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[ox] politische Forderungskataloge versus Arbeitsprogramme, war "vertrackte..."



Hans Gert on Montag, 12. September 2005 at 11:39 Uhr [PHONE NUMBER REMOVED] wrote:
Franz Nahrada wrote:
Meines Erachtens ist es ein Armutszeugnis, wenn weithin um die Welt die
"10 things should be free" von Wikipedia Begründer Jiombo Wales - 
http://www.lessig.org/blog/ - diskutiert werden und die Oekonux
Community
kaumt mal einen Gedanken an eine solch pragmatische Sichtweise
verschwendet hat.

HGG:

Habe ich leider dort nicht gefunden, aber haben die was mit Eben Moglens
7 Punkten zu tun?

Nun, das glaube ich nicht. Moglen stellt Forderungen an ein politisches
Subjekt auf, während sich J.Wales an die Community selbst richtet und sich
überlegt welche neuen Ziele es geben könnte. Insoferne haben die beiden
Vorschläge komplett verschiedene Qualität, wenngleich sie beide ansonsten
für mich plausibles und skurilles mischen.(so plädiert er ausgerechnet für
die freie Verfügbarkeit der Fernsehprogramme als Community
entwicklungsprojekt, also WikiTividia) Ich will mir gar nicht anmaßen das
jetzt weiter zu beurteilen, aber schon dieser Unterschied ist bedeutsam.
Mir erscheint das im kollektiven handlungskontext einer Community
einholbar.

Ich meine daß die Oekonux Community vielleicht eine Rolle von "pathfinder"
und "awareness builder" kriegen sollte, *welche* freien Projekte
moralische Unterstützung, persönliches Engagement und allgemeine
Aufmerksamkeit verdienen. Das hat nichts mit dem Durchbrechen des Prinzips
der Freiheit und Vorschriftenmachen zu tun, es geht einfach um eine
nützliche Hilfestellung die Menschen ab und zu mal wertschätzen, wenn sie
Entscheidungen zu treffen haben. Das würde den Debatten die wir führen
sehr viel mehr Sinn und Richtung geben. Zum Beispiel so eine Zehn Punkte
Oekonux hitlist, meinetwegen mit monatlicher Abstimmung aber zugleich mit
permanenter Diskussion, das wär was!

In diesem ganz bescheidnen Sinn plädiere ich unser Selbstverständnis vom
"Theorieprojekt" im Richtung "politisches Projekt" zu erweitern, aber
gerade nicht in dem Sinn des appellatorischen Forderungskatalogs wie es
zum Beispiel bei Moglen der Fall ist. Sage mal vorsichtig: das machen
andere schon mehr oder weniger erfolgreich und beziehen sich da mit mehr
oder weniger Idealismus auf die Politik. (siehe ganz unten im PS drei
goldene Absätze von Meinhard Creydt  die gerade in der Liste Wertkritik
gepostet wurden und hier nur den Satz " Idealistisch wird 'Verantwortung
übernommen' für politisch gar nicht Gestaltbares")

Ich poste sie hier mal aus dem Dot Communist Manifesto.

noch ein paar Kommentare dazu


  1. Abolition of all forms of private property in ideas.

Ich würde gefühlsmäßig natürlich sofort sagen daß das Prvateigentum an
Ideen eine Schranke ist, aber es positiv formulieren: Wissen muß als
partizipative Ressource organisiert werden und der Anreiz verstärkt
werden, es in dieser Form zu generieren, zu systematisieren usw. Das ist
nicht dasselbe wie die abstrakte Abschaffung des Privateigentums an Ideen
unter den Bedingungen des Privateigentums.

  4. Common social development of computer programs and all other forms
of software, including genetic information, as public goods.

Auch das empfinde ich gefühlsmäßig als richtig, wir wissen aber daß die
Entwicklung sehr stark von der individuellen Ebene getrieben wird und
immer mehr die Rolle des Individuums und seiner Fähigkeiten fördert. Der
Apell an (den Staat? - wen eigentlich) eine imaginäre Gemeinschaft geht
haarscharf an der Entwicklungsproblematik vorbei. Aber vielleicht käßt
sich das in der kürze auch nicht besser formulieren.


  2. Withdrawal of all exclusive licenses, privileges and rights to use
of electromagnetic spectrum. Nullification of all conveyances of
permanent title to electromagnetic frequencies.

  3. Development of electromagnetic spectrum infrastructure that
implements every person's equal right to communicate.

Widerspricht sich das nicht ein wenig? Außerdem liest sich das relativ
atavistisch gegenüber dem tatsächlichen Entwicklungsstands des Internet.


