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Re: [ox] Selbstentfaltung ohne Vereinnahmung - Beispiel



Hi Sven et al!

3 weeks (26 days) ago Sven Reumann wrote:
Stefan Merten schrieb:
Obwohl euch die bei eurer alterschwachen Mühle - ähm: LKW - vermutlich
sogar gute Dienste leisten könnten: Mit entsprechenden Messmaschinen
könntet ihr die defekten Bauteile vermessen um sie dann mit geeigneten
Fabbern neu herstellen zu lassen. Das Ende des Flickwerks...

Das ist eben der Unterschied zur  Freien Software, um freie Software zu
schreiben braucht es nicht viel mehr als einen Computer, kann auch
gebraucht sein und eine durchschnittliche Linux-Distri  plus, einen
Internetanschluss. Ich weiss nicht was so ein Fabber kostet aber sicher
mehr als ein Compi plus Linux.  Im Bereich der materiellen Produktion
ist es eben ungleich schwieriger, auch nur anzufangen.

Eben. Warum kann die Quintessenz nicht heißen, es dann eben erstmal
auf diesem Gebiet zu lassen, anstatt sich in endloser Wurschtelei
durch zu beißen?

In beiden Fällen
braucht man natürlich, auch Know How. Auch hier hat man im Bereich der
Freien Software Vorteile. Ich weiß nicht, wie es geht? O´Reilly wird es
schon richten und natürlich gibt es massenweise Material im Netz,
Mailinglisten, Foren etc. Und kommt man selbst nicht weiter hat man es
zumindest leichter jemand zu finden, der/die sich auskennt. Im Bereich
der materiellen Produktion wüsste zumindest ich, noch nicht einmal wo
ich anfangen soll. Von Fabbern habe ich zum ersten mal hier auf der
Liste gehört, mir ist immer noch nicht klar, was damit geht und was
nicht.  Um etwas als Lösung für ein Problem zu sehen, braucht es schon
eine gehörige Menge an Vorwissen.

Oder den (selbstentfalteten) über das Internet in dein Haus gespülten
Prozess, der das KnowHow in Form handlicher Steuerprogramme für
CNC-Maschinen oder CAD-Daten für den Fabber in dein Wohnzimmer spült.

Knackpunkt bei uns ist, dass wir die Technik insofern beherrschen, dass
wir lernen, einfache bis mittlere Störungen selbst zu beheben,

Das ist mein Problem mit Projekten wie der SSM: Es findet auf
handwerklichem Niveau statt. Da können einfache bis mittlere Störungen
gerade noch behoben werden. Und da es alles in Subsistenz geschehen
muss - äußere Mittel stehen ja nicht zur Verfügung - reduziert sich
das auch noch auf das Wissen, das gerade zufällig ins Projekt gespült
wurde, oder ohne besondere Ausbildung autodidaktisch zu erwerben ist.
Auf diesem Niveau ist die komplexe Technik, die heute Standard ist, -
wie ihr selbst feststellt - nicht zu beherrschen geschweige denn
weiter zu entwickeln.

Schon richtig, aber was folgt daraus. Wo ist die Alternative? Man muß
halt mit den Techniken arbeiten, die gerade da sind.

Muss mensch? Wäre es nicht sinnvoller, sich perspektivenreiche Themen
zu überlegen und sich dort zu engagieren, anstatt sich im täglichen
Kleinkrieg gegen die Tücken alterschwacher Gerätschaft zu
verschleißen?

Mit der permanenten Peitsche des Untergangs bedroht schafft ihr es
nach eigener Schilderung eben gerade, das Leiden namens Arbeit
halbwegs gleichmäßig zu verteilen und brüstet euch noch damit, jede
Lebensäußerung in Arbeit zu verwandeln. Das soll's sein?


Unter den herrschenden Bedingungen wird zunächst einmal jeder
alternative Ansatz von der "permanenten Peitsche des Unterganges"
bedroht sein,

Definitiv Nein. Wird die Keimform zur wichtigen
Entwicklungsperspektive *innerhalb* des alten Systems, dann ist sie
tendenziell nicht mit der "Peitsche des Unterganges" bedroht. Auf die
SSM übertragen: Würde Daimler die SSM für unverzichtbar für ihre
LKW-Sparte halten, dann würde ich die SSM für eine Keimform halten.

das darf aber kein Grund sein, solche Ansätze nicht zu
unternehmen.  Und drückende Bedingungen gemeinsam zu meistern ist etwas
zutiefst emanziptorisches, gerade in unserer Zeit  der Vereinzelung.

