wie die Grünen
oder die PDS.
Der Sinn der gesamten Uebung, sich an der foerchterlichen Duesternis der
Aufklaerung zu weiden, liegt fuer mich gerade darin, sich immer bewusst zu
halten, wo wir uns Begriffe und Denkweisen zu eigen machen, die hinter
unserem Ruecken wirken auf Arten und Weisen, die wir nicht wollen.
Bestimmte Diskussionen engen eben schon von vornherein den Horizont
ungemein ein. Beispiel: Die Frage "Reform oder Revolution", die uns dazu
bringen wuerde (wenn wir uns darauf einlassen wuerden) eine Diskussion des
letzten Jahrhunderts zu fuehren, in der die Wahl zwischen totaler und
gewaltsamer Umwaelzung oder partieller, dafuer aber _relativ_ friedlicher
Reform liegt. Das war damals brandaktuell, heute ist es ein alter Hut.
Wenn ich mit der Aufklaerung gemeinsame Sache mache, dann will ich wissen,
auf was ich mich da einlasse. Da ist die Duesternis ein wichtiger Aspekt.
Dann kann ich auch entscheiden, wie weit ich mich darauf einlasse und wo
ich es auf keinen Fall tun will.
Bei den "natuerlichen" Dualismen, die in der Aufklaerung propagiert und
durchgesetzt worden sind (mann/frau, kultur/natur, geist/koerper,
oeffentlich/privat, subjekt/objekt, zivilisiert/wild, weiss/schwarz, ...)
hoerts fuer mich halt auf. Und, nein, diese Dualismen gibt es _nicht_ schon
immer! Das ist, was sie euch eingetrichter haben! Glaubt ihnen nicht,
schlagt diese Dualismen, wo immer ihr sie trefft!
Schade, dass sich kein schoener Slogan daraus machen laesst. Das mit der
neumodischen "Multitude" (Negri/Hardt), ist vielleicht gar keine so dumme
Idee, wer weiss?
Thomas
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de