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Re: [ox-de] Text zu Keimformen bzw. der Entwicklung sozialer Vermittlungsmechanismen



Hi Stefan!

Nach meinem GefÃhl reisst du etwas auseinander, was es gilt zusammen zu 
denken: Individuum und Gesellschaft. Gewiss sind Individuum und 
Gesellschaft nicht im formalen Sinne identisch, sie sind aber auch 
genauso wenig formal vÃllig voneinander verschieden oder gar getrennt. 
Die Individuen sind gesellschaftliche Menschen und in der menschlichen 
Gesellschaft, die von den Individuen konstituiert wird. Mit formaler 
Logik bekommt man das allerdings nicht gedacht, sondern verfÃllt immer 
wieder in ein entweder-oder.

Du schreibst nun:

On 2011-09-24 16:25, Stefan Nagy wrote:
Na selbstverstÃndlich tritt uns Individuen das von uns (als
Gesamtheit) gemachte als Fremd, als etwas von dem wir beherrscht
werden, gegenÃber â schlieÃlich sind und waren wir ja nie Subjekte, 
sondern lediglich Teile dieser Gesamtheit.

Das ist keineswegs selbstverstÃndlich, sondern Resultat der entfremdeten 
Form in der das geschieht. Du ontologisierst das Fremde als NatÃrliches, 
wenn du hier von einer SelbstverstÃndlichkeit sprichst.

Weiter:

Eine Gesellschaft, die wir als von uns Individuen geschaffene erfahren, 
wÃre meines Erachtens keine Gesellschaft im eigentlichen Sinn, sondern 
lediglich eine Summe von Individuen.

Es wÃre jetzt polemisch, wenn darauf verweisen wÃrde, dass dieser 
Meinung auch Magaret Thatcher war (oder ist), nur dass sie den Schluss 
zog, dass es daher keine Gesellschaft gÃbe. Dein Satz wird nur wahr, 
wenn du Individuum und Gesellschaft als Getrennte denkst.

Und:

Eine Kritik an gesellschaftlichen Vermittlungsmechanismen Ãber die wir 
nicht Herr sind, geht also meines Erachtens in Leere, weil 
Gesellschaft als eigene EntitÃt, als emergentes PhÃnomen eben solche 
Mechanismen bedingt.

Du nimmst den realen Schein fÃr die ganze Wahrheit, der in der 
bÃrgerlichen Gesellschaft tatsÃchlich dafÃr sorgt, dass Gesellschaft als 
Âeigene EntitÃtÂ, als Âemergentes PhÃnomen erlebt wird. Realer Schein 
heisst, dass es keine Einbildung ist, sondern es ist tatsÃchlich so, 
dass uns die Gesellschaft als Undurchdringliches entgegentritt, deren 
Prozesse und Vermittlungsmechanismen wir nicht kontrollieren kÃnnen. 
Dies ist jedoch keine Eigenschaft von Gesellschaft sui generis, sondern 
der historischen Form geschuldet.

Nun diskutierst du Beispiele und erklÃrst mir: Das ist so fÃr mich. 
Dagegen gibt es kein Argument. Ich kann dein Empfinden schlechterdings 
nicht bezweifeln. Ich kann nur auf einer allgemeinen Ebene behaupten, 
dass das so ist, weil es in dieser Gesellschaft notwendig so ist. Die 
Entfremdung von und gegenÃber der Gesellschaft tritt auch gegenÃber 
konkreten anderen Personen auf. Auch diese werden jeweils als Fremde 
(bis in die Sprache hinein) erlebt, anstatt als Eigene, als Menschen wie 
jeweils ich. In einer Gesellschaft, die in Partialinteressen zerfÃllt, 
in der der Eine gegen die Andere steht und umgekehrt, ist es auch nicht 
anders mÃglich. Wir kÃnnen durchschnittlich strukturell einander nicht 
vertrauen. Dies jedoch ist keine Eigenschaft der Personen oder der 
Gesellschaft als solcher, sondern der historisch besonderen From der 
Vermittlung. Diese Ãberlegung schlieÃt ein, dass es nicht so sein muss 
(siehe meinen ersten Kommentar mit einigen Ãberlegungen dazu).