  5. Full respect for freedom of speech, including all forms of
technical speech.


  6. Protection for the integrity of creative works.

Richtiger wäre: Documentation and recognition of integrity and authorship
of creative works plus opportunity to unlimitly exploit them by
deconstructing and reconstructing them.


  7. Free and equal access to all publicly-produced information and all
educational material used in all branches of the public education system.

Das ist die erste Forderung die sich an den Staat als Subjekt der
bisherigen Organisation der Gesellschaft richtet und zugleich von ihm
selbst erfüllbar ist.


In den Staaten ist in der Richtung viel in Bewegung und große
Universitäten wie MIT stehen in der ersten Reihe. Aber in Deutschland ja
inzwischen auch (Stichwort: Urheberrechtsbündnis)

Das Thema Urheberrecht versus Copyright Fragezeichen haben wir in der
Liste schon oft gehabt aber ich empfinde es als noch nicht wirklich
ausdiskutiert (siehe oben meine Annotation zum 6.Punkt)

Franz


PS  weils so schön und wahr ist ist:

"WERKTÄGLICHE UND SONNTÄGLICHE BESCHÖNIGUNGEN 
Parlamentarische Politik und Demokratie verhalten sich zu den mit der
herrschenden Arbeitsteilung, der Konkurrenz und den Entwicklungskriterien
des Reichtums implizierten Spaltungen, Hierarchien, Bornierungen und
Eigendynamiken, indem sie "sich auf eine abstrakte und beschränkte,
partielle Weise über diese Schranken erheben" (MEW 1,354). Die
Stilisierung des Wahlvolkes zum politischen Souverän bei gleichzeitiger
Vorentscheidung seiner Geschicke durch den 'stummen Zwang der
Verhältnisse' führt zur Wahrnehmung der gesellschaftlichen Wirklichkeit im
Wechselspiel zwischen Idealismus und Positivismus. Charakteristisch ist
hier die Verdoppelung des Menschen "nicht nur im Gedanken, im Bewusstsein,
sondern in der Wirklichkeit" zu "einem himmlischen und einem irdischen
Leben" (MEW 1/355). Der politisierende Staatsbürger avanciert zu einem
"imaginären Glied einer eingebildeten Souveränität", ausgestattet mit
"einer unwirklichen Allgemeinheit" (ebd.). 

Idealistisch erscheint die herrschende Politik nicht als Durchsetzung der
ökonomischen und staatlichen Notwendigkeiten einer kapitalistischen
Gesellschaft. Vielmehr wird der Politik die Orientierung an
allgemeinmenschlichen Idealen, an "visions and missions" zugeschrieben, so
dass es in diesem moralischen Schönheitswettbewerb immer um mehr geht als
das, was sie praktiziert. Walter Mossmann hat 1988 solche Perspektiven als
"die Vortäuschung räumlicher Tiefe auf einer platten Fläche"
charakterisiert. Positivistisch mutet kapitalismusspezifisch Begründetes
als sachliche Randbedingung jedweden sozialen Handelns an. Idealistisch
wird 'Verantwortung übernommen' für politisch gar nicht Gestaltbares und
Politiker schreiben sich Steuerungskompetenz und Zuständigkeit zu.
Positivistisch erscheint die kapitalistische Ökonomie als
industriegesellschaftliche, moderne Faktizität, die allenfalls sekundär
modifiziert werden kann. 

Der politisierende Verstand lebt vom Wechsel zwischen der euphorisierenden
Selbstzuschreibung eigener Wirkmächtigkeit und der abgeklärten
Nüchternheit, sich gegen jedwede Kritik durch die Einrede zu immunisieren,
sie unterschätze die 'Sachzwänge'. Die tatsächliche Politik erscheint
schlussendlich als optimaler Kompromiss zwischen dem angeblichen Ziel, dem
Ideal, und den in diesem Horizont als unabänderlich erscheinenden
'Sachzwängen', oder aber es entfaltet sich ein unendlicher Hader über die
Gegensätze zwischen Ideal und Realität. Die Übel erscheinen dem
politischen Positivismus als Resultat idealbeflissener und
realitätsfremder Überansprüchigkeit und gelten dem Polit-Idealismus als
Ausdruck des betriebsblinden Mangels an Idealen."

Meinhard Creydt:    DIE PARLAMENTARISMUSFALLE 
Einwände angesichts der Sympathien für die "Linkspartei"
http://mitglied.lycos.de/MeinhardCreydt/

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



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