Message 03313 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT03195 Message: 13/17 L3 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Re: Gewalt



Casimir Purzelbaum wrote:

Es war Sun, Aug 26, 2001 at 05:48:13PM -0400, als Horibbeck aol.com schrieb:

...
Ich hoffe auch hier in dieser Gewalt-Diskussion auf geneigte Leser.


Vielen Dank!

Da war er wieder, der Gedanke, Gewalt könne auch da angeprangert
werden, wo sie als solche nicht direkt erkennbar ist. Mit anderen
Worten: Gewalt könne sich verkleiden und müsse daher entlarvt
werden usw.

Man stelle sich vor, jemand behauptete, rotes Licht sei also
immer weniger rot, sondern immer mehr grün... oder gar blau! Es
käme also nicht mehr wie gewohnt am unteren Ende des Spektrums
sichtbaren Lichts daher, sondern zunehmend am oberen. Man müsse
also nicht mehr so sehr seine Nähe zur Wärmestrahlung, sondern
seine zunehmend ultraviolette Dimension diskutieren -- usw.

(Tschuljung, ich will hier nicht den Text veralbern, auch nicht
das, was Schandl wahrscheinlich sagen wollte..., ich will
eigentlich nur auf die Unschärfe des Gewaltbegriffs hinweisen,
wie er hier verwendet wird, weil sie unter ungünstigen Umständen
zu verdammten Fehlinterpretationen führen kann...)

Wo ist hier das Problem?

Das Problem ist (in my humble op...), daß Gewalt hier als der
Inhalt verstanden wird und als solcher durchaus in verschiedenen
Gewändern (Formen) daher kommen könnte. Mir scheint es aber
naheliegender, Gewalt selbst als eine Form (der
Auseinandersetzung / Beziehung / Wechselwirkung oder so) zu
betrachten, in welchem Falle sie nicht in einer anderen Form
erscheinen kann, auch nicht der der Radioaktivität. Der Inhalt
der Gewalt ist bspw. die Ausübung von Zwang, Herrschaft,
Zerstörung, Unterwerfung, Ausbeutung usw. Gewalt ist die Form von
all diesem. Genauer, sie ist *eine* Form von all diesem, DENN
neben der gewaltsamen Form können all diese Beziehungen auch
anders durchgesetzt werden. Und das berechtigt uns noch nicht
dazu, immer von Gewalt zu sprechen, wo Ausbeutung, Unterwerfung,
Zerstörung usw. auftreten:


ohh, ohh, ohh das kling nicht schlecht. Mir kommt das alles etwas verwirrend vor. Ich meine... es kommt mir verwirrend vor, dass wir jetzt plötzlich so viele verschiedene Ansätze haben...


Ich kann einen Wächter K.O. schlagen oder ihn in den Schlaf
singen. Und in beiden Fällen habe ich ihn meinem Willen
unterworfen ("in die Knie gezwungen" sozusagen), aber nur in einem
Falle habe ich es gewaltsam getan.


O.K. wir wissen jetzt, dass du Gewalt nicht als inhalt, sondern als Form definierst.... Statt Inhalt würde ich besser Ziel oder Ergebnis sagen... aber gut... Jetzt bin ich aber seehr darauf gespannt, wie du diese 'Form' genau definierst... wie du sie von anderen Formen abgrenzt. Was ich aber aus ein paar früheren posts herauslese geht nämlich irgendwie in die Richtung, dass Gewalt schier endlos definiert wird.

Wenn ich sage, dass eine Kaufentscheidung Gewalt ist, weil diese Entscheidung dazu führt, dass einem Softwarehersteller an Umsatz mangelt... dann kann ich auch sagen, dass mein Atmen Gewalt ist, da es zu einem Luftstrudel beiträgt, der einen Schmetterling in Zentralaustralien an eine Schuppenwand klatscht, oder der dazu führt, dass der berühmte Sack Reis einem armen Chinesianer auf die Füße fällt.

Dies würde dazu führen, dass Tätigkeit Gewalt bedeutet, dass Entscheidung Gewalt bedeutet, mitsamt der Nichtentscheidung - und im Endeffekt auch mitsamt des Lebens, des Daseins. Das Leben und Gewalt synonym sind, oder zumindest direkt auseinander folgen erscheint mir als ein zu weiter Gewaltbegriff, um es vorsichtig auszudrücken.

Ich jedenfalls habe mich daran gemacht, eine andere Definition für diese Form zu finden...


Der Inhalt der Handlung ist in beiden Fällen gleich (-- zumindest
für alle Beteiligten außer dem Wächter--), ebenso das Ergebnis
der Tat (die Prinzessin konnte endlich befreit werden). Und
dennoch bin ich im einen Falle ohne Gewalt ausgekommen (und
überlasse die Gewalt dem, der den armen Wächter wahrscheinlich
bitter bestrafen wollen wird, sollte dieser nicht rechtzeitig die
Flucht ergreifen oder die Seite wechseln).

Oder sehe ich da zu kurz?

Du wärest IMHO in diesem Falle ohne Gewalt ausgekommen, wenn du den Wächter wirklich nur in den Schlaf gesungen hast. D.H. ganz einfach nur auf seinen Müdigkeits- und Schlafbedürfnis angesprochen hast - und ihm den Schlummer erleichtert... Dagegen wenn du - um bei dem Bild zu bleiben - durch irgendwelche Zauberkräfte solche beschwörenden Töne singen kannst, dass der Wächter ohnmächtig umfällt, dann nicht.

Somit habe ich auch schon zwei Kriterien:
1. Ich brauche eine gewisse Unmittelbarkeit (kein Sack Reis)
2. Ich brauche eine Schädigung, oder eine Überwindung von Widerstand, eine Gegensätzlichkeit von Zielen, um in diesem Fall(!) von Gewalt zu sprechen.

Verallgemeinernd schlage ich vor, dass eine dem Täter (!) erfahr- oder erkennbare Schlechtheit der Form der Tätigkeit vorliegen muss.

Das Opfer kann manchmal nicht genau feststellen, ob eine Schmerzhafte Einwirkung nun wirklich Gewalt war oder nicht. Meistens können Opfer aber mit Erfahrungswerten hantieren - und ganz genau abschätzen, was Gewalt ist - und was nicht. Das heisst aber noch lange nicht, dass im Falle einer Nichterkennung keine Gewalt vorliegt. Genausowenig heisst das aber, dass z.B. die Naturgewalten (die ja aus einer Personifizierung physikalischer Ereignisse entstanden) Gewalt sind.

Natürlich gibt es hierzu Kritik. Wie auch sonst ;-}...


--

                  °  °
               °        °
              °          °
              °          °
               °        °
                  °  °
-----------------------------------------
  http://www.demokratica.org Kooperate!
-----------------------------------------

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT03195 Message: 13/17 L3 [In index]
Message 03313 [Homepage] [Navigation]