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Re: Hardware User Groups (Re: [ox] Letzter Teil Paper GPL-Gesellschaft)



Hallo, Sefan!
Hallo, Oekonuxis!

Wow, da ist jemensch noch optimistischer als ich ;-) .

Man bedenke die Alternative. :o(

Ich muß aber auch Annette recht geben, wenn sie sagt, daß wir diese
mögliche Zukunft gestalten müssen, wenn wir sie wollen. Von daher
halte ich eine gewisse Planung, auch wenn diese möglicherweise auch
nur Spinnerei ist, für wichtig.
    
Vorbemerkung:
---------------
Zum Verständnis der folgenden Argumentation ist zu beachten, daß ich
das ungreifbare, imaginäre Linux nicht als Produkt ansehe, sondern
viel eher a) die Installations- CD, egal ob selbstgebrannt oder
fabrikmässig in Serie gepreßt und b) der lauffähige Linux- PC
(zumeist vom User durch geschicktes Verbinden von Installations- CD
und Roh- PC selbst hergestellt).

Mir ist nicht klar, warum du Gnu/Linux als nicht-materielles, aber
dennoch Produkt nicht stehen lassen magst.

aus zwei Gründen:

1. Das nicht- materielle Produkt Linux ist untrennbarer Bestandteil
des materiellen Produkts Datenträger. Ohne solche kann Linux nicht
existieren (umgekehrt schon). Diesen Bestandteil loszulösen
unterschlägt zum einen die vorliegende Abhängigkeit und erschwert
zudem die Vergleichbarkeit mit anderen Produkten.

2. Daß das nicht- materielle Linux ein Produkt sei, ist deshalb nicht
tragbar, da bei seiner Verteilung die verfügbare Stückzahl nicht
abnimmt. Dementsprechend kann man auch Software nicht "stehlen", wie
es Firmen wie M$ uns einreden wollen. Man kann allenfalls gegen die
Lizenz verstossen. Setzt man diesen Verstoß mit einem "Kauf" gleich,
wird natürlich die Bezahlung unterschlagen, was man dann "Diebstahl"
nennen könnte. Damit man diese Gleichsetzung aber überhaupt vornehmen
kann, muß man Software aber erstmal als vollständiges Produkt
anerkennen, das überhaupt verkauft werden kann. Daher denke ich,
übernimmt man bei der Betrachtung von Linux als Produkt unkritisch
reaktionäres Gedankengut, das ausserdem dem gesunden Menschenverstand
zuwider läuft.

Ich halte das ganze Problem aber eher für ein sprachliches, als für
ein Inhaltliches. Ich brauche für die Formulierung meiner Gedanken
einen Begriff, ...

<Pseudocode Language="Pascal">

TYPE Produkt = RECORD
  Funktionseise: Information;
  Realisation: Materie;
  Stückzahl: INTEGER;
END;

</Pseudocode>  

...der einen nützlichen Gegenstand oder eine Menge gleichartiger
solcher meint. "Produkt", "Gut", "Ware" bezeichnen alle dieses
konstrukt, aber eben nicht nur. Nach deinem Meilenstein- Referat
kommt dem, glaub ich, "Gut" am nächsten, aber auch hier gibt es
"Liedgut" und "Gedankengut" -- also wieder das gleiche Problem. 


Ok, nicht-materielle Informationsprodukte sind eben in unseren Zeiten
leicht zu kopieren, dennoch sind es Produkte, für die Menschen tätig
geworden sind.

Richtig. So gesehen schon.

Vielleicht müßten wir hier klarer kriegen, wo genau der
Punkt ist.

Vielleicht sollten wir mal ein paar Worte speziell für dieses Projekt
definieren -- ich erinnere mich da an die Debatte um "Arbeit" und
"Wert" -- und so eine Art Wörterbuch anlegen.

Was sich durch GNU/Linux nun
geändert hat, ist demnach nicht wesentlich die Art der Herstellung des
Produkts, sondern die Planung seiner Funktionsweise, bzw. Verwendung.
[...] Die besondere Arbeitsweise der GNU/Linux-
Entwickler wird, meine ich, auch weiterhin auf den planerischen Teil
beschränkt bleiben, was jedoch egal ist, da die stoffliche Umsetzung
in allen Bereichen, in die die GNU/Linux- Arbeitsweise vordringt,
zwangsläufig ähnlich nebensächlich wird, wie sie bei Software von
Natur aus ist.

