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Re: [ox-de] Wirtschaftsinformatik



Hallo Ludger,

Am 16.08.2010 22:33, schrieb Ludger.Eversmann t-online.de:
ja Arbeitserleichterungen umsetzen - OK, sicher nicht das Problem,
aber spannend wirds doch eben erst bei dem "Voll" mit der Automation,

Nach dem, was ich bei (Mertens 2005) gelesen habe, kann ich nicht erkennen, dass er "sinnvolle Vollautomation" anders als von mir beschrieben versteht. Das, was Mertens beschreibt (und ich denke, er versucht sich vor allem in einer Zustandsbeschreibung), ist ein im Entstehen begriffenes Wissenschaftsgebiet (schlampige Sprache, ungenaues Profil, elementare Defizite in einzelnen Bereichen - er stellt das eigentlich gut beherrschte Dispositionsproblem dar, welches nicht zum Einsatz kommt; meine Anmerkung dazu: WI hat die Ressourcenebene jenseits der Verfügbarkeitseben kaum im Blick - usw.).

Ich denke, dass Mertens da aus der Warte seiner praktischen Erfahrungen etwas sieht, das in Wirklichkeit größer ist, denn es gibt ja ganz offensichtliche Brücken zur PÖ-Debatte, zu den Selbstentfaltungsansätzen von Oekonux und auch zu den Ansätzen von Franz Nahrada usw. Es geht um ein komplexes Organisationsproblem, zu dem es praktisch bereits viele Erfahrungen gibt, aufarbeiten und theoretisch besser verstehen wollen. Das ist aber m.E. ein Phänomen einer Technologiewelle (aka Kondratjew-Welle) - vergleichbare Phänomene, etwa die Etablierung der Ingenieurwissenschaften, gab es in anderen Technologiewellen auch.

Dein Ansatz bzgl. Wirtschaftsinformatik, wenn ich es recht verstehe, geht darüber hinaus und fordert, dass diese viel grundsätzlicher über die Änderungen nachdenken müsste und damit, wohin die Reise über die verschiedenen Technologiewellen geht. Du schreibst insbesondere

... ob eine Wirtschaftsentwicklung, die in epochaler technologisch
induzierter Massenarbeitslosigkeit resultiert, als ein soundsovielter
Kondratieff verstanden werden kann, das Problem ist doch: wie finden
wir Lösungen, die die Lebensinteressen der Menschen tatsächlich
berücksichtigen, und die den neu entstandenen technischen
Möglichkeiten angemessen sind, die so einer "Vollautomation" als
technologische Voraussetzung ja auch unterliegen müssen.

Ich denke, das sind aber Problemkreise in zwei sehr verschiedenen auch zeitlichen Dimensionen, und die WI-Leute verstehen dich einfach nicht, weil sie nie in dieser anderen Dimension denken. Auch (Mertens 2005) macht ja nicht mehr als dich freundlich zur Kenntnis nehmen und dann zur eigenen Agenda überzugehen.

Du argumentierst mit der Universalmaschine. Allerdings muss jeder solchen Maschine ja was aufs Band geschrieben werden, ehe sie losrattern kann. Insofern bedeutet die Verfügbarkeit einer solchen Maschine (genauer: einer materiell-energetisch instanziierbaren Blaupause derselben, das unterscheiden die Informatiker denn doch gelegentlich) nur, dass sich der Schwerpunkt der gesellschaftlichen Produktion hin zur Produktion (und Vergesellschaftung) solcher Beschreibungen verschiebt. Die materiell-energetischen Konsequenzen des praktischen Einsatzes solcher Beschreibungen eingeschlossen. Auch die Reproduktions- und Selbstheilungsfähigkeit dieser Systeme muss in einer solchen Sprache beschrieben sein. Also eine sehr detaillierte und komplexe Sprache mit mglw. vielen Abstraktionsebenen, deren Herausbildung m.E. noch eine ganze Weile dauern wird.

Andererseits berücksichtigt dein Turing-Maschinen-Ansatz nicht, dass es rund um ums herum bereits ein System von Millionen reproduktions- und selbstheilungsfähiger Einheiten gibt samt einer hochentwickelten "Sprache", über die diese Phänomene "abgewickelt" werden und die ganz unten auf einem 4-Buchstaben-Alphabet basiert. Vielleicht wäre es gut, sich etwas stärker an *dieser* Sprache zu orientieren und auch dieser *einen großen Erzählung* intensiver zu lauschen als zu meinen, dass wir Menschen alles selbst erfinden und das "Sein wie GOTT" perpetuieren könnten. Ich denke, das spricht auch Franz aus der Seele.

Mertens versteht nicht so richtig und in aller Konsequenz, dass
diese "Automation" aus der marktlichen Wirtschaftsorganisation mit
all ihren Krisen und Zyklen und ihrer fehlenden Steuerbarkeit
herausführt, dass sich diese Wirtschaft aus einem dynamischen,
inkonsistenten, wild-wachsenden System zu einem linearen,
berechenbaren, konsistenten System entwickeln muss.

Das von mir erwähnte System ist allerdings das ganze Gegenteil eines "linearen, berechenbaren, konsistenten Systems".

Viele Grüße,
Hans-Gert
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