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Re: [ox] Re: Niedergang des Kapitalismus?



* H.R. <Horibbeck t-online.de> [2003-01-04 22:56]:
Holger Weiss schrieb:
Offensichtlich ist Stefans und Deine Behauptung, dass auf dem heutigen
Stand der Produktivkraftentwicklung "Loesung 2" nicht mehr moeglich ist.
Die Produktivkraftentwicklung muss also, Eurer Meinung nach, an einem
Punkt angelangt sein, wo es einen _qualitativen_ Unterschied zu
frueherer Produktivkraftentwicklung gibt. Meine Frage war lediglich, wo
genau dieser Unterschied zur frueheren Produktivkraftentwicklung liegt.

OK. Ich versuch's mal:

Der erste 'qualitative' Unterschied ist der, daß ein ständiges z.B. 3%iges
(exponentielles!) Wachstum nur in einer grenzenlosen Welt möglich ist,
daß heute also diese Wachstums-Grenzen erreicht sind im Gegensatz zu früher.
Es ist eine sozusagen 'äußere' (ökologische) Grenze.

Jep, das waere ein Punkt. Ich sehe nur nicht, dass _heute_ schon
oekologische Grenzen erreicht waeren, die die Akkumulation nennenswert
beeintraechtigen wuerden.

Der zweite 'qualitative' Unterschied findet sich im berühmten 
'tendenziellen Fall der Profitrate' in der Real-Ökonomie,

Der tendenzielle Fall ueberzeugt mich schon bei Marx nicht, weil Marx
m.E. nicht nachweist, warum diese Tendenz staerker sein soll als die
(ebenfalls von ihm entwickelten) Gegentendenzen. Die wesentlichste
Gegentendenz ist m.E., dass mit dem Produktivitaetsfortschritt auch der
Wert des konstanten Kapitals faellt (einer von mehreren Gruenden, warum
ich sagte, dass die kapitalistische Reproduktion "trotz und wegen" des
Produktivitaetsfortschritts funktioniert). Fuer mich ist nicht
einzusehen, warum die Verschiebung des _stofflichen_ Verhaeltnisses
Produktionsmittel/Arbeit hin zu den Produktionsmitteln nicht durch die
Minderung des Tauschwerts der Produktionsmittel vollstaendig kompensiert
(oder sogar ueberkompensiert) werden soll.

Ein Arbeitsplatz auf konkurrenzfähigem Niveau erfordert heute ein 
Vielfaches an konst. Kapital wie früher! 

Ja, auf der stofflichen (Gebrauchswert-)Ebene ist das richtig, und fuer
Marx diente das tatsaechlich als Argument dafuer, dass die Profitrate
fallen und gegen Null tendieren wird. Schaut man sich rein empirisch die
Profitraten der letzten 150 Jahre an, hat's nicht gepasst[*]. Da das
(stoffliche) Verhaeltnis Produktionsmittel/Arbeit sich aber nicht erst
jetzt, sondern seit Jahrhunderten verschiebt, kann das allein als
Argument nicht reichen. Diese Verschiebung selbst muesste heute anders
aussehen oder staerker/relevanter sein als vor 50/100/150 Jahren.

Es faellt ihm aber nix ein, die Leute sind einfach satt. Oder wie?
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"Die Leute sind (nicht) einfach satt"!!!
Das ist blanker Zynismus.

"Oder wie?"!!1!
Das ist eine blanke Frage.

Sie mildert den Zynismus aber lediglich nur ein wenig.

*ROTFL*

Das ganze war wie gesagt ein Absatz, dessen einziger Zweck war, bei
StefanMn nachzufragen, wie er seine Behauptung (-> die Arbeit geht aus)
genau begruendet. Nichtmal in Frageform darf man moralisch verwerfliche
Sachen in den Mund nehmen? Ich wuerde Moral und Analyse/Kritik auch
unabhaengig von diesem Missverstaendnis besser trennen. Kritik bedeutet,
eine Aussage zu _widerlegen_, nicht ihr nachzuweisen, dass sie
aussergewoehnlich boese ist.

Holger

*) Ich war mal bei einem Vortrag eines Protagonisten des tendenziellen
   Falls, der hat eine Kurve fuer die letzten 150 Jahre an die Wand
   geklatscht. Jeder normale Mensch haette bei dieser Kurve gesagt,
   "naja, sie geht halt rauf und runter". Er hat unglaublich lange, mit
   unglaublich vielen die Kurve interpretierenden Kommentaren und einem
   Lineal bewaffnet daran herumfuhrwerkt, um daraus irgendwie einen
   "tendenziellen Fall" zu konstruieren. Das war verdammt gute Satire.

-- 
Since it's a commercial UNIX operating system, you'll have to go and add
a ton of software to the already bloated load you have. 
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             David L. Cantrell Jr. -- "Installing IRIX 6.5.7 on an Indy"
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