Re: [ox] Re: Niedergang des Kapitalismus?
- From: Holger Weiss <holger jhweiss.de>
- Date: Sat, 4 Jan 2003 20:51:10 +0100
* H.R. <Horibbeck t-online.de> [2003-01-04 19:34]:
Holger Weiss schrieb:
* Stefan Merten <smerten oekonux.de> [2002-12-31 13:42]:
Das Problem ist, dass Arbeit weniger benötigt wird - mit
Arbeitslosigkeit als unmittelbare Folge. Kann diese Arbeit wieder
aufgesaugt werden - wie z.B. bei der flächendeckenden Ausbreitung des
Autos oder nach Kriegen - dann hat der Kapitalismus sich auf nächster
Stufenleiter erfolgreich reproduziert.
[...]
Dieses massenhafte Aufsaugen von Arbeit kann ich aber beim besten
Willen *nirgends* erkennen. Wieviele Menschen braucht es weltweit wohl
um Handys herzustellen - um mal ein aktuelles Massenprodukt zu nennen.
Das heisst, die wesentliche Ursache unserer "Krise" ist der Mangel an
einem zu befriedigenden Beduerfnis.
Das ist ja nicht auszuhalten!
Du drehst hier doch nur den Spieß um und erklärst die weltweite
Zunahme ZAHLUNGSUNFÄHIGER Bedürfnisse, also die Zunahme von
Verelendung zu einem "Mangel an zu befriedigenden Bedürfnis"!
Welche Ignoranz!
Lieber Horst, statt Deine moralische Entruestung zu maximieren, solltest
Du lieber etwas genauer lesen. Ich habe versucht, Stefans Aussage zu
paraphrasieren, sonst nichts. Wenn Du Teile meiner Mail gelesen hast,
weisst Du, dass _ich_ nichtmal behaupte, dass der Kapitalismus in einer
existentiellen Krise steckt, geschweige denn, dass _ich_ eine solche
Behauptung (mit "mangelnden Beduerfnissen") begruenden wuerde.
Wuerde dem Kapital ein neues Produkt einfallen, das irgendein
Beduerfnis befriedigen wuerde (und dessen Befriedigung nennenswert
Arbeit macht), wuerden sie wieder mehr Leute einstellen (und damit
gleichzeitig Zahlungskraft fuer das Beduerfnis schaffen), um die
entsprechende Ware zu produzieren.
Auf der aktuellen Höhe der Rationalisierung (die ja auch in einer
"neuen" Branche anzutreffen wäre, und zwar von Anfang an!) Kann die
kapitalistische Ökonomie unserer Gesellschaft nie mehr in dem Maße
wegrationalisierte menschliche Arbeit durch Expansion überkompensieren
Du sagst doch: Die Produktivkraftentwicklung macht Arbeit ueberfluessig.
Nun bedeutet Produktivkraftentwicklung, dass ich mehr Produkt in
derselben Zeit herstellen kann. Prinzipiell gibt's zwei Moeglichkeiten,
mit dieser neuen Situation (gesteigerter Produktivitaet) "umzugehen":
1. Entweder produziert die Gesellschaft dasselbe Produkt wie vorher und
benoetigt dafuer weniger Arbeitszeit, Arbeit wird "freigesetzt"
2. Oder man stellt mehr von demselben bzw. neues (anderes oder
qualitativ besseres) Produkt her und benoetigt dafuer dieselbe
Arbeitszeit wie vorher
In der Geschichte des Kapitalismus passierte ("in the long run", also
abgesehen von Krisen) im Allgemeinen letzteres. Neue/bessere Produkte
befriedigten neue Beduerfnisse. Sie erforderten neue Arbeit, die die
weggefallene je nachdem teilweise, voll oder ueberkompensierte. Fuer
diese Arbeit bekamen Arbeiter Lohn und Kapitalisten Mehrwert, beides
Revenuequellen fuer die Zahlung der neuen Produkte. Kapitalistische
Reproduktion und Akkumulation funktionierte somit "trotz" (wegen)
Produktivkraftsteigerung.
Offensichtlich ist Stefans und Deine Behauptung, dass auf dem heutigen
Stand der Produktivkraftentwicklung "Loesung 2" nicht mehr moeglich ist.
Die Produktivkraftentwicklung muss also, Eurer Meinung nach, an einem
Punkt angelangt sein, wo es einen _qualitativen_ Unterschied zu
frueherer Produktivkraftentwicklung gibt. Meine Frage war lediglich, wo
genau dieser Unterschied zur frueheren Produktivkraftentwicklung liegt.
Wenn es nicht an Beduerfnissen, deren Befriedigung "genuegend" neue
Arbeit erfordert, mangelt (was ich, genau wie Du, fuer Quatsch halten
wuerde), woran dann? Don't forget: Du musst Deine Behauptung begruenden,
dass der kapitalistischen Oekonomie "die Arbeit ausgeht".
Es faellt ihm aber nix ein, die Leute sind einfach satt. Oder wie?
^^^^^^^^^
"Die Leute sind (nicht) einfach satt"!!!
Das ist blanker Zynismus.
"Oder wie?"!!1!
Das ist eine blanke Frage.
Holger
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