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[ox] Re: Selbstenfaltung vs. Fremdbestimmung



Hi Benni!

3 days ago Benni Baermann wrote:
On Thu, Nov 02, 2000 at 02:11:03AM [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Merten wrote:
Der Kapitalismus kann Freie Software und deren Erfolg nicht
integrieren - jedenfalls nicht, ohne den Erfolg zu zerstören. Es geht
nicht, weil die Selbstentfaltung, die den Kern der Freien Software
bildet, nicht mit der Fremdbestimmung kompatibel ist, die den Kern der
kapitalistischen Lohnarbeit ausmacht. Hast du sicher nur kurz
vergessen, denn diese Aussage kommt hier so ca. einmal im Monat und
steht auch in den diversen Texten, die dir auf der Web-Site sicherlich
aufgefallen sind.

Und selbst Integrations-/Zerstörungsversuche müssen fehlschlagen, weil
die einmal in die Welt gesetzte Freiheit der Freien Software nicht
mehr einzufangen ist. Selbst wenn z.B. Folgeprodukte Freier Software
auf irgendeinem Weg privatisiert werden sollte - was nach GPL nicht
geht, aber die mag irgendwie anfechtbar sein -, dann kann jedeR das
Verfügbare nehmen und Frei weitermachen. Im extremsten Notfall kannst
du auch ganz von vorne anfangen.

Nun, Du stellst das jetzt so hin, als sei das schon ausgemacht.

Was ich tatsächlich für ausgemacht halte ist:

	Der Kapitalismus kann Freie Software und deren Erfolg nicht
	integrieren - jedenfalls nicht, ohne den Erfolg zu zerstören.

weil

	Es geht nicht, weil die Selbstentfaltung, die den Kern der
	Freien Software bildet, nicht mit der Fremdbestimmung
	kompatibel ist, die den Kern der kapitalistischen Lohnarbeit
	ausmacht.

Können wir uns darauf verständigen?

Ich
sehe das aber durchaus immer noch als Gegenstand der Diskussion
hier. Aber ich glaube das ist tatsaechlich die
Oekonux-Kernfrage. Überspitzt formuliert: "Ist FS was besonderes?"

Vielleicht nicht die Kernfrage, aber sicher eine sehr wichtige.

Ich denke in deinem optimistischen Bild unterschätzt Du sehr die
Korumpierbarkeit der Träger dieser Idee. Schon viele hehre Ideen
sind untergegangen, weil ihre Protagonisten schlicht gekauft wurden,
sei es jetzt durch Geld, Macht oder Einfluß.

Der Witz an Freier Software - und ich werde nicht müde das zu betonen
- ist eben nicht, daß es im Kern eine hehere Idee ist, sondern etwas
überaus nützliches. Die Hippie-Bewegung - um ein Beispiel von
tausenden zu nennen -, war vor allem eine hehere Idee. Idealistisch.
Deswegen mußte sie scheitern - sag' ich als Materialist.

Freie Software hat auch diesen Begeisterungsaspekt - aber nicht nur
und davon hängt sie nicht ab. Entscheidend ist, daß sie materiell
nützlich ist - für dich und mich und Frau NachbarIn.

Passiert nicht genau das zur Zeit mit FS?

Wenn wir jetzt mal diese Phänomene wie Alan Cox und RedHat beiseite
lassen - wo RedHat quasi bedingungslos das Grundeinkommen von Alan Cox
bezahlt so wie ich es verstanden habe -, dann kann es nicht
funktionieren. Wenn die sich korrumpieren lassen, geht ihr
Erfolgsgeheimnis flöten.

Natürlich kann man im Notfall immer wieder ganz von vorne anfangen,
aber eine Bewegung kann sehr schnell ihre sowieso nur geringe
gesellschaftliche Relevanz verlieren, wenn solche Rückschläge
eintreten.

Meine Einschätzung ist da sehr viel positiver. Die Bewegung entsteht
gerade erst und wird sich ihrer wachsenden Macht und
gesellschaftlichen Relevant erst langsam bewußt.

Als Beispiel schau die die Vorgänge um den KBST-Brief in der
Bundesverwaltung an. Da hatte der (Kaiserslautern-based :-) ) LinuxTag
e.V. eine kleine Umfrage gemacht - und die hatten nichts eiligeres zu
tun, als den Forderungen zu entsprechen. Jetzt vergleiche das mal mit
dem Schicksal einer x-beliebigen anderen linken Forderung - z.B. im
Bereich Antirassismus. Merkst du den Unterschied?

Es gibt da keinerlei Automatismus, so dass man sich
zurücklehnen könnte und nur abwarten bräuchte und die
Produktivkraftentwicklung tut den Rest, aber ich glaube das wolltest
Du wohl auch eh nicht sagen.

Wenn ich denken würde, daß wir uns nur zurücklehnen müßten, dann würde
ich mir hier nicht Tag für Tag eine Stunde nach der anderen um die
Ohren schlagen :-) .

2 days ago Hans-Gert wrote:
Ich werde es nicht müde zu wiederholen:

Na, so oft hast du es ja auch noch nicht gesagt ;-) .

FS ist nicht Besonderes; das
grundlegende Prinzip ist das der (bisherigen, reinen) Wissenschaft:
freizügige Verfügbarkeit der Ergebnisse.

An dem Gedanken ist was dran. Aber ich würde so sagen, daß die
Wissenschaft in ihrer nachaufklärerischen Idealform eine weitere
Keimform ist, die aber alleine noch nicht zur Blüte kommen konnte. Ist
auch ein naheliegender Zusammenhang: Software hat schließlich schon
wissenschaftlichen Charakter.

Und da dieses Prinzip genau
so unter Druck steht, hat FS hier viele potentielle Verbündete (ich
erinnere an den hier kurz referierten Beitrag von R. Kuhlen) - diese
Front gilt es aber auch mal wirklich aufzumachen.

Stimmt, das könnte sein.

Sollte ein Thread
auf der Oekonux-Konferenz sein.

Reicht Rainer Kuhlen dazu? Andere Ideen?


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan


----------------------
http://www.oekonux.de/



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