[ox] Re: [ox] Re: [ox] Die Finsternis der "Aufklärung"
- From: Benni Baermann <benni obda.de>
- Date: Fri, 8 Mar 2002 16:48:37 +0100
Hallo Thomas,
On Fri, Mar 08, 2002 at 04:02:30PM [PHONE NUMBER REMOVED], Thomas Berker wrote:
Hi Benni und Petra!
At 11:55 08.03.02 +0100, Benni Baermann wrote:
Wenn nun aber Emanzipation möglich ist, dann kann sie auch unter
aufgeklärten Bedingungen stattfinden und da Aufklärung heutzutage mit
der Muttermilch aufgesogen wird, _muss_ sie auch _mit_ Aufklärung
funktionieren und nicht _nur_ gegen sie.
Das Emanzipation möglich ist, hat für mich tatsächlich so etwas wie
den Status eines Axioms (buh, schon wieder böse Aufklärung ;-), da
zwar einiges dafür spricht, man es aber nicht beweisen kann.
Viel "besser": Emanzipation is moeglich und sogar unverzichtbar. Die Frage
ist nur, was Emanzipation ist und wofuer sie unverzichtbar ist. Also der
Reiche nach: Die Buergers haben sich vom Adel "emanzipiert", das ist deren
Euphemismus fuer ihren hoechst eigenen Machtkampf, in dessen Folge sie
alles Solide geschmolzen haben.
Wie schon in der letzten Mail zum Thema angedeutet: Ich interpretiere (ganz
klassisch uebrigens, das sagt ein Habermas auch, wenn auch mit umgekehrten
Vorzeichen) Emanzipation seither als den Kampf vom Buergersein
ausgeschlossener Gruppen darum, moeglichst Voll-Buerger sein zu duerfen.
Das schliesst Besitz (der eine/n erst zum Voll-Buerger mit allen Rechten
macht) mit ein und das geht selten ohne den Appell an das Versprechen der
Buerger, dass sie alle Menschen repraesentieren (Buergerrechte =
Menschenrechte). Und da ist auch was dran, denn die einstmals sauber
abgrenzbare Gruppe der Buerger hat sich im Zuge verschiedener
Emanzipationsbewegungen (und deren Abwehr) an den Raendern ziemlich
ausgefranst.
Das ist mir zu wenig. Mein Verständnis von Emanzipation ist quasi
identisch mit Befreiung von Herrschaft, also so wie in den "Einige
Thesen über Befreiung" beschrieben:
http://co-forum.de/index.php4?Einige%20Thesen%20%DCber%20Befreiung
Deine Büger-Emanzipation kann da durchaus Teil von sein, das schon.
Ob es eine "Emanzipation" von dieser Art von Emanzipation geben kann,
bezweifle ich.
Warum? Worum es doch gerade geht ist eine Emanzipation, die nicht nur
das bürgerliche Monadensubjekt zum Ziel hat, sondern ein Miteinander
ermöglicht. Das ist für mich auch das Interessante an dem
Selbstentfaltungsgedanken.
Revolution ist uebrigens was Anderes. Da wuerden die
Buergers mit ihren eigenen Waffen geschlagen und alles, was sie geschaffen
haben, wuerde geschmolzen. Da warten wir nur jetzt schon eher lange drauf.
Bis jetzt hat sich die Welt der Buerger als erstaunlich unangreifbar
erwiesen.
Ich sehe nicht, wieso es da ein Nebeneinander von hier die
(Reform-)Emanzipation und da die (Revolutions-)Aufhebung geben muss.
Die meisten historischen Revolutionen waren nicht besonders aufhebend
sondern haben nur eine besonders krasse Phase der Repression
eingeleitet und viele Reformen waren in dem Sinne revolutionär, dass
sie neue Handlungsoptionen geschaffen haben.
Eine wichtige Rolle bei dieser flexible response strategy zur
Verteidigung bestehender Machtverhaeltnisse spielt vielleicht gerade
Emanzipation als die partielle Einbeziehung neuer Gruppen (z.B. Frauen,
Arbeiter), waehrend allerdings immer mal wieder auch andere Gruppen neu
ausgegrenzt werden (z.B. Juden in den 30ern).
Genau. Und deswegen muss auch die Gegenstrategie eine der "flexible
response" sein, also sich nicht von vorneherein auf Reform oder
Revolution festlegen, sondern beides immer für möglich halten.
Das ist Emanzipation und ihre Funktion innerhalb der Aufklaerung und sie
ist nachweislich moeglich, ja vielleicht sogar notwendig zum Erhalt des
Bestehenden. Und, wie schon gesagt, dafuer zu kaempfen, dass moeglichst
viele Lebewesen in den Status des Voll-Buergers aufgenommen werden, rettet
Leben.
Ja. Ein weiterer Grund nicht einfach mit dem Argument, dass es am
grossen kapitalistischen Knarkelwatz eh nix ändert, sämtliche Reformen
abzumeiern. Und für mich eben gerade Anlass nach Reformen zu suchen,
die die bestehenden Widersprüche aufnehmen und sich im Sinne einer
Aufhebung positiv auswirken in dem sie die Handlungsmöglichkeiten der
durchaus bürgerlichen Individuen erweitern bis schliesslich die
Abschaffung dieser bürgerlichen Individualität selbst in den Fokus
gerät. Wenn ich mich aber schon vorher gedanklich auf das
Bürgersubjekt einenge, wird das nix. Dann endet man so wie die Grünen
oder die PDS.
Grüße, Benni
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de