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Re: [ox] Re: Gegen die eigenen Beduerfnisse handeln?



* Stefan Meretz <stefan.meretz hbv.org> [2003-05-23 17:29]:
On Tuesday 20 May 2003 02:45, Holger Weiss wrote:
Seine gesellschaftliche Lage. Um _sein_ oekonomisches Interesse geht's,
von dort aus wird beurteilt.

Du bist doch gar auf seinem Standpunkt (da kann nämlich nur er sein). Du
gibst das nur vor. Du beurteilst seine Lage, sein Interesse etc. Das ist
Drittstandpunkt.

Klar beurteile _ich_ sein oekonomisches Interesse, wie der Arzt mein
gesundheitliches beurteilt. Ich gebe das aber genausowenig "nur vor" wie
der Arzt. Wenn der "Standort" schlicht denjenigen bezeichnet, der die
Aussage trifft, hast Du Recht. Vorher hattest Du mit dem Begriff
"Standort" aber den Bezugspunkt fuer die Beurteilung einer Aussage als
richtig oder falsch bezeichnet. Und der Bezugspunkt bin (bei Karl-Heinz)
_nicht_ ich, es ist (bei meiner Gesundheit) _nicht_ der Arzt. Wenn ich
Sport treibe, liegt das nicht im gesundheitlichen Interesse meines
Arztes. Wenn ich das Interesse con Karl-Heinz beurteile, hat das mit
meinem oekonomischen Interesse nix zu tun.

Zentral beim Verstaendnis des Verhaeltnisses von objektivem Interesse
(bei dem eine "dritte" Person problemlos den Standpunkt der "ersten"
einnehmen kann) zum konkreten Menschen inklusive dessen subjektiven
Praeferenzen (die nur er benennen kann) ist das Woertchen "insofern":
_Insofern_ er ein biologisches Wesen ist, hat er ein unabhaengig von
subjektiven Praeferenzen bestimmbares gesundheitliches Interesse. Raucht
er Zigaretten, warum auch immer, geht's ihm _gesundheitlich_ schlechter
(da sieht man: Nix Transzendenz, er _ist_ ein biologisches Wesen).
_Insofern_ er in seiner oekonomischen Lage ist, hat er unabhaengig von
subjektiven Praeferenzen bestimmbare oekonomische Interessen. Nimmt er
sie nicht wahr, warum auch immer, geht's ihm _oekonomisch_ schlechter
(da sieht man: Nix Transzendenz, er _ist_ in seiner oekonomischen Lage).
Vielleicht hat er subjektive "Gruende", sein objektives Interesse nicht
wahrzunehmen, diese Gruende kenne ich nicht (vielleicht kennt er den
Grund auch nicht, vielleicht weiss er auch nur nicht, dass Rauchen der
Gesundheit schadet, whatever). Dann nimmt er sein Interesse halt nicht
wahr. Daraus laesst sich aber nicht schliessen, dass die Analyse seines
objektiven Interesses nicht moeglich sei oder nichts mit dem konkreten
Menschen Karl-Heinz zu tun haette.

Gerade deshalb ist es eine schlichte Frage von richtig oder falsch,
und gerade deshalb ist sie objektiv entscheidbar.

Das bestreite ich. Der Standort (hier: dritter Person) konstituiert die
"Objektivität", er selbst aber ist selbst nicht "objektivierbar", sondern
transzendent begründet (keine Ahnung, wie deine Begründung jetzt sein
mag).

Ein anderer Versuch, unsere Differenz genauer auf den Punkt zu bringen:
Splittet man den Interessenbegriff in eine Zweck/Mittel-Relation auf, so
setzt der "Standort", mit dem Du ja ein Problem hast, nur den Zweck, er
setzt _nicht_ das Mittel, welches damit erstmal nicht von Deiner Kritik
betroffen ist. Wenn ich Dich recht verstehe, bezieht sich Deine Kritik
immer auf "meine" vom Drittstandpunkt aus getroffenen Zwecksetzung, die
ich Karl-Heinz untergejubelt haette, weil sie "nicht objektivierbar"
sei. Eine Kritik an der objektiven Bestimmbarkeit von adaequaten Mitteln
bei gegebenem Zweck konnte ich nicht herauslesen.

