Re: [ox] Selbstentfaltung ohne Vereinnahmung - Beispiel
- From: Sven Reumann <sven_reumann web.de>
- Date: Tue, 19 Aug 2003 16:46:41 +0200
Moin, Moin,
Stefan Merten schrieb:
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Hi Heinz und Liste!
Eigentlich hatte ich den Thread schon abgelegt, aber irgendwie hat
mich das nicht los gelassen.
3 weeks (24 days) ago Heinz Weinhausen wrote:
Computergesteuerte Maschinen haben wir noch nicht angedacht.
Obwohl euch die bei eurer alterschwachen Mühle - ähm: LKW - vermutlich
sogar gute Dienste leisten könnten: Mit entsprechenden Messmaschinen
könntet ihr die defekten Bauteile vermessen um sie dann mit geeigneten
Fabbern neu herstellen zu lassen. Das Ende des Flickwerks...
Das ist eben der Unterschied zur Freien Software, um freie Software zu
schreiben braucht es nicht viel mehr als einen Computer, kann auch
gebraucht sein und eine durchschnittliche Linux-Distri plus, einen
Internetanschluss. Ich weiss nicht was so ein Fabber kostet aber sicher
mehr als ein Compi plus Linux. Im Bereich der materiellen Produktion
ist es eben ungleich schwieriger, auch nur anzufangen. In beiden Fällen
braucht man natürlich, auch Know How. Auch hier hat man im Bereich der
Freien Software Vorteile. Ich weiß nicht, wie es geht? O´Reilly wird es
schon richten und natürlich gibt es massenweise Material im Netz,
Mailinglisten, Foren etc. Und kommt man selbst nicht weiter hat man es
zumindest leichter jemand zu finden, der/die sich auskennt. Im Bereich
der materiellen Produktion wüsste zumindest ich, noch nicht einmal wo
ich anfangen soll. Von Fabbern habe ich zum ersten mal hier auf der
Liste gehört, mir ist immer noch nicht klar, was damit geht und was
nicht. Um etwas als Lösung für ein Problem zu sehen, braucht es schon
eine gehörige Menge an Vorwissen.
Knackpunkt bei uns ist, dass wir die Technik insofern beherrschen, dass
wir lernen, einfache bis mittlere Störungen selbst zu beheben,
Das ist mein Problem mit Projekten wie der SSM: Es findet auf
handwerklichem Niveau statt. Da können einfache bis mittlere Störungen
gerade noch behoben werden. Und da es alles in Subsistenz geschehen
muss - äußere Mittel stehen ja nicht zur Verfügung - reduziert sich
das auch noch auf das Wissen, das gerade zufällig ins Projekt gespült
wurde, oder ohne besondere Ausbildung autodidaktisch zu erwerben ist.
Auf diesem Niveau ist die komplexe Technik, die heute Standard ist, -
wie ihr selbst feststellt - nicht zu beherrschen geschweige denn
weiter zu entwickeln.
Schon richtig, aber was folgt daraus. Wo ist die Alternative? Man muß
halt mit den Techniken arbeiten, die gerade da sind.
Der andere tiefere Grund ist, dass ihr eben aus der Arbeit als Fron
nicht rauskommt. Legion sind die Schilderungen, wie toll es in der SSM
klappt, das Leiden zu verteilen. Ich kann - Gemeinschaft hin oder her
- - an der Verteilung von Leiden nichts Tolles finden - und schon gar
keine Überwindungsperspektive erkennen. Leiden gehört abgeschafft oder
zumindest minimiert - und nicht zelebriert.
Wer zelebriert was? Warst Du mal da? Hast Du dort mal mitgemacht? Woher
stammt Dein "Wissen"?
Mit der permanenten Peitsche des Untergangs bedroht schafft ihr es
nach eigener Schilderung eben gerade, das Leiden namens Arbeit
halbwegs gleichmäßig zu verteilen und brüstet euch noch damit, jede
Lebensäußerung in Arbeit zu verwandeln. Das soll's sein?
Unter den herrschenden Bedingungen wird zunächst einmal jeder
alternative Ansatz von der "permanenten Peitsche des Unterganges"
bedroht sein, das darf aber kein Grund sein, solche Ansätze nicht zu
unternehmen. Und drückende Bedingungen gemeinsam zu meistern ist etwas
zutiefst emanziptorisches, gerade in unserer Zeit der Vereinzelung.
Warum schafft ihr nicht aus eurer Selbstentfaltung heraus einen
Überfluss wie es in der Freien Software geschieht? Die Frage ist
durchaus Ernst gemeint und zielt darauf, die Unterschiede zwischen SSM
und Freier Software zu betachten.
