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Re: [ox] Re: Geschlechterproporz und GPL-Gesellschaft



Hi Stefan!

At 14:49 10.03.02 [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Merten wrote:
BTW: Erfahrungsgemäß ist das Thema sehr heikel. Ich bin angenehm
überrascht, daß hier auch dieses Thema recht vernünftig behandelt
werden kann :-) .

Ich habe dieses Thema noch nicht als heikel erlebt (zumindest nicht haeufiger als andere aehnlich wichtige Themen), es koennte also auch an dir liegen. Du legst nahe, dass du schon auf Unvernunft gestossen bist, wenn du dich des Themas angenommen hast. Hier also ein paar Anmerkungen, um die Vernuenftigkeit noch einmal zu steigern:

Laufen nicht einige FeministInnen immer wieder Sturm gegen die Ungleichbehandlung der Frau im Islam?

Es ist verblueffend anzusehen, dass das Beispiel Frauen im Islam immer wieder und in den meisten Faellen von nicht-islamischen Maennern in die Diskussion gebracht wird. Z.B. auch jetzt im Zuge des Afghanistan-Krieges. Nicht-islamische Maenner sprechen oft vom Sexismus islamischer Maenner, was das wohl bedeutet?

Du sagst, dass einige Feministinnen Sturm laufen. Ja, es gibt sowohl in der feministischen Diskussion/Literatur wie auch ausserhalb eine ausfuehrliche Auseinandersetzung mit dieser spezifischen Ueberlagerung von Sexismus-Rassismus. Der islamische Mann, als solcher rassistisch ausgegrenzt, kann Frauen in seiner Eigenschaft als Mann unterdruecken. Da wirds in der Tat kompliziert fuer feministische Praxis und Theorie. Ein aehnliches Beispiel ist der Rassismus von weissen Frauen.

Was ich in diesem Zusammenhang vorschlagen moechte, ist auf dieses Beispiel zu verzichten oder, wenn es dir wirklich wichtig ist, es in der Komplexitaet, in der es in feministischer Theorie und Praxis diskutiert wird, tatsaechlich ernst zu nehmen, aber das waere ein eigener Thread.

Ansonsten gibts ein paar wichtige Richtigstellungen am Anfang der Mail von Benni unter dem Subject "[ox] Metastadt, Aufklärung, FS, Patriarchat". Hier nur ein zusaetzliche Anmerkungen. Eine Reihe deiner Feststellungen sind ganz einfach historisch falsch:

Ja, Hexenverbrennungen sind nicht Mittelalter, sondern Neuzeit. Dass das so schwer aus den Koepfen zu bekommen ist, ist schon erstaunlich. Die Geschichtsklitterung der Taeter hat phaenomenale Stehkraft.

Nein, alte Griechen haben sich nicht nur auf Dualismen kapriziert. Da kommt noch hinzu, dass die alten Griechen, wie wir sie kennen, das Produkt der (meist deutschen) Altphilologen des 19. Jahrhunderts sind. Diese uebersetzten, katalogisierten, waehlten aus und warfen weg. Und das alles taten sie beileibe nicht "objektiv", im Gegenteil: das "Griechentum" ist eine massgebliche ideologische Stuetze des deutschen buergerlichen Nationalismus im 19. Jh. und damit Waffe des deutschen Buergertums im Kampf mit dem Feudaladel. Erfolgreich haben sie tatsaechlich bis heute kaum hinterfragt "die Griechen" geschaffen, die immer wieder als Ressource angerufen werden, naemlich um die ueberzeitliche Geltung buergerlicher Ideen zu beweisen.

Und schliesslich: Dass es auch vor der europaeischen Aufklaerung Ungleichheiten zwischen Geschlechtern gibt, ist unbestritten. Jedoch aendert sich diese Ungleicheit mit den Zeitlaeuften ebenso wie jeder andere Bereich auch. Warum auch nicht? Die Unterschiede beispielsweise zwischen dem Geschlechterverhaeltnis des ausgehenden Mittelalters und dem der fruehen Neuzeit sind mittlerweile gut erforscht. Und, nein: Es war nicht schon immer so wie es heute ist.

mfg

Thomas

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