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Re: [ox] Grundsicherung



Franz schrieb am Sun, 04 Feb 2001 

   ... auch wenn Open Source bzw. sogar Freie Software nur die Spitze
   des Eisberges immenter Vergesellschaftung ist, die sich in ihrer
   ganzen Tragweite im Wort "Outsourcing" ausdrückt.

   Im nächsten Moment wird aber GENAU DADURCH für das Kapital eine
   tödliche Gefahr, und die Beobachtung ist doch korrekt, daß es
   *zunehmend nichts anderes* mehr tut, als diese Gefahr zu bannen und
   zu re-proprietarisieren.

   Sprich: unglaubliche Bedingungen und Einschränkungen zu erstellen,
   die wiederum die autonom vergesellschaftete Arbeit behindern und
   unmöglich machen. 

Wolf Göhring hat das Dilemma am 3.2. bei seinem Vortrag in Leipzig auf
den Punkt gebracht (aus meinem Zusammenschnitt): 

... dass die zunehmende Fülle der über Marktprozesse verfügbaren
Information dazu zwingt, erst einmal diese Information auszuwerten,
ehe es ans Produzieren gehen kann. Solche Gespräche und Absprachen
zwischen Produzenten bedeuten aber, dass diese nicht mehr unabhängig
voneinander agieren, wie es noch Marx im Kapital Band I, S. 85 ff.,
als Voraussetzung seiner ökonomischen Theorie formuliert hatte. An
deren Stelle tritt die, wenigstens partielle, Kooperation der Akteure
eines Marktsegments, die wir heute mit gegenseitigen Lizenzen und
"strategischen Allianzen" täglich beobachten können.  Absprachen am
Markt werden die Regel statt Ausnahme und hebeln marktwirtschaftliche
Instrumente zunehmend aus. Wie soll es aber funktionieren, einen
großen Teil der Aktivitäten miteinander zu planen und dann
gegeneinander auf dem Markt anzutreten?  Die natürlichen Barrieren,
die der Markt zwischen Produzent und Konsument setzt, werden zunehmend
löchriger ...

Ich füge noch folgendes hinzu (aus "Zur Globalisierung der Ökonomie",
http://www.informatik.uni-leipzig.de/~graebe/projekte/infopapers/glob.html):  

Dringt man von der Phänomenologie, von Globalität und Mobilität, zum
Wesen der Prozesse vor, so steht Virtualisierung, die wachsende
Bedeutung von Konzepten, im Zentrum. Diese lassen sich zwar selten
räumlich lokalisieren, haben aber ihren festen Platz im
gesamtgesellschaftlichen Arbeitsprozeß im weiteren Sinne: Sie sind die
Ergänzung der produktiven Arbeit im engeren Sinne, bestimmen deren
Verlauf, führen deren Ende mit einem neuen Anfang zusammen und
schließen so den Kreis, in dem sich das Wechselverhältnis der Menschen
mit der Natur bewegt. Konzepte werden dabei, wie jede andere Form
menschlicher Arbeit, sozialisiert. Sie sind damit die Basis
gesellschaftlicher Strukturen, die sich kausal, aber nicht mehr
territorial lokalisieren lassen.  Diese treten mit anderen Strukturen
in Wechselwirkung und entsprechende, vor allem im politischen Bereich
anzusiedelnde Ausgleichsprozesse müssen deren gegenseitiges Verhältnis
austarieren.

Ein Großteil der heute zu beobachtenden Perversionen ist dem Fehlen
solcher Ausgleichsmechanismen zuzuschreiben, wodurch sich einer der
Geburtsfehler des neuen Zeitalters potenziert: die Tatsache, daß
Marktmechanismen nur _realisierte_ Konzepte belohnen. Wenn zukünftig
der entscheidende Aufwand im Erstellen der Konzepte liegt, dieser sich
aber nur durch deren Realisierung amortisiert, dann muß versucht
werden, _jedes_ solche Konzept, so falsch und schädlich es auch sein
mag, zu realisieren. Die Virtualität kollidiert mit der Realität; und
gewinnt oft genug die Oberhand. Da es in der Natur von Konzepten
liegt, Teile der Wirklichkeit auszublenden, sind dabei
"Kollateralschäden" unvermeidbar, die in der Kalkulation nicht erfaßt
sind.

Franz weiter

   Deswegen mein Appell, daß wir uns die Bedingungen zunehmend 
   AUSSERHALB der Marktsphäre als vernetzte genossenschaftliche 
   Produktionszusammenhänge ohne Verwertungszwang autonom selber
   schaffen müssen - und gleichzeitig INNERHALB der Marktwirtschaft
   genau das tun müssen was Du mit deinem Chef vorhast: bewußt jede
   Chance der Vergrößerung des nichtproprietären Bereiches wahrnehmen.

Wolf Göhrings Argumentation hat mich auch insofern verblüfft, weil sie
zeigt, dass es wichtige Prozesse auch _in_ der Marktsphäre gibt, die
diese von innen heraus aushöhlen. 
-- 
Mit freundlichen Gruessen, Hans-Gert Graebe

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Organisation: projekt oekonux.de


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