Entschuldige, aber das scheint mir hoffnungslos naiv und unrealistisch
zu sein. Aber wir sprechen hier von materieller Produktion, von der
Frage : Was esse ich? Wo schlafe ich? Wie kleide ich mich? Das irgend
ein selbstorganisiertes Projekt auf sich gestellt ein Produktionsniveau
auf Höhe des derzeitigen Kapitalismus erreichen könnte, scheint mir
nahezu unmöglich.
da wir
uns sonst zu sehr vom Geldmarkt abhängig machen
Ihr macht euch nicht nur nicht vom Geldmarkt abhängig, sondern nehmt
euch auch die Chancen, die Arbeitsteilung bietet. Nur die Teilnahme an
einem arbeitsteiligen Gesamtproduktionsprozess kann heute die
materielle Lebensqualität sichern, hinter die zurück nur harsche
Verzichtsideologie führt.
Ich halte es durchaus für erstrebenswert zu lernen mit wenig materiellen
Mitteln glücklich und in Würde zu leben. Wenn die Grundbedürfnisse
erfüllt sind und darüber hinaus noch Raum bleibt fpr selbstbestimmte
Tätigkeiten z.B. Freie Software, Musik, Literatur oder einfach nur Muße,
dann ist das ein Gewinn. Wenn die notwendige Arbeit nicht unter der
Knute eines Chefs geschieht, sondern durch die freien Vereinbarungen
unter Gleichen geschieht dann ist das ein Gewinn. Davon ausgehend kann
man dann den materiellen Lebensstandard geduldig steigern.
Die Teilnahme an einem arbeitsteiligen Gesammtproduktionsprozess kann
in diesem Fall doch nur heißen, es müßte viele solche Initiativen wie
die SSM geben, die unterschiedliche Schwerpunkte haben und untereinander
Güter und und Dienstleistungen austauschen ohne dabei in
Marktbeziehungen zurück zu fallen. D.h. die Menschen müssen lernen ihre
sozialen Beziehungen sehr bewusst zu gestalten, dazu gehört auch der
Austausch von Gütern und Dienstleistungen. Tun sie das nicht, setzten
sich naturwüchsig wieder Markt und Geldbeziehungen durch.
Gruppen wie die SSM gehen zumindest mal eien Schritt in die richtige
Richtung, weil sie zumindest intern den Marktbezug minimieren und
Menschen die Chance bieten ich ein Stück weit von den herrschenden
Strukturen zu lösen. Die Frage scheint mir zu sein, wie kann man mehr
von diesen Gruppen bilden kann und wie sich die Beziehung dieser
Gruppen untereinander so gestalten, läßt das sie zusammen mehr wuppen.
und wir stets eher zu
wenig Geld haben (was aus antipolitischer Sicht gut und vorwärtstreibend
ist).
Es ist in eurem Fall nicht vorwärtstreibend, weil es keinen Ersatz für
das gibt, was das Geld (noch) zu leisten im Stande ist.
Was kann denn das Geld ersetzen? Doch nur die bewußte Gestaltung der
Produktionsbeziehungen, s.o.
Das ist bei
Freier Software anders. Da ist in der Doppelt Freien Software die
Abwesenheit von Geld sogar *Bedingung* für die Selbstentfaltung - und
nicht der Zwang sich zu den Verhältnissen irgendwie zu verhalten.
Da blendest Du aber aus, das auch Programierer essen müssen, sie müssen
irgendwo wohnen und, umd, und. Bisher konnten sie das abdecken, weil
sie gut bezahlte Jobs hatten und Freie Software als Hobby schrieben, an
Universitäten arbeiteten oder sogar von Firmen gesponsort wurden. Keine
dieser Möglichkeiten scheint mir langfristig eine Perspektive zu bieten.
Meine Hoffnunist das es künftig mehr Gruppen wie die SSM gibt und das es
innerhalb solcher Gruppen freie Software geschrieben wird. In Anlehnung
an Deine Formulierung, Stefan, würde ich das als "Dreifach Freie
Software" nennen: 1. Formal frei (GPL), 2. Aus Selbstentfaltung
motiviert geschrieben. 3. Gestützt und getragen von freien und
selbstbestimmten sozialen Beziehungen.
In anderen Worten meine generelle (Hypo)These: Stofflich-produktiver
Reichtum gibt in einem Entkoppelungsprojekt nur Sinn, wenn parallel dazu
die geistige Produktivkraftentwicklung einhergeht. Lieber kleine
Brötchen backen als gar keine. Langsam steigern.
Deinem letzten Satz kann ich durchaus zustimmen, aber was sind denn die
kleinen Brötchen.?
Na, ich bin da nicht so sicher. Die SSM ist sicher eine feine Sache,
aber ich würde sie heute nicht mehr als perspektivenreichen Ansatz
begreifen.
Ich hoffe Denkanstösse in die gegenteilige Richtung gegeben zu haben.
Gruss Sven
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