Btw.: Was erwartest du eigentlich, wenn du dich mit Treibern von 
proprietÃrer Hardware auseinandersetzen musst? Wahrlich kein VergnÃgenâ

Meine hier vorgebrachte Kritik richtet sich kurz gesagt gegen die 
Vorstellung eines Subjektstatus von menschlichen Individuen in Bezug 
auf den gesellschaftlichen Prozess

Verstehe ich dich richtig, dass du diese These tatsÃchlich ontisch 
meinst? Meinst du tatsÃchlich, dass Menschen in der Gesellschaft, die 
sie herstellen, keine Subjekte sind? Was sind sie denn dann?

Zugleich negiere ich die MÃglichkeit einer Nicht-Gesellschaft; also 
einer solchen, die keine Gesamtheit ist & die den Individuen daher als 
nicht fremd, oder besser gesagt gar nicht entgegentritt (weil wir ja 
hier nur eine Summe von Individuen imaginieren).

Gesellschaft = Gesamtheit = Fremdes â richtig? Damit bestÃtigst du meine 
EinschÃtzung von oben: Du hÃltst die bÃrgerlich-fremde Form der 
Vergesellschaftung fÃr die allgemein-menschliche, die â wenn das zutrifft 
â in der Tat nicht zu Ãndern wÃre. Dann kÃnnten wir allerdings auch die 
Suche nach alternativen Formen der Vergesellschaftung (der 
gesellschaftlichen Vermittlung) einstellen.

Der gesellschaftliche Prozess ist in meinen Augen nicht nur als eigene 
EntitÃt anzuerkennen, sondern darÃber hinaus als Subjekt seiner selbst 
zu fassen.

Das hat Marx mit dem Kapital als Âautomatischem Subjekt auf den Begriff 
gebracht. Marx jedoch meinte dies jedoch ausschlieÃlich bezogen auf den 
Kapitalismus und nicht auf die gesellschaftliche Vermittlung generell.

Meine EinschÃtzung ist: Diese Gesellschaft ist eine der Trennungen und 
Spaltungen. Dem entsprechen auch die dominanten gesellschaftlichen 
Denkformen, die sich etwa in der Entgegensetzung von Individuum und 
Gesellschaft zeigen. In Wahrheit gibt es den Gegensatz als solchen 
nicht. Der gedachte Gegensatz des Gegensatzes ist jedoch nicht die 
schlichte IdentitÃt, sondern die IdentitÃt von IdentitÃt und Unterschied 
(sowie der Unterschied von IdentitÃt und Unterschied). Das bedeutet, es 
gibt ein Ãbergreifendes Allgemeines, in dem sich die Differenzen als 
Momente des Allgemeinen zur Geltung bringen ohne in GegensÃtze zu 
zerfallen.

Das gilt auch fÃr den Kapitalismus, nur ist es viel schwerer das zu 
erkennen, weil hier zwei Grenzen denkend Ãberschritten werden mÃssen: 
Erstens entwickelt sich der Kapitalismus real in Form von GegensÃtzen 
(Produktion/Konsumtion, Arbeit/Kapital, Kaufen/Verkaufen, 
Produktion/Reproduktion etc.) und zweitens bildet er die 
GegensÃtzlichkeit der Entwicklung gedanklich als NatÃrliches ab. Sowohl 
nahegelegte Praxis- wie Denkformen mÃssen denkend (und dann auch 
handelnd) Ãberschritten werden. Das ist hart. Aber es geht, weil die 
Wahrheit immer das Ganze ist. Die Wahrheit ist nicht die 
GegensÃtzlichkeit, sondern die in der Bewegung der GegensÃtzlichkeit 
hergestellte widersprÃchliche Einheit.

Nun wirst du einwÃnden, dass trotzdem die Gesellschaft doch ein von den 
je konkreten Individuen unabhÃngig funktionierendes Ganzes darstellt, 
und das ist absolut richtig. Gleichzeitig wird diese Gesellschaft von 
den Individuen hergestellt, sie ist also von dieser Herstellung 
abhÃngig. Diese Gleichzeitigkeit gilt es zu denken, und nicht in eine 
Seite der Subsumtion zu fallen.

Und selbstverstÃndlich sind Jimmy Wales, Linus Torvalds und Stefan Nagy 
Subjekte :-) 

Ciao,
Stefan

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