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Re: Wahrheit oder was (was: Re: [ox] Begriffsbildung)



* Stefan Merten <smerten oekonux.de> [2003-01-03 17:27]:
Oder soll es einfach nicht eine bessere, ueberlegenere usw. sondern
nur eien "andere" Position sein, genauso gut oder schlecht wie meine

Über "genauso gut" oder "genauso schlecht" lässt sich nur in einem
Bezugsrahmen sprechen. Dein Bezugsrahmen kann von meinem gänzlich
unterschieden sein.
[...]
Den allgemeinen, überhistorischen Bezugsrahmen (aka Wahrheit, Gott,
Nation, etc.) gibt es aber nicht - bzw. er scheint mir das zu sein,
was Transzendenz für manche Leute heutzutage zu bedeuten scheint.

Das ist hier die Kernfrage: Koennen Leute einen Begriff ausschliesslich
an ihren je individuellen Bezugsrahmen ueberpruefen (womit sich jeder
Begriff letzlich auf eine reine `Meinung' reduziert) oder gibt es
Objektivitaet, die ich prinzipiell erkennen und somit als Massstab fuer
die Begriffsbildung nehmen kann.

Du hast klar gesagt, dass nur individuelle Bezugsrahmen sinnvoll sind.
Meine "Kernfrage" koennte man aber nochmal in mehrere "Teilfragen"
aufsplitten, die mich interessieren wuerden:

- Gibt es Objektivitaet? Gibt es wie auch immer geartete "Wahrheiten",
  die unabhaengig von unserem genuin subjektivem Bezugsrahmen sind?
  Sprich: Ist die Aussage "es gibt die Sonne" auch ohne den
  individuellen Bezugsrahmen wahr? Wuerdest Du hier noch ja sagen?

- Kann ich diese Objektivitaet erkennen? Oder koennen wir uns deswegen
  keinen Begriff von dieser Objektivitaet machen, weil wir sie notwendig
  durch die Brille unseres individuellen Bezugsrahmens verklaeren? Oder
  waere ein solcher Begriff irrelevant, weil ein Begriff ausschliesslich
  im Kontext des eigenen Bezugsrahmens `interessant' ist?

- Oder habe ich mit der Frage nach der Sonne das Thema verfehlt, weil es
  Dir um historisch spezifische Fragen geht? Gibt es also
  naturwissenschaftliche, aber keine gesellschaftswissenschaftlichen
  "Wahrheiten"? Oder gibt es bestimmte Formen von Aussagen (z.B. rein
  empirische im Gegensatz zu erklaerenden Begriffen), die unabhaengig
  vom individuellen Bezugsrahmen "wahr" sein koennen?

Ich sehe nicht wo da das Problem ist. Ich kann jedenfalls auch ohne
ein Konzept von Wahrheit (TM) gegen Nazi-Ideologie sein. Ich muss
keine Wahrheit (TM) bemühen, um erklären zu können, warum das in
meinem Bezugsrahmen Sch... ist.
[...]
Ich habe es nicht nötig, in der Kommunikation mit anderen mich auf
irgendeine Wahrheit (TM) zu berufen. Ich (TM) genüge mir sozusagen als
Grund ;-) .
[...]
Impliizit meint doch jeder, dass das was er sagt "wahr" ist
[...]
Das mag so sein. Die Nazis fanden das auch. So gesehen hilft dein
Konzept von Wahrheit gegen die jedenfalls auch nicht.

Der Punkt ist: Nach Deinem "Wahrheitskonzept" ist Nationalsozialismus
nichts als eine _Meinung_. Dir fehlt ja der objektive Bezugsrahmen, an
dem Du (gegenueber wem auch immer) festmachen kannst, dass der Nazi
falsch liegt. Der Nazi braucht also nur sagen "mein individueller
Bezugsrahmen schaut halt anders aus als Deiner" und haette somit einen
ebenso legitimen Anspruch auf seine "Meinung" wie Du.

Wichtig aber: Mit einem solchen individuellen Konzept von Wahrheit
rücken auch die Menschen wieder in den Fokus.

M.E. ist das Gegenteil der Fall. Dein "individuelles Konzept von
Wahrheit" hat Beliebigkeit in der Begriffsbildung zur Folge, reduziert
also in seiner Konsequenz jede Aussage auf nichts als eine subjektive
Meinung. Dafuer steht `die Postmoderne', dafuer stehen die `Daily
Talks'. Das fetischisiert die Subjektivitaet des Individuums, reduziert
aber die Bedeutung seiner Aussagen ganz erheblich. Ob "die Menschen" den
groessten Bullshit von sich geben oder nicht ist wurscht, ist ja alles
Meinung.

Holger

-- 
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