Geht das in die Richtung, was ich als "Informationsgesellschaft auf
den Begriff gebracht" im Paper habe?

Genau: 
gelesen -- nicht verstanden -- neu erfunden :o)

Da wäre dann der Unterschied
zwischen nicht-materiellen Informationsprodukten und deren
Materialisationen in der Tat wichtig. Bin ich noch bei dir?

:o)

Es ist ja in keiner Weise
entscheidend, ob die Gnu/Linux-Distribution auf CD vorliegt oder
direkt vom FTP-Server kommt.

So wie es meist nicht entscheidend ist, ob man Blumen mit einem Eimer
oder mit einem Kanister gießt. Trotzdem sind es zwei verschiedene
Produkte (s.o. Def.), die sich lediglich einen Teil ihrer
Funktionsweise teilen, nämlich die Möglichkeit, Wasser zu
transportieren und irgendwo hinzukippen. Die Gemeinsamkeit bei deinen
Beispielen wäre die Fähigkeit, einen Linux-PC einzurichten.

Entscheidender finde ich, daß es einfach
in eine Form zu kopieren ist, die benutzt werden kann.

Richtig. Die Kopierbarkeit von Informationen ist auch wichtig bei
ihrer Erstellung, aber das ist ein ganz anderes Thema...
    
Es gibt bei
der Variantenvielfalt wohl kaum zwei Autos, die genau gleich vom Band
laufen. Die haben schon Stückzahl 1.

Das ist bei Handarbeit normal. :o(
 
2. Linux ist "open source". Demhingegen sind andere Produkte (TV,
Auto) gewöhnlich Blackbox-Systeme.

Oh, das war mal anders. Ich kann mich noch gut daran erinnern, daß du
früher bei dem Papier zu einem HiFi-Gerät einfach mal der Schaltplan
dabei war - und eine Explosionszeichnung. Da konnte ich schnell eben
selbst mal Endtransistoren wechseln...

Stimmt. Aber diese Pläne standen nicht unter der GPL.
 
Wenn "User Group" keine realweltliche Gemeinschaft ist, dann würde ich
die Stadtteilgruppe noch hinzufügen wollen. Muß ja nicht alles
virtuell sein ;-) .

Stell dir einfach vor, du bekommst bei deiner LUG keine Vorträge
und Diashows über PovRay etc. zu hören, sondern solche über
auseinandergenommene Motoren. Statt "Linux- Installationspartys" gibt
es dann "Steuergeräte- Rausreiß- und- LinuxPC- Einbau- Partys". 
    
Umbau wäre dann z.B. das, was heute Tuning-Werkstätten an Serienautos
machen - richtig?

Jain. Standard- Nachrüstbauteile einzubauen ist nicht sehr kreativ.
Die Aufgabe der Car-UGs sehe ich eher darin, solche zu
konstruieren und zu besprechen.  

Vollautomatisierung ist BTW ja immer erstmal relativ. Das was vorher
Arbeitskraft brauchte, läuft nun automatisch. Eine absolute
Vollautomatisierung vom Rohstoffabbau bis zu den nicht mehr
vorhandenen Supermarktkassen ist sicher noch weit entfernt.

Hmm... absolute Vollautomatisierung? Ob wir das wohl noch erleben
werden? :o) 

Vielleicht ist das aber auch gar nicht das Ziel. Wichtig sind erstmal:

o Versorgung der Weltbevölkerung
o Bildung (mit wissenschaftlichem Schwerpunkt)
o Zeit für gemeinschaftliche Interessen
o Zeit für persönliche Interessen

Genau. Du würdest eine Mail nach Wolfsburg zu den
"*Volks*wagen"-Werken schicken, in denen du sagst, was du haben willst

genau, und die baun das Teil dann (als Dienstleisung). 

bzw. wie sie es zu konstruieren haben. Fachmenschen da würden dir
ggf. helfen.

Pfui, ach! Wozu das denn noch?
 
Der Kapitalismus
reagiert natürlich auf diesen Bedarf und versucht ihn zu decken,
indem er derartige Produktionsmittel als Massenware auf den Markt
schmeißt (man denke dabei z.B. nur mal an CD- Brenner) oder aber
derartige Serviceleistungen anbietet ("Book on Demand" -- hmm... na
ja, hätte fast ein Beispiel dafür sein können). Forderung 1 wird also
erfüllt.

Da bin ich mir nicht so sicher. Bedingung wäre ja nicht nur eine
vereinzelte Nachfrage, sondern eine kaufkräftige Massennachfrage nach
solchen Produktionsmitteln / Services. Ob die da ist? 

