Message 06105 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT05338 Message: 114/159 L21 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Wertkritik vs. Postoperaismus ..ad materielle Produktion



Benni  schreibt:
Man kann sehr wohl sinnvoll für einen Umsonstladen auch materielle
Dinge produzieren. Beispiel: Freunde von mir wohnen auf dem Land. Sie
würden sich gerne Hühner anschaffen. Hühner fühlen sich aber wohler zu
mehreren. Zu mehreren produzieren sie aber ein vielfaches an Eiern als
sie verbrauchen können. Von diesem Ort fahren jeden Tag hunderte von
Pendlern in die Stadt. Es wäre denkbar, dass einer von denen jeden Tag
die Eier in den Umsonstladen bringt und fertig ist die komplette
Produktions-Distributions-Konsumptionskette. Natürlich ist das nicht
"an der Spitze der Produktivkräfte" aber erstens wollen das gerade bei
Nahrungsmitteln viele Leute explizit nicht und zweitens hat es dafür
gegenüber dieser Spitze den enormen Vorteil, dass es anfassbar wäre
und deshalb einfach überzeugender wäre als die rein theoretischen
Überlegungen zur Verallgemeinerung Freier Software die wir hier seit
Jahren umwälzen.

Wenn man das weiterdenkt ist man irgendwann bei einem System in dem
die Umsonstläden für die materielle Produktion die selbe Rolle
spielen, wie sie das Internet für die immaterielle Produktion schon
heute übernimmt. Nämlich: Durch Distribution Produktion ermöglichen
und umgekehrt!

Wäre schön, wenn Du das trotzdem ein wenig begrifflicher fassen würdest,
dann käme hier wahrscheinlich eine sehr spannende Argumentation raus.

Schauen wir uns das Hühnerbeispiel genauer an. Was Du damit sagen willst, 
ist daß sich Produktion quasi "nebenbei erledigt", auch das Problem der
Distribution durch die Pendler "nebenbei". Das mag für viele Leute jetzt
etwas sehr blauäugig klingen und ich spüre schon die Ablehnung von einigen,
die sich mal für eine Minute auf Dein Beispiel einlassen und sich dann 
erinnern, daß Produktion und Distribution nach wie vor Aufwand bedeuten,
vor allem wenn es auf Qualität und Verläßlichkeit ankommt. Noch immer geht
es im großen und ganzen in die Gegenrichtung, werden immer mehr Lebens-
äußerungen und das dazugehörige Produktionswissen aus der persönlichen 
Sphäre entfernt. Und das macht sich übrigens gerade dann unangenehm 
bemerkbar, wenn ein paar Hobbyisten ans Werk gehen wollen.

Aber damit werden wir vielleicht doch der Kernfrage nicht gerecht, die
Du da angeschnitten hast, und die ist nach der Verlagerbarkeit der
Produktion
in dieses "Nebenbei". Ich bringe jetzt einfach ein paar Beispiele:
Photovoltaik
auf dem Dach oder ein Biomassekonversionssystem, das aus Küchenabfällen
Methangas für Generatoren von Kraft und Wärme macht. Seti at Home. 
Car-Sharing. Die Tendenz, daß eine Kraftquelle wie Elektrizität im Haushalt
zur Verfügung steht. Es sind dies alles kleine "Abfallprodukte" einer auf
zunehmende "Rationalisierung der Konsumwelt" berechneten Entwicklung, aber
sie bilden den realen Ausgangspunkt von Prosumer-Dynamiken. Wir könnten 
die bestehenden Produkte und Einrichtungen nicht wirklich dafür brauchen,
aber sie lassen uns immer mehr erahnen und spüren, daß eine
Wiederhereinnahme
dessen, was uns als abgetrenntes Produktionsaggregat der Gesellschaft
zugleich
Emanzipation und Unterwerfung eingetragen hat, möglich geworden ist. Diese
Möglichkeit ist zugleich unbegrenzt sinnvoll. Wenn man bedenkt, welche
drastische
Versklavung und Entfremdung das Fabrikssystem bedeutet und welche
Verschwendung
an Lebenszeit und Ressourcen (Infrastruktur, Transport, Raum, ...)
die Unterordnung unter die Fabriksdisziplin nach wie vor bedeutet!

Hier müßte der Dialog auf breiten Fronten losgehen, meines Erachtens wäre
eine 
mögliche Entwicklungslinie, in all diesen Prozessen durch das
Zusammenführen
von materiellem Produktionswissen und algorithmisch/automatisierbaren
Elementen diese "Wiederhereinnahme" produktiver Funktionen in den
Lebensvollzug
zu fördern.

Du mußt aber auch selbstkritisch sehen, daß die Kraft und Reichweite
solcher 
Bemühungen heute noch lächerlich klein und verschwindend sind. Anstatt
einen
Streit über Marxens Bart vom Zaun zu brechen wären wirklich die
Synergiepotentiale
der verschiedenen Momente gesellschaftlicher Qualifikation an einzelnen
Beispielen
durchzudenken, und dabei solltest Du nicht in den Fehler des Idealisierens
verfallen.
das Hühnerbeispiel überzeugt mich noch nicht....aber wir sollten trotzdem
auch 
daran weitermachen....;-)

Franz

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT05338 Message: 114/159 L21 [In index]
Message 06105 [Homepage] [Navigation]