Message 06673 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT05989 Message: 138/187 L30 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: Re: [ox] Re: Gegen die eigenen Beduerfnisse handeln?



Ref.: 	«Re: [ox] Re: Gegen die eigenen Beduerfnisse handeln?»
 		Benni Baermann
 		(2003-05-23, 20:24:52 [PHONE NUMBER REMOVED], KW 21/2003)

On Fri, May 23, 2003 at 12:51:10PM -0400, Stefan Seefeld wrote:
Wissenschaft ist aber nicht gleichzusetzen mit "Experimentieren an sich".

nein, aber das Experimentieren, d.h. das Re-Produzieren von Bedingungen
unter denen sich bestimmte Beobachtungen machen lassen, ist *die*
Grundlage der Wissenschaft.

Dann wären so etablierte Wissenschaften wie Mathematik, Philosophie,
Literaturwissenschaft, u.v.a. keine Wissenschaften?

Die sind nicht ganz so etabliert (als Wissenschaft!), wie es auf den
ersten Blick scheint:

Beispiel: aus "Mathematik für Physiker"

Ist Mathematik eine Wissenschaft? 

Die Frage stellte Andrea Friedel, Dresden. Die Antwort gibt Peter
Ripota, Physiker und Mathematiker.

Die Mathematik ist keine Wissenschaft. Wissenschaften beschäftigen
sich mit der Wirklichkeit und werden durch Experimente bestätigt
(zumindest vorläufig) oder widerlegt (meist endgültig). Die
Mathematik beschäftigt sich nicht mit der Wirklichkeit, sondern mit
selbstgeschaffenen Objekten wie Zahlen, Mengen, Gruppen, usw. Meist
sind das sehr abstrakte Gebilde, die durch exakte Definitionen und
Regeln beschrieben werden. Mathematische Erkenntnisse stützen sich
niemals auf Experimente, sondern immer nur auf Beweise. Das sind
streng geregelte Vorgehensweisen, wie man durch logische und
mathematische Gesetze von bestimmten Voraussetzungen zu neuen
Erkenntnissen kommt. An der Wirklichkeit müssen diese Erkenntnisse
nicht mehr überprüft werden; das genaue Aufzeigen des Wegs zu ihrer
Konstruktion genügt. Die Mathematik ist also keineWissenschaft,
sondern eine Kunstform. Das die Kunstform "Mathematik" in
derWissenschaft äußerst nützlich angewandt werden kann, ist ein
höchst eigenartiges Phänomen, über das sich so manche Philosophen
den Kopf zerbrochen haben. Warum das so ist, weiß niemand so
genau. Vielleicht hat Albert Einstein recht. Er meinte, Gott, der
Schöpfer, wäre Mathematiker gewesen. Sonst könnte man die Welt
nicht so gut mathematisch beschreiben.

[http://www.rz.uni-frankfurt.de/~dweiss/Dateien/Skripte/mathe.pdf]

Was die Philosophie und Literaturwissenschaft betrifft, so ist die
Frage noch offensichtlicher, da die Vertreter dieser Sparten sich noch
häufiger und intensiver selbst mit eben dieser Frage beschäftigen.

Dennoch füge ich sicherheitshalber hinzu, daß Wissenschaft nicht nur
aus reproduzierbarer Beobachtung (Experiment) besteht. Wissenschaft
unterscheidet sich von Kunst, Religion, Statistik, gesundem
Menschenverstand usw. durch eine (zwingend reproduzierbare)
systematische Methodik der Erkenntnisgewinnung.

Die Methodik beginnt bei der Verankerung des Gegenstandes der
Erkenntnis in der Realität (-- das ist die Mühe, die sich die
Mathematik meist nicht macht: sie vertraut auf ihre Anwendbarkeit in
"anderen"(?!) Wissenschaften, wodurch dieser Bezug post factum
hergestellt wird): was nicht nachvollziehbar als *erkannt* (also
objektiv vorhanden) beschrieben werden kann, fußt auf Einbildung.  Die
Systematik bewahrt vor Krümelkackerei, Kritizismus und "gesundem
Menschenverstand". Durch zwingende Reproduzierbarkeit unterscheidet
sich die Wissenschaft von Deutungen bzw. Interpretationen,
Prophezeiungen, Mystizismus, Kunst usw.

Aber genug der Stichpunkte zum Stichpunkt Wissenschaft. Mein Problem
ist nach wie vor: Die Befragung von Karl-Heinz ist nicht
reproduzierbar...

Bitte um weitere Aufklärung!
Casi.

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



[English translation]
Thread: oxdeT05989 Message: 138/187 L30 [In index]
Message 06673 [Homepage] [Navigation]