Message 06163 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT05678 Message: 39/60 L14 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Re: Niedergang des Kapitalismus?



Holger Weiss schrieb:

Lieber Horst, statt Deine moralische Entruestung zu maximieren, solltest
Du lieber etwas genauer lesen. Ich habe versucht, Stefans Aussage zu
paraphrasieren, sonst nichts. Wenn Du Teile meiner Mail gelesen hast,
weisst Du, dass _ich_ nichtmal behaupte, dass der Kapitalismus in einer
existentiellen Krise steckt, geschweige denn, dass _ich_ eine solche
Behauptung (mit "mangelnden Beduerfnissen") begruenden wuerde.

na gut, erstmal.

Wuerde dem Kapital ein neues Produkt einfallen, das irgendein
Beduerfnis befriedigen wuerde (und dessen Befriedigung nennenswert
Arbeit macht), wuerden sie wieder mehr Leute einstellen (und damit
gleichzeitig Zahlungskraft fuer das Beduerfnis schaffen), um die
entsprechende Ware zu produzieren.

Auf der aktuellen Höhe der Rationalisierung (die ja auch in einer
"neuen" Branche anzutreffen wäre, und zwar von Anfang an!) Kann die
kapitalistische Ökonomie unserer Gesellschaft nie mehr in dem Maße
wegrationalisierte menschliche Arbeit durch Expansion überkompensieren

Du sagst doch: Die Produktivkraftentwicklung macht Arbeit ueberfluessig.
Nun bedeutet Produktivkraftentwicklung, dass ich mehr Produkt in
derselben Zeit herstellen kann. Prinzipiell gibt's zwei Moeglichkeiten,
mit dieser neuen Situation (gesteigerter Produktivitaet) "umzugehen":

1. Entweder produziert die Gesellschaft dasselbe Produkt wie vorher und
   benoetigt dafuer weniger Arbeitszeit, Arbeit wird "freigesetzt"

2. Oder man stellt mehr von demselben bzw. neues (anderes oder
   qualitativ besseres) Produkt her und benoetigt dafuer dieselbe
   Arbeitszeit wie vorher

In der Geschichte des Kapitalismus passierte ("in the long run", also
abgesehen von Krisen) im Allgemeinen letzteres. Neue/bessere Produkte
befriedigten neue Beduerfnisse. Sie erforderten neue Arbeit, die die
weggefallene je nachdem teilweise, voll oder ueberkompensierte. Fuer
diese Arbeit bekamen Arbeiter Lohn und Kapitalisten Mehrwert, beides
Revenuequellen fuer die Zahlung der neuen Produkte. Kapitalistische
Reproduktion und Akkumulation funktionierte somit "trotz" (wegen)
Produktivkraftsteigerung.

Mit diesem "(wegen)" deutet sich eine Verwechslung an.
Kapitalistische Reproduktion (Wertverwertung) funktionierte trotz
ständiger Rationalisierung nur WEGEN der Möglichkeit ständiger
Expansion und zwar einer, die in Bezug auf die entfallene Arbeit
mehr neue Arbeit ermöglichte.
Der Knackpunkt ist der daraus resultierende unhintergehbare Zwang
zu weiterer Expansion kapitalistischer Ökonomie, soll nicht (abstrakte) Arbeit 
als einzige(!) Profitquelle wegfallen.
Es kann also selbst theoretisch Deine Möglichkeit Nr.1 nicht lange
als "funktionierend" bezeichnet werden in dem Sinne das es die 
Reproduktionsbasis der Gesellschaft sei.


Offensichtlich ist Stefans und Deine Behauptung, dass auf dem heutigen
Stand der Produktivkraftentwicklung "Loesung 2" nicht mehr moeglich ist.
Die Produktivkraftentwicklung muss also, Eurer Meinung nach, an einem
Punkt angelangt sein, wo es einen _qualitativen_ Unterschied zu
frueherer Produktivkraftentwicklung gibt. Meine Frage war lediglich, wo
genau dieser Unterschied zur frueheren Produktivkraftentwicklung liegt.

OK. Ich versuch's mal:

Der erste 'qualitative' Unterschied ist der, daß ein ständiges z.B. 3%iges
(exponentielles!) Wachstum nur in einer grenzenlosen Welt möglich ist,
daß heute also diese Wachstums-Grenzen erreicht sind im Gegensatz zu früher.
Es ist eine sozusagen 'äußere' (ökologische) Grenze.

Der zweite 'qualitative' Unterschied findet sich im berühmten 
'tendenziellen Fall der Profitrate' in der Real-Ökonomie, was zum
vorübergehenden Ausweichen des Kapitals in Finanzblasen führt, 
letztlich aber
an die 'innere' (ökonomische) Grenze, daß das steigende Risiko neuer 
Arbeitsplätze nicht mehr eingegangen wird (-Jugoslawien-SU-Afrika-
Tigerstaaten-Japan-Südamerika-und dann kommen WIR schon bald-). 
Ein Arbeitsplatz auf konkurrenzfähigem Niveau erfordert heute ein 
Vielfaches an konst. Kapital wie früher! 

Wenn es nicht an Beduerfnissen, deren Befriedigung "genuegend" neue
Arbeit erfordert, mangelt (was ich, genau wie Du, fuer Quatsch halten
wuerde), woran dann? Don't forget: Du musst Deine Behauptung begruenden,
dass der kapitalistischen Oekonomie "die Arbeit ausgeht".

Es faellt ihm aber nix ein, die Leute sind einfach satt. Oder wie?
                                                           ^^^^^^^^^
"Die Leute sind (nicht) einfach satt"!!!
Das ist blanker Zynismus.

"Oder wie?"!!1!
Das ist eine blanke Frage.

Holger

Sie mildert den Zynismus aber lediglich nur ein wenig.

Horst




Since it's a commercial UNIX operating system, you'll have to go and add
a ton of software to the already bloated load you have. 
------------------------------------------------------------------------
             David L. Cantrell Jr. -- "Installing IRIX 6.5.7 on an Indy"
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT05678 Message: 39/60 L14 [In index]
Message 06163 [Homepage] [Navigation]