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Re: [ox] oekonux in parapluie



Hi Karin, Danke für den Link!

Am Montag, 13. Mai 2002 11:03 schrieb Karin Hinterleitner:
"Auch der sozialromantische Idealismus der Oekonux-Bewegung, der durch
die Verbreitung freier Software einen evolutionären Umbau der
Marktwirtschaft hin zu einer eigentumslosen Gesellschaft propagiert,
unterstützt die These von der ökonomischen Blindheit der Bewegung, weil
die vorhandenen ökonomischen und politischen Machtverteilungen einfach
außer Acht gelassen werden."

Ist schon witzig, wie ox von außen wahrgenommen wird: Das unerklärliche 
muß in bekannte Schubladen...

Vielleicht sollten wir Zitate über ox sammeln und damit die nächste 
Konferenz ankündigen?

Der ganze Artikel ist einsehbar unter:

http://parapluie.de/archiv/cyberkultur/opensource/index.html

Ich habe den Artikel gelesen. Hier mein Eindruck, ich nehme mal die 
Überschriften:

"Wie funktioniert Open-Source-Softwareentwicklung?"

Hier ist nur die Rede vom offenen Quellcode, nix von Selbstentfaltung und 
Selbstorganisation. Später kommt als Randbemerkung der "selbstbestimmtere 
Arbeitsprozeß" statt "lästiger Lohnarbeit". Als ob die "kooperative 
Entwicklung von Programmen" durch die Quelloffenheit selbst entsteht.

"Open-Source-Lizenzen"

Ich frage mich, ob Oekonux nicht auch an folgender Aussage mit Schuld 
sind: "Damit werden einige herkömmliche Eigentums- und Copyrightrechte 
ausgehebelt." - Das wird langsam ein Mythos. Ist es unverständlich, wenn 
von "Subversion" die Rede ist? Das hebelt doch kein "Recht" aus...

"Die Eigentumspraxis"

Hier wird Raymonds "Homesteading" referiert, der für bare Münze genommen 
wird ("Eigentum" als Analogie zur "Landnahme" in den USA im 19. Jh.), 
obwohl er später ERS als "kruden Biologisten" bezeichnet. Dann noch 
Tabus, damit das "Eigentum" funktioniert: gegen Forking, abweichende 
Versionierung, Löschen von Credits. Alles im ERS-Denkschema, wie es 
gerade in den Kram passt. Null Kritik des "kruden Biologisten".

"Parenthese: Kapitalismus und Open Source"

"Stallman geht es mit seinem Hippie-Idealismus um den Kampf gegen die 
marktbeherrschenden Softwarekonzerne im Sinne der bürgerlichen Freiheit, 
nicht um eine grundsätzliche Infragestellung des Systems. Raymond dagegen 
sieht im Markt die beste aller möglichen Organisationsformen der 
Gesellschaft." Stimmt. Dann das o.g. Zitat über Oekonux. Wie der der 
Autor darauf kommt, bleibt rätselhaft.

"Die Ökonomie der OS-Bewegung"

Jetzt kommt die "Erklärung", die ziemlich bekannte Leier der 
Aufmerksamkeitsökonomie / Geschenkökonomie, nur etwas Bourdieuscher 
formuliert: Es gehe um die Anhäufung von symbolischem Kapital: "Die 
Hackerkultur könnte demnach als eine Gabentauschkultur gefaßt werden. Das 
meiste Ansehen genießt derjenige, der der Gemeinschaft die größten 
Geschenke bereitet." - Gähn.

Dann aber die relativ beste Passage (um mal was Nettes zu schreiben): 
"Gabentausch ist nach Bourdieu die einzig akzeptable Form der (Waren-)­
Zirkulation in Gesellschaften, die ihre "wahre Lebensgrundlage" leugnen. 
Das trifft in gewissem Maß auch auf die Open-Source-Bewegung zu. 
Derartige Software-­Entwicklung findet in den Freiräumen statt, die 
(hochqualifizierte) Programmierer neben ihrer Arbeits- oder 
Ausbildungszeit haben. Also normalerweise außerhalb des regulären 
Ausbildungs- oder Beschäftigungsverhältnisses. Dieser 'Brotjob' ist 
jedoch die "wahre Lebensgrundlage". Das ist der 'blinde Fleck' der 
Ökonomie im Diskurs der Open-Source-Bewegung. Das eigene Verhältnis zur 
kapitalistischen (Software-)Produktion wird nicht thematisiert." - 
Hiermit meine ich vor allem den letzten Satz, aber auch nur im Sinne des 
"Hinterfragens": Das passiert nämlich in der Tat nicht.

Obwohl der Autor die "anders geartete Ökonomie" mit der Analogie erklären 
will, stellt er am Ende fest, dass genau die "ökonomische Basis" darüber 
nicht erklärt wird. Dazu müsse man sich noch die Machtstrukturen 
angucken.

"Macht"

Über die Tauschlogik der Warengesellschaft hinauszudenken schafft dieser 
Autor, der die "ökonomische Blindheit" kritisiert, dann doch nicht: "Eine 
Gabe bringt den Nehmenden, also den Nutzer des Programms, in die Schuld 
des Gebers. Es muß eine Gegengabe erfolgen, sei es in Form eines 
bugreports (dem Schildern eines Programmfehlers) oder gar eines patches 
(der Behebung eines Fehlers)." - Das ist schlicht bullshit. Er stellt 
fest, dass dies "keineswegs bei allen Benutzern" so ist, doch wieviel 
sind "keineswegs alle"? 50%? 5%? 0,5%? Oder vielleicht irgendwas im 
Promillebereich, was realistisch sein dürfte?

"Macht" ist also das zentrale Antriebsmotiv, wie üblich also, nur der Weg 
über den Gabentausch ist "subtiler". Und dann sind da auch noch die 
Firmen.

"Ausblick"

"Bemerkenswert an der Besiedlung des Internetraums ist die Tendenz zu 
"stammesorganisatorischen Verhaltensweisen" (McLuhan), die gerade auf die 
archaischen Mechanismen der Geschenkökonomie und der Ehre zurückgreifen."
Alles, was nicht Warenform hat, ist archaisch. So funktioniert das 
warenförmigen Bewusstsein der Kritiker "ökonomischer Blindheit". 
Wahrscheinlich ein frustrierter Altlinker: Von außen draufgeguckt, eigene 
romantische Erwartungen erwartungsgemäß nicht erfüllt, also abgehakt.

Ciao,
Stefan

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