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Re: [ox] Re: Computer im Kapitalismus



Hi Stefan und Listige!

Ich finde die Debatte übrigens auch sehr interessant :-) .

4 days ago Stefan Meretz wrote:
Also zur toten Arbeit, zu Stefan Mn?s Thesen:
* Computer markieren einen Epochenbruch innerhalb des Kapitalismus

Ich denke, seit der industriellen Revolution hat es nichts gegeben,
was die Produktion und die gesamte (kapitalistische) Arbeitsweilt
durchgreifender verändert hat. Selbst der fordistische Schub (vulgo:
Fließband, aber siehe Stefan Mz.s Ausführungen dazu) dürfte in
historischer Perspektive gegen die heute mögliche Steigerung der
Produktivität verblassen.

Der These stimme ich zu, bei den Erläuterungen bin ich skeptischer. Die
These trifft m.E. aus dem o.g. Grund der Trennung von gegenständlichem
und algorithmischem Produktionsaspekt zu. Alles was man trennt, kann man
dann einer separaten wissenschaftlichen Bearbeitung unterwerfen. Die
Informatik ist logisch-historisch genau deswegen entstanden. Den
Epochenbruch würde ich also im Übergang von der industriellen Revolution
in den Fordismus ansiedeln - auch wenn die ersten realen Computer erst
in den Vierzigern gebaut wurden.

Auch eine Sichtweise. Da der Kapitalismus aber erst seit gut 150
Jahren wirklich entfaltet ist würde ich da feiner unterscheiden.
Vielleicht ein kleiner Epochenbruch ;-) .

* Im Ergebnis schafft der Computer die Lohnarbeit tendenziell ab

Na, das ist dann eigentlich eine klare Konsequenz. Natürlich kann
ich hier irren, aber momentan ist schlicht nichts in Sicht, was die
Arbeitsplatzverluste durch Rationalisierung auch nur annähernd
auffangen könnte. (...)
Für die Arbeitsgesellschaft heißt das, daß ihr Ende in Sicht ist.

Da führt kein Weg dran vorbei. Aber auch hier muss man genau hingucken,
denn innerhalb der Arbeitsgesellschaft gibt es Umschichtungen: weg von
Vollzeitarbeit hin zu prekären Lohnarbeitsverhältnissen, von denen es
immer mehr geben wird (siehe USA).

Das ist ja ein Prozeß, der auf das Ende hindeutet.

Ob das Ende eine Katastrophe wird - die garantiert eintritt, wenn "die
Revolution" nicht stattfindet - oder ob die Menschheit einen neuen
Morgen erlebt ist durchaus offen. Rosa L. sagte "Sozialismus oder
Barbarei" - ich würde modernisieren und konkretisieren zu "Linux oder
Neoliberalismus" ;-) .

* Der Computer ermöglicht lustbetonte produktive Tätigkeit

Nun, nichts grundsätzlich Neues. Klar gibt es im Bereich der
Hobbies auch eine Menge lustbetonter produktiver Tätigkeiten.
Aber dennoch ist es wichtig, weil es ohne diesen Effekt vieles
nicht gäbe.

Du denkst an die Programmiertätigkeit, oder?

In erster Linie in der Tat, ja. Dies war eingedenk der kürzlichen
Diskussion zur Programmiererei.

Wenn ich aber diese Mail
z.B. schreibe, dann ist das Teil für mich quasi gar nicht existent. Es
verschwindet sinnlich völlig hinter dem Inhalt dieser Mail, mit dem ich
mich beschäftige und dem Spass, den es mir macht, einen Gedanken in
Schriftform zu bringen.

Na, also gerade beim Mail schreiben finde ich es aber schon
bemerkenswert, daß ich einen Computer benutze. Mit welchem Medium
könnte ich sonst so in einem Text herumfuhrwerken, nach Herzenslust
springen - und das Ganze anschließend immer noch in präsentabler Form
haben?

