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Re: [ox] Re: Gewalt



Es war Sun, Aug 26, 2001 at 05:48:13PM -0400, als Horibbeck aol.com schrieb:
...
Ich hoffe auch hier in dieser Gewalt-Diskussion auf geneigte Leser.

Vielen Dank!

DIALEKTIK UND DIMENSION DER GEWALT
22 ENTZAUBERNDE THESEN
von FRANZ SCHANDL
[...]

20.
    ...      Drittens: Nichtgewalt ist Gewalt. Normalerweise gilt
als Gewalt nur die sinnlich wahmehmbare und rechtlich
nachweisbare Schädigung von Objekten. Man glaubt von Tätern und
Opfern sprechen zu können. Doch mit fortschreitender Zivilisation
haben sich die Schäden zusehends vergesellschaftet, d.h. sie sind
viel seltener mittelbar als unmittelbar, können nicht dingfest
und personalisiert werden. Auswirkungen und Einwirkungen fallen
nicht unmittelbar zusammen, sie sind zeitlich und örtlich, kausal
und formal voneinander getrennt. Nicht jede Gewalt zeigt sich,
vor allem die ökologische Krise verdeutlicht das. Gewalt ist also
immer weniger indiskret und direkt, sondern diskret und leise,
mehr radioaktiv als aktiv. Mehr als ihre akute Seite muß man
heute ihre chronische Dimension thematisieren. Gewalt ist
jedenfalls primär von der vermittelten Auswirkung her zu
diskutieren, nicht von der unmittelbaren Einwirkung.


Da war er wieder, der Gedanke, Gewalt könne auch da angeprangert
werden, wo sie als solche nicht direkt erkennbar ist. Mit anderen
Worten: Gewalt könne sich verkleiden und müsse daher entlarvt
werden usw.

Man stelle sich vor, jemand behauptete, rotes Licht sei also
immer weniger rot, sondern immer mehr grün... oder gar blau! Es
käme also nicht mehr wie gewohnt am unteren Ende des Spektrums
sichtbaren Lichts daher, sondern zunehmend am oberen. Man müsse
also nicht mehr so sehr seine Nähe zur Wärmestrahlung, sondern
seine zunehmend ultraviolette Dimension diskutieren -- usw.

(Tschuljung, ich will hier nicht den Text veralbern, auch nicht
das, was Schandl wahrscheinlich sagen wollte..., ich will
eigentlich nur auf die Unschärfe des Gewaltbegriffs hinweisen,
wie er hier verwendet wird, weil sie unter ungünstigen Umständen
zu verdammten Fehlinterpretationen führen kann...)

Wo ist hier das Problem?

Das Problem ist (in my humble op...), daß Gewalt hier als der
Inhalt verstanden wird und als solcher durchaus in verschiedenen
Gewändern (Formen) daher kommen könnte. Mir scheint es aber
naheliegender, Gewalt selbst als eine Form (der
Auseinandersetzung / Beziehung / Wechselwirkung oder so) zu
betrachten, in welchem Falle sie nicht in einer anderen Form
erscheinen kann, auch nicht der der Radioaktivität. Der Inhalt
der Gewalt ist bspw. die Ausübung von Zwang, Herrschaft,
Zerstörung, Unterwerfung, Ausbeutung usw. Gewalt ist die Form von
all diesem. Genauer, sie ist *eine* Form von all diesem, DENN
neben der gewaltsamen Form können all diese Beziehungen auch
anders durchgesetzt werden. Und das berechtigt uns noch nicht
dazu, immer von Gewalt zu sprechen, wo Ausbeutung, Unterwerfung,
Zerstörung usw. auftreten:

Ich kann einen Wächter K.O. schlagen oder ihn in den Schlaf
singen. Und in beiden Fällen habe ich ihn meinem Willen
unterworfen ("in die Knie gezwungen" sozusagen), aber nur in einem
Falle habe ich es gewaltsam getan.

Der Inhalt der Handlung ist in beiden Fällen gleich (-- zumindest
für alle Beteiligten außer dem Wächter--), ebenso das Ergebnis
der Tat (die Prinzessin konnte endlich befreit werden). Und
dennoch bin ich im einen Falle ohne Gewalt ausgekommen (und
überlasse die Gewalt dem, der den armen Wächter wahrscheinlich
bitter bestrafen wollen wird, sollte dieser nicht rechtzeitig die
Flucht ergreifen oder die Seite wechseln).

Oder sehe ich da zu kurz?

Gruß,
Casimir.

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