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Re: [ox] Weltliche Religion



Hallo Jacob,

Jac wrote:
Kurz, ich gehe davon aus, dass es auch heute AUCH ASPEKTE GIBT, die FÜR
Verdrängungsmechanismen und all das sprechen. Die *Mechanismen* des
sekundären Krankheitsgewinns machen nicht den Eindruck, als ob es
Deformationen sind, zumal ja genau dieselben Mechanismen in der Kindheit
auch wirken und dort eine starke Stütze zur sozialen Konditionierung
(was ja keineswegs nur negativ zu werten ist) heranwachsender Menschen
sind.

Die Kommunikation wird im Säuglingsalter gestört. Dies formt eine Per-
sönlichkeitsstruktur, die eine bestimmte machtpolitisch strukturierte
Gesellschaftsstruktur braucht.

Aber bitte doch in einem koevolutonären Sinne - die Umstände wirken
normativ auf die Individuen, um sich selbst zu reproduzieren. Und die
Individuen können sich diesem normativen Zugriff nur sehr bedingt
entziehen, innerhalb kleiner Handlungsspielräume.

Diese Bedingungen haben sich historisch herausgebildet - wofür es
offensichtlich mal gute Gründe gab (nämlich Entwicklungsvorteile
machtpolitisch strukturierter Gesellschaftsstrukturen), sonst wären
diese Strukturen nicht entstanden.  Das wäre zunächst mal ganz ruhig und
unvoreingenommen zu analysieren. Einschließlich der Frage, warum damals,
um 1500, die indianischen Kulturen den europäischen,
macht-strukturierten unterlegen waren. Oder wie das Ganze überhaupt
einzuschätzen ist (vielleicht ist ja das "unterlegen" auch nur meine
höchst-persönliche eurozentristische Sicht).

Denn das ist erst am Ende, wenn eine "machtpolitisch strukturierte
Gesellschaftsstruktur" am Ende ist. Eher kommen wir da gar nicht raus,
weil du so lange gegen Windmühlenflügel ankämpfst wie diese
Normierungsmechanismen noch "Saft" haben. Du kriegst - ab zartestem
Säuglingsalter - eins auf deine "Lebendigkeit", so lange Gesellschaft
nicht aus dieser Lebendigkeit einen Entwicklungsvorteil zieht. Erst dann
ist es so weit. Die Frage lautet also: IST ES SO WEIT?

Und weiter ist für mich klar, dass die Antwort auf die Säuglingsfrage
nicht sein kann "zurück zur Natur", weil wir in allen sonstigen
Bereichen der Geo- und Biosphäre auch "Natur" durch "Kultur" abgelöst
haben. So wie du in Mitteleuropa heute keine ausgedehnten Urwaldbestände
mehr findest. Es muss offensichtlich eine in "Kommunikationskultur"
eingebettete "Lebendigkeit" sein im Gegesatz zu einer "Lebendigkeit je
für sich selbst" (die im Übrigen der Säugling mit seinem Kontaktbegehren
schon einfordert - es geht also um ein WIEDERbeleben eines WIR-Gefühls,
das in dieser Gesellschaft aus zu diskutierenden Gründen mächtig unter
die Räder gekommen ist).

Ein differenziertes Ökosystem lebt von einer Vielzahl von Synergien und
besteht eigentlich aus lauter "Nischen" - jede den jeweils ganz
speziellen, gelegentlich selbst reproduzierten Mikrobedingungen
angepasst. Vielleicht sind wir als Gesellschaft auch auf dem Weg zu
einer solchen "Nischengesellschaft"? Könnte ich sehr gut aus dem
Kompetenzansatz erklären. Aber die "Nischen" sind nicht ohne
Gesellschaft zu denken, denn sie konstituieren die Gesellschaft, so wie
sich das Ökosystem aus den Interaktionen der eigenen "Nischen" konstituiert.

Ich lehne diese soziale Konditionierung ab und kann an einer auf Furcht
und Flucht vor der eigenen Lebendigkeit beruhenden sozialen Konditio-
nierung gar nichts Positives finden. 

Sind andere soziale Konditionierungsmechanismen denkbar? Denn ohne
"soziale Konditionierung" im Sinne von Holzkamps "Werkstattpapier" kann
ich das überhaupt nicht denken. Es wird kein Zurück aus
Gesellschaftlichkeit geben. Nur mehr und anders.

Viele Grüße, HGG

-- 

  Prof. Dr. Hans-Gert Graebe, Inst. Informatik, Univ. Leipzig
  Augustusplatz, D-04109 Leipzig, Raum 5-53	
  tel. : +49 341 97 32248
  email: graebe informatik.uni-leipzig.de
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