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Re: [ox] Anteil kommerziell erstellter Freier Software



Hallo!

von mir auch noch ein paar ergänzende Bemerkungen zum Thema:

On Mon, Jun 10, 2002 at 12:34:57AM [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Merten wrote:
Ich hatte heute auf dem LinuxTag die Gelegenheit Alan Cox zu fragen.
Ich hatte gefragt, wie groß der Anteil der Kernel-EntwicklerInnen ist,
die für das Schreiben Freier Software bezahlt werden. Seine Aussage
war differenziert und interessant - und bestätigt zumindest teilweise
deine Information.

Ich hab mich auch ein bisschen umgehört, wenn auch nicht bei solchen
Szenegrößen. Die Antworten variieren auf fast absurde Weise zwischen 2
und 70 Prozent. Durch diskutieren und nachdenken bin ich nun zu dem
Schluss gekommen, dass das daran liegt, dass oft garnicht so richtig
klar ist, wie man bestimmte Entwicklungen bewerten soll:

- Es gibt grosse Projekte, die komplett unfrei entwickelt wurden über
Jahre hinweg und dann frei gestellt wurden. Kann man die überhaupt
mitzählen? (Beispiel: Mozilla/Netscape, OpenOffice, ...)

- Was ist mit Leuten, die zwar nicht direkt davon leben, die aber ihre
Arbeit genau im selben Bereich haben und deswegen enorm in beiden
Richtungen profitieren?

- Was ist mit Projekten, die z.B. mal an Unis entwickelt wurden, aber
heute u.a. auch von Privatleuten weiterentwickelt werden? X -> XFree86
als prominentes Beispiel.

- Was ist mit Projekten, die mal als Prüfungsleistung angefangen
haben? Da hat niemand direkt für Geld gekriegt, trotzdem ist das auch
eine Form von Entfremdung. (Beispiel: Lyx)

- Was ist mit Projekten die sonst irgendwie im Rahmen
wissenschaftlicher Leer- oder Forschungstätigkeit entstanden sind. Die
Leute werden dafür bezahlt, dennoch finden sich gerade in diesem
Bereich die Beispiele die die These von qualitativ hoher FS besonders
stärken (Beispiel: TeX, das wohl so ziemlich das fehlerfreieste
komplexe Programm auf diesem Planeten sein dürfte) und sicherlich ist
da auch viel Selbstentfaltung mit im Spiel.

- ... usw.

Man kann natürlich jetzt jeden dieser Grenzfälle irgendwie
hindefinieren und dann zu irgendwelchen Zahlen kommen. Ich glaube
jedoch nicht, dass das was bringt. Vielmehr würde ich folgende These
aufstellen:

Das besondere an Freier Software ist gerade, dass ein sehr grosser
Anteil von ihr in einer Sphäre produziert wird, die weder nur der
Verwertung oder nur der Selbstentfaltung zuzurechnen ist, sondern die
beides umfasst. Das wäre meinem Verständnis nach dann auch genau das,
was das keimförmige daran darstellt, da hier Selbstentfaltung
gleichzeitig stattfindet und verwertet wird. Selbstentfaltung und
Selbstverwertung sind unter dieser Perspektive zwar ein Widerspruch
aber eben gerade einer, der die Entwicklung vorantreibt und zwar in
_beide_ Richtungen. In die der Verwertung _und_ in die der
Selbstentfaltung. Das wirlich _neue_ wäre dann nicht die
Selbstentfaltung pur, sondern das was sie der Verwertung
"abtrotzt". Wie das aussieht und wie die Verwertung darauf reagiert
kann man heute noch nicht absehen. Was jedoch dadurch klar ist, dass
hier die Hebel ansetzen müssten für eigenes Handeln.

Das entspricht im übrigen auch meiner Lesart und Anwendung von
Negri/Hardts Empire auf unsere Problematik. Aber ich bin auch erst auf
Seite 220, das ist also auch noch völlig offen aber wenn ich durch
bin, schreib ich dazu sicher noch mehr.

Stefan Mn.s Bericht vom RedHat-Stand auf dem LinuxTag (siehe
andernmails) stützt diese These im übrigen von der anderen Seite her.
Ich bin bisher davon ausgegangen, dass das Hauptgeschäft der
Distributoren immer noch der simple Verkauf von CDs ist. Wenn das
nicht mehr so ist, dann verschwindet auch der Unterschied zwischen
Debian und RedHat immer mehr. Der würde dann nur noch darin bestehen,
das RedHat ein Prozess ist, der von einer Firma angeleitet wird,
wärend Debian einem Zusammenschluss von mehreren Firmen und Individuen
entsprechen würde. Verwertung findet in beiden Prozessen tendenziell
auf ganz ähnliche Weise statt.

Grüße, Benni

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Organisation: projekt oekonux.de


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