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Re: Re: [ox] Re: Gegen die eigenen Beduerfnisse handeln?



On Monday 02 June 2003 15:45, Casimir Purzelbaum wrote:
 > Als Mensch hat er kein "ökonomisches Interesse", ...

Was bringt diese Aussage?

Das "Mensch-sein" und "ökonomisches-Interesse-haben" kein notwendiger oder 
gar naturaler Zusammenhang ist.

 > da gibt es also nichts zu beurteilen; das ökonomische Interesse
 > der Rolle kannst du beurteilen

Kannst Du mir erklären, wo ein Mensch ohne "Rolle" herkommen soll?

Aus der Zukunft? Denk an den Marxschen Menschen, der mittags dies tut und 
abends was anderes, philosophieren, fischen..., aber kein Philosoph oder 
Fischer mehr ist. Kann das Zitat nicht auswändig.

Für mich erlaubt Deine obige Sentenz nur den Schluß, daß der Mensch
nur außerhalb der gegebenen Umstände "als Mensch" betrachtet werden
kann. Deshalb begreife ich das nicht.

Für mich ist der Schluss, dass die gegebenen Umstände nicht wirklich 
menschlich sind. Wir befinden uns halt noch in der Vorgeschichte, was 
soll man da schon erwarten;-)

 > Wenn es dir um Karl-Heinz geht, dann frag ihn.
Und wenn mir der arbeitslose Maurer Karl-Heinz sagt, er sei
Börsenmakler in Frankfurt, -- wonach soll ich sein Interesse
beurteilen?

Gar nicht. Wieso solltest du?

 Oder soll ich ihn einfach nicht weiter berücksichtigen,
weil ich mit _seiner_ Aussage nichts anfangen kann?

Z.B.

 > Wenn es dir um die gesellschaftliche Rolle der Charaktermaske geht,
 > dann treffe deine Analysen. Ich sage "nur": das ist
 > auseinanderzuhalten.

Da ich noch nicht verstanden habe, wozu das Auseinanderhalten gut ist
(außer im Rahmen einer individual-psychologischen "Untersuchung"),

Weil es nicht nur in einer solche Psycho-Session um die konkreten Menschen 
geht, sondern weil das z.B. auch (meine These) das Besondere der FS ist. 
Genaugenommen kann man da nicht viel verallgemeinern - ausser eben das: 
die Leute bringen sich mit je ihrer Konkretheit ein. Der Rest ist 
Statistik, die nicht viel sagt (wie immer).

verstehe ich auch noch immer nicht, was da auseinanderzuhalten ist
(wenn ich zum Beispiel über die Entwicklung der ganzen Gesellschaft
jenseits des je-individuellen Horizontes ihrer Mitglieder nachdenken
will):

Wenn es dir nur um Gesellschaftstheorie geht, dann hast du recht.

-- Auseinanderhalten des imaginären "Karl-Heinz als Mensch" einerseits
und des realen "Karl-Heinz als komplexe Real-Konkretion verschiedener
real-abstrakter Bestimmungen" andererseits? (oder so?)

Dann musst du aber auch die Karl-Heinze völlig zur Seite legen.

 >> Zentral beim Verstaendnis des Verhaeltnisses von objektivem
 >> Interesse (bei dem eine "dritte" Person problemlos den Standpunkt
 >> der "ersten" einnehmen kann) zum konkreten Menschen inklusive
 >> dessen subjektiven Praeferenzen (die nur er benennen kann) ist das
 >> Woertchen "insofern": _Insofern_ er ein biologisches Wesen ist,
 >> hat er ein unabhaengig von subjektiven Praeferenzen bestimmbares
 >> gesundheitliches Interesse.  Raucht er Zigaretten, warum auch
 >> immer, geht's ihm _gesundheitlich_ schlechter (da sieht man: Nix
 >> Transzendenz, er _ist_ ein biologisches Wesen).
 >
 > Auch hier geht es nicht um Karl-Heinz, sondern um ein Biowesen, das
 > du von Drittstandpunkt anguckst. Das Menschen genau so - IMHO
 > menschenunwürdig - von der herrschenden Medizin betrachtet werden,
 > ist Ausdruck des genuin menschenunwürdigen Kapitalismus. Dort sind
 > Menschen eben nur Biowesen, Kostenfaktoren, Zahlen auf dem Papier
 > usw. - kurz Realabstraktionen wie der Wert.
 >
 > Welchen _Grund_ Karl-Heinz hat, zu rauchen, interessiert keine
 > Socke.

