Re: [ox] Anteil kommerziell erstellter Freier Software
- From: Stefan Meretz <stefan.meretz hbv.org>
- Date: Mon, 10 Jun 2002 13:02:33 +0200
Hi,
On Monday 10 June 2002 11:51, Benni Baermann wrote:
Das besondere an Freier Software ist gerade, dass ein sehr grosser
Anteil von ihr in einer Sphäre produziert wird, die weder nur der
Verwertung oder nur der Selbstentfaltung zuzurechnen ist, sondern die
beides umfasst. Das wäre meinem Verständnis nach dann auch genau das,
was das keimförmige daran darstellt, da hier Selbstentfaltung
gleichzeitig stattfindet und verwertet wird. Selbstentfaltung und
Selbstverwertung sind unter dieser Perspektive zwar ein Widerspruch
aber eben gerade einer, der die Entwicklung vorantreibt und zwar in
_beide_ Richtungen. In die der Verwertung _und_ in die der
Selbstentfaltung. Das wirlich _neue_ wäre dann nicht die
Selbstentfaltung pur, sondern das was sie der Verwertung
"abtrotzt". Wie das aussieht und wie die Verwertung darauf reagiert
kann man heute noch nicht absehen. Was jedoch dadurch klar ist, dass
hier die Hebel ansetzen müssten für eigenes Handeln.
Sehr schön, genau das... :-)
...meinte ich eigentlich auch schon immer gemeint zu haben, aber mit
meinem ganzen "Overhead" in der Argumentation (Produktivkraftentwicklung
und so) ist das wohl untergegangen. Selbstentfaltung geht nicht anders
als durch "Abtrotzen" von der Verwertung - und da gibt es _sicher_ viele
Möglichkeiten. Das ist das Verallgemeinerungspotenzial Freier Software
heute und hier konkret. Doch dazu braucht man eben einen klaren Begriff
von Selbstentfaltung, der mit Verwertung unvereinbar ist. In der Regel
läuft es aber anders: Mit Krampf und Gewalt wird die Vereinbarung
versucht. Doch selbst dann wird der Widerspruch weiter vorangetrieben -
es ist ein objektiver Prozess (was wiederum nichts über den Ausgang
sagt).
Und wie "die Verwertung" reagiert, siehst du an kilometerlangen
Regalenreihen vollgestopft mit neuester Mangementliteratur zum Thema
"Selbstentfaltung - und wie ich sie verwerte". Den Titel gibt's sicher
noch nicht - vielleicht sollte ich ein Patent einreichen, oder ein
Geschmacksmuster, oder ein Markenrecht eintragen. Oder so.
Das entspricht im übrigen auch meiner Lesart und Anwendung von
Negri/Hardts Empire auf unsere Problematik. Aber ich bin auch erst auf
Seite 220, das ist also auch noch völlig offen aber wenn ich durch
bin, schreib ich dazu sicher noch mehr.
Ich sehe es schon kommen: Das wird so eine Diskussion wie die über "Freie
Kooperation".
Ich bin bisher davon ausgegangen, dass das Hauptgeschäft der
Distributoren immer noch der simple Verkauf von CDs ist. Wenn das
nicht mehr so ist, dann verschwindet auch der Unterschied zwischen
Debian und RedHat immer mehr. Der würde dann nur noch darin bestehen,
das RedHat ein Prozess ist, der von einer Firma angeleitet wird,
wärend Debian einem Zusammenschluss von mehreren Firmen und Individuen
entsprechen würde. Verwertung findet in beiden Prozessen tendenziell
auf ganz ähnliche Weise statt.
Debian - ein Zusammenschluss von Firmen?? Das ist doch Quark. Debian ist
AFAIK ein Zusammenschluss von frei(willig)en EntwicklerInnen. Dass dann
Firmen die Distribution Debian vertreiben oder zur Grundlage für eigene
Distributionen etc. machen, ist ein getrennter Prozess. Doch sehr
deutlich im Unterschied zu RedHat oder SuSE.
OK, wenn du wieder mit dem SE-SV-Widerspruch auf Debian guckst, dann
findest du dort bei den _einzelnen_ Personen wahrscheinlich alle
Varianten. Bei den Kommerz-Distributionen bestimmt die Verwertungs- bei
Debian die Entfaltungsseite - IMHO.
Ciao,
Stefan
--
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
Internetredaktion
Potsdamer Platz 10, 10785 Berlin
--
stefan.meretz verdi.de
maintaining: http://www.verdi.de
private stuff: http://www.meretz.de
--
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de