Re: [ox] Warenform und Rechtsform, war: License for a Wiki
- From: Hans-Gert Gräbe <graebe informatik.uni-leipzig.de>
- Date: Thu, 07 Apr 2005 11:12:19 +0200
Lieber Franz,
du schreibst
Ich muß meine Zweifel anmerken ob die Rechtsform ein überhistorisch
gültiger Weg ist die sozialen Verhältnisse der Menschen zu regeln.
Das Recht beruht auf der Trennung von handelnden Personen - denen eine
Ordnung stiftende Gewalt gegenübertritt.- und den Modi ihres Verkehrs. Es
beruht auf der Differenz zwischen "spontaner Handlung" und kodifiziertem
"Sollen". Würde es diese Differenz problematisieren, würde es sich selbst
als Recht abschaffen. Statt Erklärung droht Sanktion.
Zweiteres bezieht sich definitiv auf heutiges innerstaatliches Recht.
Dem stehen deutliche Erfahrungen mit Governance-Ansätzen gegenüber, die
- wenigstens von der theoretischen Konstruktion her - ohne so was wie
ein Gewaltmonopol auskommen.
Wenn du ersteres im Sinne von "kodifizierte Umgangsformen" auffasst (so
verstehe ich den Rest deiner mail), dann halte ich _diese_ *Art* der
Konfliktaustragung, nämlich Typisierung und Anwendung eines
Behandlungsschemas, innerhalb dessen der Konflikt ausgetragen wird, für
etwas überhistorisch Zivilisatorisches.
Gerade die starke Fixierung der Diskussion hier auf der Liste auf
Selbstentfaltung blendet solche Fragen weitgehend aus (lasse ich hier
mal so provokativ stehen). Eine solche Selbstentfaltung ist ohne ein
gewisses Maß an verantwortungsbeladener Verbindlichkeit in Form von
belastbarer Versprechen (einer subtilen Mischung von "Sollen" und in die
Zukunft gerichtetem "Wollen") nicht denkbar. Da andere die eigenen
Versprechen auf der Verbindlichkeit anderer Versprechen aufbauen, löst
ein - aus welchen Gründen auch immer - gebrochenes Versprechen eine
"exception" aus, die behandelt werden muss. Dazu ist Recht m.E. primär da.
Eine "vernünftige Verrechtlichung" kann es überhaupt nur gegenüber
gewaltsam ausgetragenenen Interessensgegensätzen geben, das Recht löst
diese Interessensgegensätze aber gerade nicht auf, es kodifiziert den
Gegensatz und verewigt ihn.
Nein, es kodifiziert den Gegensatz gerade, um ihn _nicht_ zu verewigen,
sondern den gesellschaftlich notwendigen Aufwand zu dessen "Behandlung"
zu minimieren.
Viele Grüße, HGG
--
Prof. Dr. Hans-Gert Graebe, Inst. Informatik, Univ. Leipzig
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