Ich fände es im emanzipatorischen Sinne sinnvoller, sich Felder
auszusuchen, die viel versprechend sind. Und an meiner eigenen
Beispiel kann ich sagen, dass ich hier meine Meinung ziemlich
fundamental geändert habe. Dass dieser Widerspruch zu sich selbst, in
den mensch dann gerät, durchaus schwer fallen kann, wird ja von Linken
gerne in Bezug auf die Normalos beklagt...

Warum schafft ihr nicht aus eurer Selbstentfaltung heraus einen
Überfluss wie es in der Freien Software geschieht? Die Frage ist
durchaus Ernst gemeint und zielt darauf, die Unterschiede zwischen SSM
und Freier Software zu betachten.

Entschuldige, aber das scheint mir hoffnungslos naiv und unrealistisch
zu sein.

Eben. Deswegen kann die SSM keine Perspektive für eine
emanzipatorisches Projekt sondern "nur" ein Dammbauprojekt sein - ist
ja auch schon was.

Aber wir sprechen hier von materieller Produktion, von der
Frage : Was esse ich? Wo schlafe ich? Wie kleide ich mich?

Diese Fragen sind im Kapitalismus nachgeordnet. Die wichtige Frage ist:
Woher bekomme ich mein Geld. Wenn die Frage, "Was esse ich?" im
Mittelpunkt stünde, dann wäre der Kapitalismus das Paradies, weil die
Antwort darauf jeder Supermarkt in überreichem Maß bietet.

Das irgend
ein selbstorganisiertes Projekt auf sich gestellt ein Produktionsniveau
auf Höhe des derzeitigen Kapitalismus erreichen könnte, scheint mir
nahezu unmöglich.




da wir
uns sonst zu sehr vom Geldmarkt abhängig machen



Ihr macht euch nicht nur nicht vom Geldmarkt abhängig, sondern nehmt
euch auch die Chancen, die Arbeitsteilung bietet. Nur die Teilnahme an
einem arbeitsteiligen Gesamtproduktionsprozess kann heute die
materielle Lebensqualität sichern, hinter die zurück nur harsche
Verzichtsideologie führt.

Ich halte es durchaus für erstrebenswert zu lernen mit wenig materiellen
Mitteln glücklich und in Würde zu leben. Wenn die Grundbedürfnisse
erfüllt sind und darüber hinaus noch Raum bleibt fpr selbstbestimmte
Tätigkeiten z.B. Freie Software, Musik, Literatur oder einfach nur Muße,
dann ist das ein Gewinn. Wenn die notwendige Arbeit nicht unter der
Knute eines Chefs geschieht, sondern durch die freien Vereinbarungen
unter Gleichen geschieht  dann ist das ein Gewinn.

Was du in den Vordergrund stellst, würde ich als Abschaffung von
Entfremdung bezeichnen. Das ist gut und wichtig, ja.

Davon ausgehend kann
man dann den materiellen Lebensstandard geduldig steigern.

Dazu musst du aber auf der Höhe der Produktivkraftentwicklung sein.
Sonst senkt sich das eher.

Die Teilnahme an einem arbeitsteiligen  Gesammtproduktionsprozess kann
in diesem Fall doch nur heißen, es müßte viele solche Initiativen wie
die SSM geben, die unterschiedliche Schwerpunkte haben und untereinander
Güter und und Dienstleistungen austauschen ohne dabei in
Marktbeziehungen zurück zu fallen. D.h. die Menschen müssen lernen ihre
sozialen Beziehungen sehr bewusst zu gestalten, dazu gehört auch der
Austausch von Gütern und Dienstleistungen. Tun sie das nicht, setzten
sich naturwüchsig wieder Markt und Geldbeziehungen durch.

Und was schätzt du, wie viele Initiativen es in der Vergangenheit dazu
gegeben hat? Keine davon ist auch nur ansatzweise gelungen und viel
versprechende (z.B. Wespe in Neustadt/Weinstraße, Projekt A) gibt es
nicht mehr.

