[ox] Re: Was ist Kompetenz?
- From: Hans-Gert Gräbe <graebe informatik.uni-leipzig.de>
- Date: Tue, 13 Jun 2006 16:06:15 +0200
Hallo Jac
Jac wrote:
Strukturelle Gewalt kann uns nur solange beherrschen, wie wir in
unserer erzwungenen Persönlichkeitsentwicklung der äußeren
Ordnung die Macht dazu einräumen. Diese strukturelle Gewalt ist in
uns - in Gestalt des 'Über-Ich' - nicht irgendwo da draußen. Ohne
dieses 'Über-Ich' wären wir in den meisten Fällen von Sachzwängen
oder struktureller Gewalt in der Lage, kreativ aus dieser Situation
auszubrechen.
Das halte ich für eine arge Verkürzung, die Hoevels im Übrigen gerade an
den heutigen Reich-Verdammern zentral kritisiert (also der
"nichtrevolutionären" Psychologie) - zu meinen, dass diese Sachen
AUSSCHLIESSLICH im Kopf geschähen.
Macht drückt mangelnden Respekt sich selbst und anderen
Menschen gegenüber aus, mangelnde Einsicht in die Freiheit
und dass die eigene Freiheit an der Freiheit anderer endet.
Da entfernst du dich aber weit von der "revolutionären" Psychoanalyse,
denn die geht ja gerade davon aus, dass die letztendliche psychische
Motivationsschiene NUR im EIGENEN LUSTGEWINN zu suchen ist und es ein
gewaltiger LERNPROZESS ist zu begreifen, dass für diesen eigenen LUST-
(nicht Freiheits!)gewinn die Respektierung und vielleicht sogar
Beförderung der Freiheit anderer konstitutiv sein kann. Wenn du hier
Lust anstelle Freiheit setzt, dann vermeidest du übrigens auch den
Kurzschluss Freiheit=Individualisierung.
Solange das 'Über-Ich' Menschen "regiert", bezweifle ich, ob es
positive Macht überhaupt geben kann.
Was ist bei dir eigentlich das Über-Ich? Ein Wurzelgnom mit eigenem
Willen, den jeder von uns im Kopf hat? Ich spreche in dem Zusammenhang
lieber genauer von den "Über-Ich-Sätzen". Dann wäre mal zu besprechen,
warum die so virulent sind, gerade in dieser Gesellschaft, und ob dieser
Mechanismus der Komplexitätsreduktion (nämlich auf die "innere Stimme"
zu hören statt selbst zu denken - das kann in einer gefährliche
Situation durchaus lebensrettend sein!) vielleicht auch funktional ist.
Kurz, wie das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten wäre ...
Viele Grüße, HGG
--
Prof. Dr. Hans-Gert Graebe, Inst. Informatik, Univ. Leipzig
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