Wenn ich den von Dir kritisierten Punkt, "meine" Zwecksetzung, mal
unterlasse: Falls mir ein industrieller Kapitalist _sagt_, er _will_
Profit maximieren, er also subjektiv den Zweck setzt, kann ich dann
prinzipiell objektiv bestimmen, ob das Mittel Zinssenkung dem subjektiv
gesetzten Zweck dient oder nicht? Hier muss der Standort in Deinen Augen
doch erster Person sein und somit Objektivitaet konstituieren koennen.
Wenn Du hier noch mitgehen kannst, haetten wir offensichtlich keinen
erkenntnistheoretischen Streit ueber die prinzipielle Moeglichkeit
objektiver Aussagen ueber gesellschaftliche Vorgaenge, sondern
vermutlich "nur" den inhaltlichen Streit, ob oekonomische
"Charaktermasken" (die Du ja auch fuer analysierbar haeltst, wenn ich
Deine andere Mail recht verstehe) konkreten Personen zugeordnet werden
koennen oder nicht.

Du kannst nicht Vorgänge dritter Person -- und biotische Vorgänge sind
solche

Von welchen "Vorgaengen dritter Person" sprichst Du hier? Was geht da
bei wem vor? Meine Gesundheit hat mit dritten Personen nix zu tun. Ihre
Bedingungen sind von dritten Personen analysierbar, das ist aber auch
schon alles.

BTW: Du interpretierst das als "Rechtfertigung". Sprich, Du behauptest,
in Wahrheit seien da andere Gruende unterwegs, als die, die er mir
nennt. Woher weisst Du dritte Person das?

Weil man "Ausländer rausschmeissen" nicht objektivieren kann.

<nicht ganz ernst gemeint>

Zusammenfassung: Hier kann die dritte Person (StefanMz) besser als die
erste Person (Karl-Heinz) beurteilen, dass die von der ersten Person
gemachte Aussage keine Aussage erster Person, sondern in Wahrheit eine
Aussage dritter Person ist und daher den wahren Grund nicht benennen
kann. Im Ergebnis kennt die dritte Person (StefanMz) den Grund erster
Person besser als die erste Person (sie weiss zumindest im Gegensatz zur
ersten, dass der genannte Grund _nicht_ der wahre Grund ist). Damit
bist Du, nur um zwei Ecken, wieder bei meiner Position angelangt, dass
wir Karl-Heinz' Aussagen nicht trauen duerfen ;-))

</nicht ganz ernst gemeint>

Er macht mit sich das gleiche, was du mit ihm machst. Nur er
"instrumentalisiert" hier den allgegenwärtigen Drittstandpunkt als
Rechtfertigung, während du ihn sicher gutmeinend "nutzen" willst. Das
ist jedoch strukturell das Gleiche! Daran sieht man IMHO jedoch, dass
man das im Modus dritter Person nicht entscheiden kann bzw. wenn doch
"entschieden" wird, dann ist das immer Ausdruck von
Beherrschungsverhältnissen.

Bei den "Beherrschungsverhaeltnissen" wuerde ich insofern zustimmen, als
eine objektive gesellschaftliche (oder biologische oder sonstige)
Bestimmtheit des Individuums eben gerade eine solche ist, die es _nicht_
einfach aufgrund von subjektiven Praeferenzen aendern kann. Der
Kapitalist kann nur in einem gewissen Rahmen auf Entlassungen
verzichten, irgendwann _muss_ er es tun, will er nicht Pleite gehen.
Dafuer kannst Du aber doch nicht den Uebermittler der Botschaft
verantwortlich machen.

Damit ist aber völlig ungeklärt, welchen Grund Karl-Heiz hat. Wie
anders als spekulierend willst du an den "Grund" im Modus dritter
Person rankommen? Sag mir doch mal, welchen Grund Karl-Heiz hat.

