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Re: [ox] Re: Freie Standards



Hi StefanS und alle!

2 weeks (15 days) ago Stefan Seefeld wrote:
Ob Standards 'gut' sind ? Warum sie gut sind (oder nicht) ?


Wenn ich "gut" mit "im emanzipatorischen Interesse" übersetze, dann
geht es genau darum, ja. Spannend scheint zu sein, welche Kriterien
Standards erfüllen zu müssen scheinen, um als in diesem Sinne als
"gut" betrachtet zu werden.

Hmm, da steckt ja 'ne Menge Schein und Betrachtung drin :-)

Der Schein verschwindet, wenn das alles supergut belegt ist :-) .

Die "Betrachtung" verweist auf die BetrachterIn. Damit auf deren
Wertesystem.

Du sprichst von 'emanzipatorischem Interesse'. Wessen Interesse ?
Wer emanzipiert sich da ?

Günstigstenfalls alle :-) .

Also gut, ein bischen konkreter:

Ok :-) .

Ich sehe, dass die Emanzipation mit einer Anerkennung beginnt, d.h.
dass  die an-der-Macht-Seienden mich teilhaben lassen am
'Produktionsmittel'.

Würdest du die PC-Werdung so beschreiben? Die Entwicklung von PC und
(privat genutztem) Internet hat für mich nicht den Charakter eines
Gnadenakts seitens der Herrschenden und auch nicht die eines sozialen
Kampfes, in dessen Rahmen die Unterdrückten den Herrschenden den PC
als universelles, privates Produktionsmittel abgetrotzt hätten.
Ähnliches gilt für das (privat genutzte) Internet.

Was ich sagen will: Macht kann sich zuweilen auch einfach so genommen
werden. Hier die Macht, Freie Software zu entwickeln. Spannend wird's
dann, wenn das, was wir heute als Ermächtigung erleben, so sehr in der
Logik der alten (kapitalistischen) Logik liegt, dass es nicht einfach
verboten werden kann. Das scheint mir bei Freier Software einer der
entscheidenden Vorteile - auch und gerade gegenüber zahlreichen
politizistischen Ansätzen.

Das ist sehr differenziert zu betrachten. Z.B.
gab es da gerade eine interessante Diskussion in comp.programming.threads,
wo der POSIX Standard (genauer: POSIX threads) als restriktiv und
technisch schlecht von den linux kernel Entwicklern abgelehnt und
ignoriert wurde. Die technische Seite sei mal dahingestellt, ich
denke aber es spricht B"ande, dass sich die Entwickler des linux
kernels / der Programmierschnittstelle (glibc) einfach "uber solche
Standards hinwegsetzen *k"onnen*.

Ja. In diesem Fall empfinden sie den existierenden Standard nicht als
Emanzipation - also als Erweiterung ihrer Handlungsmöglichkeiten in
Form von kompatiblen Programmen - sondern erleben ihn als
Einschränkung ihrer Handlungsmöglichkeiten - nämlich bestimmte
Programmiermodelle nicht verwenden zu können. Das ist in diesem
Beispiel genau die Stelle, an der der Standard sich von seinen
intendierten NutzerInnen entfremdet. Diese Entfremdung hat prinzipiell
schon mal anti-emanzipatorischen Charakter - was die EntwicklerInnen
auch so erleben.

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Der Standard wird trotz der
Entfremdung aufrecht erhalten. Das geht in dieser Situation nur noch
unter Gewaltanwendung und dies wäre die Stelle, wo H. in Unterdrückung
umschlägt.

Oder - und das ist die Möglichkeit, auf die du verweist - der Standard
wird modifiziert, reorganisiert, neu gemacht - kurz: gekippt und neu
aufgebaut. Mit dem neuen Standard - so wäre die Hoffnung - wären dann
die Entfremdungsphänomene (erst mal wieder) weg und er würde wieder
freiwillig eingehalten.

Das spezielle Oekonux-Interesse an solchen Phänomenen besteht jetzt
darin, was bei Freien Standards / Freier Software das Besondere an
ihnen ist und ob und ggf. inwiefern sie sich von anderen Phänomenen in
der übrigen Welt unterscheiden.

Oder ob man sie erzwingen kann/soll ?


Auch dies ist Teil der H.-Debatte, bezieht sich aber auf ein den
Standards zunächst mal äußeres Gebiet.

ganz im Gegenteil ! Wie gut sind Standards, wenn man sie nicht
befolgt ?

Das kommt darauf an, warum sie nicht befolgt werden. Das obige
Beispiel - von dem ich BTW sehr vage schon gehört habe - ist ein
Beispiel für einen Umschlagsprozess - würde ich interpretieren. Andere
Standards werden ja dagegen momentan nicht (breit) in Frage gestellt.

Hier ist aber auch die Intention klar: Der bestehende Standard ist
neueren Überlegungen bzgl. Threads nicht mehr gewachsen - was übrigens
bei diesem Thema nicht weiter verwundert, das Threads ja eine
vergleichsweise neue Technik sind. Diese Argumentation bezieht sich
unmittelbar auf den sachlichen Nutzen dieses Standards und ist -
zumindest Fachleuten - tendenziell nahe zu bringen.

Etwas anderes ist es, wenn der Standard aus sachfremden Gründen nicht
eingehalten wird. Diese sachfremden Gründe sind dann gegenüber dem,
was der Standard regelt, entfremdet. Geldinteressen in verschiedener
Form bilden sicher eine große Klasse entfremdeter Gründe. Es kann aber
auch weitere geben.

Auf Erfahrung ? Womit ?


Erfahrung mit der Welt würde ich sagen. Insbesondere dem Teil der
Welt, in der Freie Software (und Freie Standards?) eine große Rolle
spielen und zuweilen kontrastiert mit der Welt, in der proprietäre
Standards wie `.doc' entscheidend ist.

das ist mir alles viel zu stark vereinfacht. Das Spannungsfeld ergibt
sich doch durch Standards auf der einen Seite, die ein Ausdruck von
Offenheit sind, und Innovation, die zuerst einmal eine Negation von
Konvention (und damit Standards) bedeutet.

Ja. H. im emanzipatorischen Sinne - und damit auch Standards - kann
nur als dynamisches System betrachtet werden. Ich kann mich nicht
erinnern, dass irgendwer Statik gefordert oder auch nur nahgelegt
hätte. Und natürlich ist es immer ein Spannungsfeld - jedenfalls auf
den Gebieten, wo noch Innovation statt findet.

Ich habe das Beispiel posix threads oben bewusst angef"uhrt, um deutlich
zu machen, dass das Nichtbefolgen von Standards eben kein Monopol des
'B"osen' (z.B. personifiziert durch Microsoft) ist, sondern Ausdruck
von ganz konkreten Bed"urfnissen. Solche Bed"urfnisse *k"onnen* der
bewusste Ausschluss von Alternativen sein, aber auch die Flexibilit"at
zur Innovation.

Definitiv. Sollte ein anderer Eindruck entstanden sein, tut es mir
Leid.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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