Die Preisfrage ist jetzt, warum das so ist. Ich halte es für ein durch
und durch idealistisches Argument, zu sagen, dass die Leute nur nicht
heftig genug gewollt hätten. Aus meiner eigenen Erfahrung das genaue
Gegenteil: Diese Leute haben sogar vor allem gewollt - und immerhin
auch gemacht.

Wichtiger aber: Diese Projekte hatten schlicht keine Ausstrahlung auf
die umgebende Gesellschaft. Sogar wo dies erklärtes Ziel war sind die
Projekte immer Fremdkörper geblieben. Für mich ein klarer Hinweis,
dass diese Projekte für viele offenbar entscheidende Qualitäten nicht
zu bieten hatten.

Freie Software ist da anders. Es ist keine Moral nötig, um Freie
Software nützlich zu finden - sie bietet einfach mehr Qualität, die
den Leuten wichtig ist.

Gruppen wie die SSM gehen zumindest mal eien Schritt in die richtige
Richtung, weil sie zumindest intern den Marktbezug minimieren und
Menschen die Chance bieten ich ein Stück weit von den herrschenden
Strukturen zu lösen. Die Frage scheint mir zu sein, wie kann man mehr
von diesen Gruppen  bilden kann und wie sich die Beziehung dieser
Gruppen untereinander so gestalten, läßt das sie zusammen mehr wuppen.

30 Jahre solcher Versuche in Deutschland zeigen m.E.: Gar nicht.

und wir stets eher zu
wenig Geld haben (was aus antipolitischer Sicht gut und vorwärtstreibend
ist).



Es ist in eurem Fall nicht vorwärtstreibend, weil es keinen Ersatz für
das gibt, was das Geld (noch) zu leisten im Stande ist.

Was kann denn das Geld ersetzen? Doch nur die bewußte Gestaltung der
Produktionsbeziehungen, s.o.

Eine ältere Frage, die wir auch schon mal hatten: Gibt es so etwas wie
ein automatisches Subjekt in der GPL-Gesellschaft? Wenn Ja: Gut oder
schlecht? Wird in der Freien Software alles durch bewusste Gestaltung
geregelt? Ich meine nicht. Standards spielen eine wichtige Rolle, aber
die würde ich nochmal auf einer anderen Ebene sehen - oder? Eine
eigene Diskussion, die wir auch mal wieder aufrollen könnten.

Das ist bei
Freier Software anders. Da ist in der Doppelt Freien Software die
Abwesenheit von Geld sogar *Bedingung* für die Selbstentfaltung - und
nicht der Zwang sich zu den Verhältnissen irgendwie zu verhalten.


Da blendest Du aber aus, das auch Programierer  essen müssen, sie müssen
irgendwo wohnen und, umd, und. Bisher  konnten sie das abdecken, weil
sie gut bezahlte Jobs hatten und Freie Software als Hobby schrieben, an
Universitäten arbeiteten oder sogar von Firmen gesponsort wurden. Keine
dieser Möglichkeiten scheint mir langfristig eine Perspektive zu bieten.

Warum nicht? So lange der Kapitalismus existiert ist das doch ok -
oder?

Meine Hoffnunist das es künftig mehr Gruppen wie die SSM gibt und das es
innerhalb solcher Gruppen freie Software geschrieben wird. In Anlehnung
an Deine Formulierung, Stefan, würde ich das als "Dreifach Freie
Software" nennen: 1. Formal frei (GPL), 2. Aus Selbstentfaltung
motiviert geschrieben. 3. Gestützt und getragen von freien und
selbstbestimmten sozialen Beziehungen.

Dreifach Freie Software ist auf jeden Fall eine sehr schöne
Begriffsbildung :-) . Aber ich fürchte heute ist bestenfalls 2 1/4
Freie Software möglich :-( .

In anderen Worten meine generelle (Hypo)These: Stofflich-produktiver
Reichtum gibt in einem Entkoppelungsprojekt nur Sinn, wenn parallel dazu
die geistige Produktivkraftentwicklung einhergeht. Lieber kleine
Brötchen backen als gar keine. Langsam steigern.

Deinem letzten Satz kann ich durchaus zustimmen, aber was sind denn die
kleinen Brötchen.?

Der Satz war von Heinz. Mein Motto ist inzwischen mehr: Think Big.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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