Re: [ox] Re: Zum Freiheitsbegriff
- From: "Franz J. Nahrada" <f.nahrada magnet.at>
- Date: Tue, 21 Aug 2001 11:13:16 +0200
Ich hab noch ein "bischen" Bauchweh mit dem Freiheitsbegriff.
Es gibt ein paar alte Argumente, warum der Freiheitsbegriff
so wunderbar für die bürgerliche Gesellschaft und die in ihr
dominante, (= gesellschaftlich durchgesetzte) Privatmacht des
Geldes und die Freiheit der Warenbesitzer taugt.
Das Formelement ist schon "Freiheit von" und zwar von
gesellschaftlichen Ansprüchen.
Indem der Warenbesitzer exklusiv über seine Ware verfügen
kann und zwar unabhängig von Bedürfnissen, Begehrlichkeiten
und Einschränkungen durch Dritte, erhält sein Handeln die
eigentümlich doppelte Qualität von "Freiheit": Frei ist er auch
in Ketten, aber jetzt auch in der Tat.
Vorausgesetzt wird natürlich ein negativer Bezug der Willens-
inhalte aufeinander, diese Voraussetzung wird aber niemals
problematisiert, allenfalls an anderen Orten separat gerecht-
fertigt. (philosophische Anthropologie, Psychologie, Rechts-
philosophie)
Also "Frei" sein heißt etwas mit seinen Mitteln tun zu können
obwohl das Normalste von der Welt die wechselseitige Bestreitung
der Mittel ist.
Die Deklaration von Freiheit macht nur Sinn unter den
Bedingungen der wechselseitigen Beschränkung. Diese Freiheit
schleppt den Schatten der Unfreiheit ständig mit sich herum
und will es nicht wahrhaben.
Die Verlängerung heißt natürlich: Freiheit ist ohne Gewalt
nicht zu haben. Und zwar eine unbeschränkt souveräne Gewalt,
die jeder wollen muß.
Hier spaltet sich der Wille. Und diese Realverrücktheit hat
den Namen "abstrakt freier Wille" bekommen: Wille zur
absoluten Geltung von Gewalt und zur bedingten Geltung von
durch Gewalt berechtigten Interessen.
Deswegen kann ein Staatsfanatiker wie Jörg Haider von der
"Freiheit die ich meine" sprechen, sich Freiheitlich nennen
und sein Geschäft mit dem eingebildeteten oder wirklichen
nationalen Notstand meinen.
Das nimmt nichts von dem zurück was Ihr über Freiheit
an sich gesagt habt. Dennoch muß diese Kritik der abstrakten
Freiheit in der Marktwirtschaft artikuliert werden, sie erledigt
sich nicht von selbst, auch wenn seit 1989 die Freiheitsrhetorik
ziemlich eingeschlafen ist. Wenn man aber diese Kritik nach-
vollzogen hat, dann fällt einem schwer, die Freiheit als Oberprädikat
der GPL-Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Auch eine rhetorische
Spitzenleistung à la "die Verantwortung ist in der Selbstentfaltung
enthalten" erinnert mich eher an Sprüche eines Sozialkundelehrers
als an eine substantielle Aussage über Realität. Verzeiht, das ist
doch Schrott! Wir haben doch das Interesse an einem wirklich
tragfähigen Gebäude, wollen wir wirklich schon im Fundament
Moralinsäure verwenden?
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