Zwei Gedanken sind mir hier wichtig: Erstens verändert die Benutzung
von Computern und die Nutzung ihrer Möglichkeiten auch eine Tätigkeit.
Das kann durchaus bis in inhaltliche Aspekte gehen. Ich jedenfalls
sehe das gerade beim Schreiben einen ganz erheblichen Unterschied.

Zweitens - und das scheint mir in diesem Zusammenhang der wichtigere
Punkt - kann aber die Benutzung von Computern eine Tätigkeit derart
erleichtern, daß sie zur Lust wird. Auch hier finde ich Mail ein gutes
Beispiel: Wenn ich einen Papierbrief schreiben muß, dann ärgere ich
mich immer über den Aufwand, den diese Kommunikationsform mit sich
bringt. Eine Mail dagegen ist so schnell gebaut, daß der Overhead (für
mich) nahe bei Null ist.

* Computer ermöglichen das Internet

Mehr und mehr halte ich das Internet für einen ganz
entscheidenden Faktor. Nicht nur, weil ohne das Internet
Gnu/Linux nie diese Dimension hätte erreichen können, sondern
weil es mir - wie in einigen vergangenen Mails schon angedeutet
- so scheint, als wäre das Internet zumindest nicht massiv in die
kapitalistische Verwertungsmaschine zu integrieren.

Computer ermöglichen das Internet - wohl klar. Bei Internet und
Verwertung muß man m.E. deutlich zwischen Wertproduktion und
Distribution unterscheiden. Wert wird im Internet kaum geschaffen, aber
vertrieben schon. Internet ist ein rationeller Vertriebskanal, dem sich
Firmen kaum entziehen können. Insofern ist das Internet in die
Verwertungsmaschine integriert.

Das war's was ich meinte. Danke.

* Beides zusammen ermöglicht interessante unbezahlte Produktion

Interessant ist daran, daß das Produkt einen hohen Gebrauchswert
hat und ebenfalls an der Spitze der kapitalistischen
Produktionsmittelentwicklung steht.
Weiterhin ist es interessant, daß hier (historisch erstmals auf
diesem Vergesellschaftungsniveau) eine Produktionsweise
aufscheint, die eine Vergesellschaftung ohne Tausch real und
an einem praktischen Beispiel vorstellbar macht.

Du denkst wieder an Software, gell?

Zunächst mal schon aber nur im engeren Sinne.

Im weiteren Sinne würde ich aber auch an so ein Szenario denken,
ähnlich wie du es in deinem Vortrag angedeutet hast: Ich klicke mir
einfach im Web mein Wunschauto zusammen und diese Bestellung wird dann
nahezu vollautomatisch zusammengebaut. Und das nahezu ist dann auch
eine lustbetonte Tätigkeit. Na, das klingt noch ein bißchen krumm -
vielleicht kann's ja dich jemensch verwerten?

Ich glaube, daß ?unbezahlte
Produktion? absehbar sogar unter kapitalistischen Bedingungen generell
möglich ist. Die Produkte werden verschenkt, die Kohle wird sekundär
eingefahren über Werbung, Support, Zweitgeschäfte etc.

Ja, diese Tendenz gibt es sicher. Aber für mich ist das auch schon ein
massiver Hinweis auf die Prekarisierung des Kapitalismus. Auch durch
den wachsenden Konkurrenzdruck durch Globalisierung (jede deutsche
Computer-Klitsche muß direkt mit ebensolchen Klitschen in Taiwan
konkurrieren) rückt der Kaufpreis Null immer mehr als
"verkaufs"fördernde Maßnahme in den Blick.

Daß die KundInnen aber i.a. hintenrum zur Kasse gebeten werden, ist
gerade das prekäre daran. Und dort wo es nicht geschieht - echte
Dumping-Angebote also - findet auf der produktiven Ebene m.E. immer
mehr eine ähnliche Spekulation statt, wie sie in der Finanzblase
vorexerziert wird. Auch dies ein Hinweis auf die Prekarisierung.


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan


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