Heißt das jetzt, daß Karl-Heinz "als Mensch" keine gesundheitlichen
Probleme haben kann, sondern nur als "Biowesen" bzw. als
"Charaktermaske Patient"?

Wie kommst du darauf? Ich habe so ziemlich das Gegenteil gemeint: Ob für 
Karl-Heinz das Rauchen ein Problem ist, oder eine Entlastung oder 
sonstwas, entscheidet er. Im Gesundheitswesen spielt das aber gerade 
keine Rolle.

Nur weil ich seine gesundheitlichen Probleme nicht mit bilogischem
oder medizinischem Zauber, der von allem anderen absieht, lösen kann,
sagst Du, daß er die von der Biologie bzw. Medizin festgestellten
Probleme (oder Merkmale oder Eigenarten) "als Mensch" gar nicht hat?

Ja, als Karl-Heinz sieht er das vielleicht ganz anders. Es gibt auch hier 
keinen determinierten Zusammenhang (auch keinen umgekehrten: er kann es 
ja auch genauso sehen, wie die Medizin).

 > Allgemeiner: Was ich ausdrücken will, ist meine Beobachtung, dass
 > die Erkenntnisformen dieser Gesellschaft, so wie du sie hier
 > verwendest, ihre Gedankenformen widerspiegeln: Die Bewegung des
 > Wert als Realabstraktion erscheint wieder in der Theorie; sie kann
 > daher den Rahmen dieser Gesellschaft nicht überschreiten. Da ich
 > aber genau das will, muss ich zunächst mal versuchen, genau das zu
 > erkennen, um es zu kritisieren, um es aufzuheben. Ob mir das
 > gelingt, weiss ich nicht. Ich meine nur, mit der
 > erkenntnistheoretischen Unterscheidung von Standpunkt erster Person
 > und dritter Person da weiter gekommen zu sein. In der dritten
 > Person spiegelt sich die Realabstraktion, die der Wert als
 > universelles Formprinzip dieser Gesellschaft setzt.

Das verstehe ich ein bischen ;-) Aber irgendwie klingt es auch wie
"Mein Reich ist nicht von dieser Welt" -- wie soll denn die
Vermittlung, der Übergang der Gedankenformen aussehen?

Dazu hat Matti anderenmails einige Überlegungen angestellt, die ich 
spannend fand und kommentiert habe.

 Auf welcher
Basis sollen sich die aus ihren Leute aus ihren "real-abstrakten
Charaktermasken" herausreißen? -- Doch nicht einfach indem sie von
jenen abstrahieren? Oder?

Da es hier ja um Theorie geht: Zunächst mal dadurch, dass wir eine Theorie 
haben, die den Individual-Standpunkt unnivelliert zur Geltung kommen 
lässt. Das heisst, eine emanzipatorische Theorie kann nicht abstraktiv 
mit den Menschen umgehen. Eine harte Forderung, ab dahinter sehe ich kein 
Zurück.

Wie die jeweiligen Leute das dann konkret machen, kann ich dir nicht 
beantworten - ganz geht logisch im Rahmen meiner Überlegungen nicht. Ich 
kann an dieser Stelle immer nur davon erzählen, wie ich mit den von mir 
erlebten Widersprüchen umgehe und vorschlagen, dass andere ihre Varianten 
nennen, so dass wir daraus einen Raum von Möglichkeiten gewinnen. Der 
Möglichkeitsraum ist damit objektiv, wer aber was daraus "nimmt", ist 
nicht objektiv zu bestimmen.

Ciao,
Stefan

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