Re: [ox] Zum Begriff der Herrschaft
- From: Thomas Berker <thomas.berker gmx.de>
- Date: Sat, 07 Sep 2002 23:18:10 +0200
Hei Stefan Mn und all die anderen!
Ich versuch mal Stefan Mz's und Bennis Einwaende so zusammen zu fassen, wie
ich sie verstehe. Mir scheinen sie triftig und ich sehe nicht, dass du sie
mit deiner Antwort widerlegt hast.
Gibt es also einen Standpunkt der Gruppe, der fuer die Interessen der
Einzelnen in dieser Gruppe stehen kann und daher berechtigt ist, Herrschaft
auszuueben? Nein, das glaube ich (wie Benni und Stefan Mz) nicht. Du schon.
Aber vielleicht wir nicht so weit auseinander wie es scheint.
1.
Benni hat schon des Aspekt der Dynamik eingefuehrt. Ja, wuerden wir es
allen Ernstens Herrschaft nennen, wenn wir einen aus unserer Mitte waehlen,
um einen zeitlich und sachlich begrenzten Job zu tun, der uns alle
betrifft? Imperatives Mandat ist eben nicht repraesentatives Mandat. Der
Repraesentant entscheidet qua seines Gewissens und ist in seinen
Entscheidungen fuer die Wahlperiode unabhaengig, zumindest ist das die
Theorie: Er ist ein guter Koenig dank seiner moralischen Integritaet. In
der Realitaet in unseren Demokratien ist er/sie weder unabhaengig noch nur
zeitlich begrenzt im Amt, die naechste Wahl kommt bestimmt. Im imperativen
Mandat hingegen werden Leute auf den Willen der Gruppe (deren Konsens)
verpflichtet und sind _jederzeit_ abwaehlbar, wenn die Gruppe das aufgrund
seines Handelns fuer noetig haelt. Raetesystem halt, Muenchen 1919 z.B.
Durch den 'Weissen Terror' weggemetzelt. Oder eben auch Freie Software. War
nicht das Tolle an FS, dass jedeR munter macht was er/sie will, und dass
dann das gemeinsame Produkt FS herauskommt?
2.
Ich wuerde zur Dynamik gerne den Plural hinzufuegen. _Der_ Standpunkt der
Gruppe und _das_ System und _die_ Ordnung, da werd ich immer ganz Ohr.
Nehmen wir dein Liebespaarbeispiel: Ist es denn nicht schon genug, wenn
beide so viel gemeinsam haben, dass es ihnen genuegt? Ab wann gibt es _den_
Standpunkt der Gruppe? Ab wann haben sie ein Problem. In vielen Fragen
werden sie voellig verschiedener Meinung sein, ja sie moegen sogar darueber
uneins sein ob sie ueberhaupt ein Paar sind. Sind sie dann eins? Egal,
solange es fuer beide ok ist. Sobald aber eineR von beiden _den_ Standpunkt
der Gruppe fuer sich reklamiert, wirds herrschaftlich, dann wird der/die
andere definiert. Solange beide etwas teilen und das mag gerne auch Vieles
sein, kann ich schwer mit Herrschaft verbinden.
Zusammengefasst: Mir scheint, wenn du das Soziale als solches mit
notwendiger Herrschaft in Verbindung bringst, dann schuettest du das Kind
aus. Organisation um gemeinsame Interessen zu erreichen (Beispiel
Raeterepublik, FS) und Affinitaet zwischen Menschen (Beispiel Liebespaar)
sind Formen der Sozialitaet, die mit einem Minimum an Herrschaft
funktionieren _koennen_. Dass Sozialitaet an allen Ecken und Enden mit
Herrschaft verbunden ist, ist schon wahr. Da hat der systematische
Soziologe schon eine gute Beschreibung der buergerlichen Gesellschaft
abgeliefert, was ja genau das ist, was buergerliche Wissenschaft recht gut
kann: den status quo verdoppeln. Wer die Welt veraendern will muss
allerdings anders an die Sache herangehen.
Mit freundlichen Gruessen
Thomas B
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