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[ox] Immanente Widersprueche (was: Re: Grundsicherung)



Hi Hans-Gert und alle,

Hans-Gert Graebe schrieb (Wolf Göhring zusammenfassend):
... dass die zunehmende Fülle der über Marktprozesse verfügbaren
Information dazu zwingt, erst einmal diese Information auszuwerten,
ehe es ans Produzieren gehen kann. Solche Gespräche und Absprachen
zwischen Produzenten bedeuten aber, dass diese nicht mehr unabhängig
voneinander agieren, wie es noch Marx im Kapital Band I, S. 85 ff.,
als Voraussetzung seiner ökonomischen Theorie formuliert hatte. An
deren Stelle tritt die, wenigstens partielle, Kooperation der Akteure
eines Marktsegments, die wir heute mit gegenseitigen Lizenzen und
"strategischen Allianzen" täglich beobachten können.  Absprachen am
Markt werden die Regel statt Ausnahme und hebeln marktwirtschaftliche
Instrumente zunehmend aus. Wie soll es aber funktionieren, einen
großen Teil der Aktivitäten miteinander zu planen und dann
gegeneinander auf dem Markt anzutreten?  Die natürlichen Barrieren,
die der Markt zwischen Produzent und Konsument setzt, werden zunehmend
löchriger ...

Eine gute Beobachtung. Jeremy Rifkin hat das in seinem Buch "Access"
noch weiter zugespitzt: Es wird einen Wettbewerb um den Zugang zu
Netzwerken gehen - hier informationale Netzwerke, die zur Produktion
unabdingbar sind. Wer dem Run um den Zugang resp. die Kooperation
verliert, ist raus. Die genannte Marx-Stelle ist das
Fetisch-Kapitel, das ja analysiert, warum sich soziale Verhältnisse
als Verhältnis von "Sachen" herstellen, warum also der
Verwertungssachzwang die Vergesellschaftung regelt. Ändert sich aber
etwas, wenn zu diesem Sachzwang gehört, zu kooperieren? Oder ist das
der "Kommunismus der Sachen" (oder so ähnlich, habs nicht präsent),
von dem Robert Kurz spricht?

Ich füge noch folgendes hinzu (aus "Zur Globalisierung der Ökonomie",
http://www.informatik.uni-leipzig.de/~graebe/projekte/infopapers/glob.html):
(...)

Ein Großteil der heute zu beobachtenden Perversionen ist dem Fehlen
solcher Ausgleichsmechanismen zuzuschreiben, wodurch sich einer der
Geburtsfehler des neuen Zeitalters potenziert: die Tatsache, daß
Marktmechanismen nur _realisierte_ Konzepte belohnen. Wenn zukünftig
der entscheidende Aufwand im Erstellen der Konzepte liegt, dieser sich
aber nur durch deren Realisierung amortisiert, dann muß versucht
werden, _jedes_ solche Konzept, so falsch und schädlich es auch sein
mag, zu realisieren. Die Virtualität kollidiert mit der Realität; und
gewinnt oft genug die Oberhand. Da es in der Natur von Konzepten
liegt, Teile der Wirklichkeit auszublenden, sind dabei
"Kollateralschäden" unvermeidbar, die in der Kalkulation nicht erfaßt
sind.

Das ist aber nichts Neues und hat mit dem Spezifkum der steigenden
Bedeutung der "Konzepte" wie du es nennst, nicht viel zu tun. Oder
übersehe ich was? Auch vorher musste sich "materieller Aufwand"
amortisieren, das muss doch jeder Aufwand in der Verwertungslogik -
und wenn nicht, dann muss der nächste Aufwand den Verlust eines
anderen kompensieren. Sonst ist das Spiel zuende.

Franz weiter

   Deswegen mein Appell, daß wir uns die Bedingungen zunehmend
   AUSSERHALB der Marktsphäre als vernetzte genossenschaftliche
   Produktionszusammenhänge ohne Verwertungszwang autonom selber
   schaffen müssen - und gleichzeitig INNERHALB der Marktwirtschaft
   genau das tun müssen was Du mit deinem Chef vorhast: bewußt jede
   Chance der Vergrößerung des nichtproprietären Bereiches wahrnehmen.

Wolf Göhrings Argumentation hat mich auch insofern verblüfft, weil sie
zeigt, dass es wichtige Prozesse auch _in_ der Marktsphäre gibt, die
diese von innen heraus aushöhlen.

Solche Prozesse gibt es eine Reihe - doch ist stets zu fragen, ob es
sich um "nachhaltige" Aushöhlungen und Ersetzungen handelt. So
bedeutet z.B. der Einsatz und die Verbreitung Freier Software eine
Aushöhlung der Verwertungsbasis proprietärer Software. Das ist mir
nochmals deutlich geworden beim Artikel von John Gilmore in der
letzten c't auf den auch Benni schon hinwies: Mit Cygnus (gekauft
von Redhat) realisiert er Profit durch Verbreitung Freier Software -
auch und gerade durch aktive "entwertete" Beiträge zur Freien
Software durch Cygnus/Redhat selbst!

Verwertungslogisch gesprochen: Ein Einzelkapital realisiert Profit
auf Kosten anderer (das ist immer so) genau dadurch, das es die
Verwertungsbasis des Produkts langfristig auflöst. Das schätze ich
als "nachhaltige Aushöhlung" ein - bei der og. "Zwangskooperation"
bin ich mir nicht so sicher. Franz' Vorschlag finde ich jedenfalls
sehr gut.

Ciao,
Stefan

-- 
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