Drucker, CD- Brenner, Linux- Distributionen werden wie wahnsinnig
gekauft. 

In Baumärkten werden Schweißgeräte, Hand- und Standbohrmaschinen,
Winkelschleifer, Kreis- und Stichsägen, Zangen, Hämmer,
Schraubenzieher, Schrauben, Nägel, Bleche, Rohre und so weiter zu
Billigpreisen verramscht und ebenso gekauft. Mit diesen Werkzeugen
könnte man bereits Fabriken auf dem Niveau der 60er Jahre preiswert
ausrüsten. 

Fließbänder oder Industrieroboter gibt es aber noch nicht in
Baumärkten, da, wie du schon sagst, keine Nachfrage danach besteht.
Wenn aber die, die heute allein vor sich hinwerkeln, sich
organisieren und ihre Erfahrungen austauschen würden, entstünde auch
das Bedürfnis, so zum Spaß, grosse, nützliche Sachen herzustelen, und
dann wäre der Bedarf da.

Damit die Arbeitsweise der Computerfreaks auch auf die der Auto- und
Fernsehfreaks überschwappt, müssen sich diese ähnlich wie jene über
das Internet einerseits und in örtlichen Gruppen andererseits
organisieren (Forderung 2). Dadurch steigt die Chance, daß die
Benutzer ihre Kreativität (insbesondere, wenn sie, wie oben gezeigt,
dann über geeignete Produktionsmittel verfügen) an jenen Geräten
auslassen, und dies kann, wenn das Erfolgskonzept von Linux auch hier
aufgeht, so weit führen, daß die Produkte im Wesentlichen von den
Benutzern, und nicht länger von der jeweiligen Herstellerfirma
konstruiert werden

Das wäre dann quasi High-Tech-Subsistenz - oder?

Ja, aber nicht nur -- eben so wie bei Linux: Die, die arbeiten,
arbeiten für den Eigenbedarf (also in Subsistenzwirtschaft), vom
Ergebnis dieser Arbeit profitiert aber die ganze Menschheit (Windoof-
User sind keine Menschen!!! ;o) )

Die Folge
davon wäre, daß alle Herstellerfirmen nahezu das gleiche produzieren.

Und zwar die universalen Werkzeugmaschinen a la CD-Brenner. Richtig?

Nein, diese sind zunächst noch proprietär.

Zuerst kommen die Sachen dran, für die sich zuerst User Groups
und Foren bilden. Wenn das zuerst Werkzeuge sind (wie bei GNU damals)
-- um so besser, wenn es aber Autos und Fernseher sind, dann kommen
die Werkzeuge eben später dran.
 
Die Supermarktkassen können entfernt werden.

Leider nicht. Daß die Preise ständig sinken, führt ja leider nicht
dazu, daß sie Null auch tatsächlich erreichen.

Und was ist, wenn eine LUG sagt: "Wozu sollen wir uns jeder eine
Distribution kaufen? Wir haben doch Brenner. Und unsere Liste ist
allemal besser als die 60- Tage- Hotline. Es reicht also, wenn sich
einer eine Distribution kauft." -- Kann dann die Kasse entfernt
werden? 

Im Hardware- Szenario hiesse das: Aufbau von neuen VEBs. Wie schon
oben gesagt -- auf 60er Jahre- Niveau könnte man das schon heute
recht preiswert so zum Spaß, aber wenn es erst moderne
Produktionsmittel im Sonderangebot gibt, sind diese VEBs sogar
konkurrenzfähig. 

Und dann können die Supermarktkassen entfernt werden. :o)

und welchen Ärger
es mit dem Patentrecht geben könnte, und wie man um dieses
herumarbeiten kann...

Das wäre ein größerer Punkt.

Ich denke mal, wenn in zwei Jahren endlich Ruhe ist mit Windows, und
die Freie Software bis dahin nicht durch Patente kaputtgeklagt wurde,
so daß ~100% der User Linux benutzen, hat sich das mit der Legitimit
von Patenten eh erledigt. Da darf man gespannt sein, wie sich das noch
entwickelt.

Tschüß,
Thomas

}:o{#

PS: Von wem war noch mal dieser uralte Text über den
"Wissenskommunismus", und wo kann ich den (Text, nicht den
Kommunismus) runterladen?

Wäre dieses Wort nicht vielleicht besser als "GPL- Gesellschaft" ?

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