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Re: [ox] Re: Herangereifte Widersprueche in der buergerlichen Gesellschaft (w...



Hallo Thomas

In einer eMail vom 16.11.00 01:56:08 (MEZ) Mitteleuropäische Zeit schreibt 
sloyment gmx.net:

Dies
   ^^^^ Bezug?
 > ist m.E. sehr wohl ein Negieren der Vergütungsansprüche von
 > UrheberInnen, die erst dann akzeptabel ist, wenn nicht nur geistiges,
 > sondern alles Eigentum "verkümmert" ist.

"Dies" meinte: deine Position dazu.
 
 Falls das "Verkümmern" gemeint ist:
   Hiermit ist gemeint, daß keiner mehr den Proprietären Ramsch kauft, 
   wenn das Freie überlegen ist. Dies sehe ich nicht als "Negieren der
   Vergütungsansprüche" an, denn diese gibt es nur, solange noch jemand
   den Krempel haben will.

Wenn keiner mehr den "Krempel" haben will und also alle bisherigen 
professionellen AutorInnen, MusikerInnen etc. arbeitslos sind, weil es alle 
entsprechenden Produkte aktuell und entsprechend der Nachfrage aus 
wundersamer Fügung immer von irgendwem Frei angeboten werden, dann stellt 
sich allerdings die Farge nicht mehr. Mir ist allerdings noch nicht 
aufgefallen, dass das so wäre und ich halte es mal etwas härter ausgedrückt 
für kompletten Quatsch, das zu erwarten.

 > Das werden wir nach meiner
 > Einschätzung alle nicht mehr erleben. bis dahin jedenfalls besteht dieser
 > Anspruch m.E. zu Recht.
 
 Wessen Anspruch? Und Gegen wen?
 
Der Anspruch professioneller UrheberInnen, die ihre Werke eben nicht Frei an 
die Welt geben, auf angemessenes Entgelt, der letztlich gegen alle besteht, 
die ihre Werke nutzen. Ich sehe das Problem, dass die Pauschalen auch Leute 
mit heranziehen, die sie nicht nutzen, aber das sind bisher Ausnahmen und 
wenn man das vermeiden will, muss man eben bessere Verfahren finden, kann sie 
aber nicht einfach ersatzlos streichen.

 > Die Mitglieder, genauer: Wahrnehmungsberechtigten, der GEMA oder VG Wort
 > zahlen nicht, sondern empfangen Zahlungen.
 
 LÜGE, LÜGE! Auf http://www.gema.de/publik/faq/faq.html steht:
 
 "Die einmalige Aufnahmegebühr beträgt für Komponisten und/oder Textdichter 
 100,- DM, für Musikverleger 200,- DM zuzüglich 16% Mehrwertsteuer. Darüber 
 hinaus ist ein jährlicher Beitrag von 50,- DM zu entrichten." 

Machs mal halblang. Ich bin von der VG Wort ausgegangen, da gibt es das 
nicht. GEMA wusste ich nicht genau, aber viel ist das ja auch nicht, eher ein 
Verwaltungskostenanteil.
  
 > Mach andere Vorschläge. Soll jedes mal einzeln erfasst und gemeldet 
werden,
 > wer welches Werk kopiert hat? Das ist wohl wirklich eine 
Horrorvorstellung,
 > aus Datenschutzgrüden und wegen unverhältnismäßigem Aufwand.
 
 Pauschalen sind schon wegen des unterschiedlichen Volumens nicht 
haltbar.650 
 MB Daten (1 CD-Rohling) entsprechen 162.500 Seiten Text, einer Tonaufnahme 
 einer Länge von einer Stunde und 84 Sekunden (bei Stereo und einem 
 Rauschpegel von 2^-16) oder etwa 20 Sekunden Video (bei voller 
PAL-Auflösung 
 und 2^-8 Grauwerten pro Kanal). Wie soll man nun dem Videoamateur das 
 erklären, daß er für 20 Sekunden Video so viel zu zahlen hat wie einer, 
der 
 sich dafür tausende Bücher kopieren "darf"(?). 
 