Mir doch (erstmal) egal, Gegenstandswechsel.

Ok, dann kannst du aber über den Grund nur spekulieren.

Ueber den Grund seiner Aussage will ich doch an diesem Punkt nichteinmal
spekulieren, er ist fuer unsere Frage schlichtweg egal. Ich sag' nur,
dass die Aussage objektiv als richtig oder falsch bewertbar ist, voellig
egal, ob er sie gemacht hat, weil er Frust auf seinen Nachbarn Ali hat,
weil er eine oekonomische Ueberlegung angestellt hat, weil sein
staatsbuergerliches Bewusstsein ihm das aufgedraengt hat oder weil sein
Dad in fruehester Kindheit mal was falsch gemacht hat oder alles
zusammen oder was weiss ich.

Wenn man aber mal ernsthaft ueber derlei Gruende spricht, scheint mir
das auch nicht beantwortbar, indem man "einfach mal das Subjekt fragt".
Die Ursachen fuer mein Denken und Handeln (glauben wir Dir einfach mal,
dass es immer welche gibt) sind doch ein komplexer Wust aus sozialen,
psychologischen, biologischen, sonstigen Einfluessen und deren
Wechselwirkungen mit "autonom" getroffenen bewussten oder unbewussten
Entscheidungen meines subjektiven "freien Willens" (von dessen Existenz
ich durchaus auch ausgehen wuerde). Ueber diese Ursachen kann ich
erstmal selbst nur spekulieren. Wenn ich derlei Selbstbeobachtung
betreibe, befinde ich mich, da wuerde ich Casimir (und StefanS)
zustimmen, genau wie "externe" Beobachter nach Deinem Schema im "Modus
dritter Person". Die zentrale Unterscheidung ist hier einfach die
zwischen dem Gegenstand an sich auf der einen Seite und der Analyse und
Darstellung desselben auf der anderen Seite. Der Gegenstand an sich ist
nicht "wissenschaftsfaehig", nur dessen Darstellung, die immer Analyse
voraussetzt, da der Gegenstand in keinem Fall "fuer sich selbst
spricht". Aber noch einmal: Das scheint mir ein voellig anderes Thema zu
sein. Befragung und Beobachtung des Subjekts mag bei _dieser_ Frage
sinnvoll sein, weil subjektiv getroffene Entscheidungen und individuelle
Praeferenzen/Beduerfnisse wie gesagt _eine_ Ursache fuer mein konkretes
Denken und Handeln sein moegen. Das ist aber kein Grund, die adaequate
Methode fuer diese Detailfrage auf oekonomische Formen/Interessen oder
andere sozialwissenschaftliche Gegenstaende anzuwenden.

Unser Streitpunkt war doch, ob es moeglich ist, sein objektives
Interesse auch _unabhaengig_ von dem, was er sagt, zu bestimmen.

Da sage ich: nein, geht nicht.

Ich weiss ;-)

Ob, und wenn ja, welche Gruende es hat, dass er sagt, was er sagt,
und ob, und wenn ja, wie ich da "im Modus dritter Person" rankomme,
sind doch ganz andere Fragen.

Nein, wenn du meine Schlüsse teilst, musst du den Modus wechseln.

Ja, _wenn_ ich Deine Schluesse teile, muss ich mir andere Fragen
stellen. Es geht mir aber nur um die Schluesse selbst, nicht um
eventuelle Folgefragen.

Der Drittstandpunkt ist allerdings bequemer (eigene Erfahrung).

Dass das Festhalten an Begriffen wie objektivem Interesse so furchtbar
bequem waere, kann ich nicht bestaetigen (eigene Erfahrung) ;-) Im
Ernst, "Altersweisheit" ("ich weiss bescheid, weil ich selbst mal so
gedacht habe") als Untermauerung des eigenen, "fortgeschrittenen"
Standpunkts anzubringen, hilft nicht wirklich weiter.

Holger

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"After turning off the power to replace a part, turning the power on again
is relatively simple."  -- SPARCstation 10 Service Manual
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