Es geht um realistische Einschätzung, in welchem Umfang die Datenträger 
tatsächlich im Durchschnitt zur Nutzung geschützter Werke verwendet werden 
(was normalerweise keineswegs proportional der Anzahl möglichen speicherbaren 
Bits ist), und was durchzusetzen war. Wenn du meinst, die Abgaben auf 
CD-Rohlinge seien relativ zu niedrig, magst du recht haben, will ich nicht 
beurteilen.

 > Kann ja sein, dass du nur uralte Schinken liest und hörst oder solche, 
die
 > ausdrücklich frei sind, kein TV guckst und Radio hörst etc., also fast
 > überhaupt keine aktuellen Medien nutzst,
 
 Zunächst eine kleine Anmerkung: Ich habe noch nie gehört, daß man für das 
 Lesen, Hören oder Ansehen ansich bezahlen müßte, zumindest nicht bei den 
 genannten Medien (beim Kino schon -- aber selbst da heißt das "Eintritt" 
und 
 nicht "Schaugeld" o.ä.). Gewöhnlich bezahlt man für die Exemplare, bzw. 
für 
 das Recht, weitere herstellen zu dürfen. Lediglich von Computerprogrammen 
 kennt man Nutzungseinschränkungen (Anzahl Nutzer, Prozessoren, Monitore, 
 zeitliche Begrenzung usw.).

Schon mal was von der GEZ gehört, Gebühreneinzugszentrale für den 
öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Oder hältst du es für besonders 
revolutionär, nur die anderen zahlen zu lassen? Privatfunk finanziert sich 
bekanntlich aus Werbung, letztlich zahlen das die Kunden der beworbenen 
Produkte über den Preis mit, die können sich auch nicht dagegen wehren (außer 
nur unbeworbene Produkte zu kaufen, die billiger sind, wenn das alle machten, 
hätte das auf die Werbebranche tödliche Auswirkunegn und dann wär auch das 
werbefinanzierte TV und Radio tot. Fänd ich nicht besonders schlimm, ist aber 
nicht so.) Für unsere Diskussion wichtiger ist aber, dass z.B. Radiosender 
selbstverständlich und zwar erheblich mehr als z.B. Veranstalter einer 
öffentlichen Party für das Abspielen geschützter Musikstücke an die GEMA 
abdrücken müssen (abgesehen davon, dass das Abspielen im Radio natürlich die 
beste Werbung ist und den Verkauf der CDs rauftreibt).

 Daß mit der Nutzung eines aktuellen Medium automatisch der Konsum 
 proprietärer Inhalte einhergehen soll, kann ich nicht nachvollziehen. Wie 
du 
 leicht feststellen kannst, benutze ich regelmässig und intensiv das Medium 
 Internet. ...

 > aber dann bist du eine extreme Ausnahme, über die man nicht diskutieren 
 > muss.
 
 Man *muss* über gar nichts diskutieren. Es gibt aber Richard Stallman, die 
 extreme Ausnahme, die zufällig recht berühmt ist und viele Anhänger hat. 
 Darüber sollte man schon diskutieren...

Meinetwegen kann man für alle, die notariell beglaubigt versichern, dass sie 
nie irgendwelche proprietären Informationsprodukte nutzen, eine Freistellung 
von den Abgaben einführen (die sicherlich erheblich strafbewehrt wäre und 
kontrolliert werden müsste für Fälle, wo Leute falsche Aussagen machen, um 
sich ungerechtfertigte Vorteile zu erschleichen). Ich glaube nicht, dass es 
genug Leute gibt, für die das zutrifft, dass sich das lohnen würde.

 > Du scheinst da falsche Vorstellungen zu haben. Ich bekenne: ich bin
 > Mitglied der VG Wort. 
 
 Dann erzähl mir erstmal, welche Verwertungsansprüche du dir auf deine 
Mails 
 vorbehältst und vor allem gegen wen. Gegen Stefan Merten (als Verleger)? 
Oder gegen uns alle?

Erzähl doch keinen Quatsch. Du hast anscheinend keine Ahnung von den 
entsprechenden Verfahren. Man bekommt nur Zahlungen für in bei der VG 
registrierten copyrightgeschützen Publikationen veröffentlichte Beiträge, im 
einzelnen gibt es da relativ differenzierte Schlüssel, wie sich das 
errechnet, führt hier zu weit. Die Ansprüche richten sich gerade nicht gegen 
die Verleger oder andere Einzelne, sondern auf Anteile an den Einnahmen aus 
den diversen mehr oder weniger pauschalierten Abgaben.

 > >  Sinniger wäre aber, überhaupt keine Pauschalabgaben zu betreiben,
 >
 > Außerdem müsste die Person registriert werden, damit von ihrem Konto
 > abgebucht werden kann. Na ja, ob das die besserer Lösung ist ....
 
 Was soll denn der Unsinn? Ist das etwa heute in Fotokopiergeschäften der 
Fall?
 
Ich dachte, du wärst gegen Pauschalabgaben? Genau solche müssen jedoch auf 
Fotokopierer gezahlt werden an die VG Wort.

 Autoren, die *ergebnisorientiert* (s. meine Mails vom 19. u. 20.01.2000, 
 "Definitionen") arbeiten, nicht regelmässig Ergebnisse vorweisen können, 
 wodurch sich ihr Autorendasein ohnehin nicht als Erwerbstätigkeit eignet.

Das sehen die Betroffenen offenbar anders und alle, die ihre Werke nutzen, 
implizit auch.
 
 > Zur staatlichen Berentung wieder die profanen Fragen: welche Höhe[1],
 > welche Kosten[2], wer bezahlt es[3]?
 
 Wie wärs mit...
 1. halbes Durchschnittseinkommen
 2. halbes Einkommen
 3. alle 
 
So einfach geht es nicht (abgesehen davon, dass es real so sowieso nicht geht 
m.E.). 1. meinst du Durchschnitt pro Einwohner oder pro Erwerbstätigen, 
brutto oder netto? Du redest jedenfalls über ein zusätzliches 
Umverteilungsvolumen von etlichen 100 Mrd. DM pro Jahr, davon, die 
Staatsquote von knapp 50% auf vielleicht 70% oder mehr hochzuziehen (weil der 
Staat hat ja nicht nur Transfereinkommen zu zahlen), die Abgabenquote am 
Erwerbseinkommen der privaten Haushalte (nicht den Spitzensatz, sondern im 
Durchschnitt!) in ähnliche Dimensionen, mit dem Ergebnis, dass für einen 
großen Teil der bisher erwerbstätigen Bevölkerung, wenn nicht die Mehrheit, 
das Einkommen ohne Erwerbstätigkeit theoretisch genauso hoch wäre wie mit. 
Andererseits ist Erwerbseinkommen die zentrale Quelle zur Finanzierung der 
Abgaben. Theoretisch ist das alles deshalb, weil man muss nicht neoklassisch 
argumentieren, um zu erkennen, dass das so nicht funktionieren kann und auch 
jedenfalls unter kapitalistischen Bedingungen niemals durchsetzbar wäre. 

Grundsätzlich meine ich, solange noch gesellschaftlich notwendige Arbeit 
(ungleich individuell ausgesuchte Tätigkeit) die Basis des gesellschaftlichen 
Lebensprozesses ist (also auf absehbare Zeit, vermutlich immer), finde ich es 
für die Organisation des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses und die 
Verteilung der Produkte notwendig, sinnvoll und gerecht, neben dem 
Bedürfnisprinzip das sozialistische Leistungsprinzip (also anknüpfend an 
Arbeitsleistung, nicht an angeblichen "Leistungen" von Kapitaleigentum) zu 
Grunde zu legen. Die Proportionen und die Bewertung verschiedener 
Arbeitsleistungen sind gesellschaftlich, sicher auch konflikthaft, 
auszutragen, die og. Proportionen sind jedenfalls erst möglich, wenn auf 
Kapitaleigentum beruhende Einkommensansprüche weitgehend beseitigt sind.

Grüße

Ralf Krämer
Fresienstr. 26
44289 Dortmund
Tel. 0231-3953843
Fax 0231-3953844

_________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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