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[ox] Die Entdeckung des Nordwestens (was:Re:Konkurrenz, Vielfalt und Selektion)




Hallo Thomas, Benni, und alle anderen!

Ich bin ein wenig frustriert über eure Weiterführung der Diskussion,
weil ich das Gefühl hab, etwa 80 Prozent von dem was ich geschrieben hab
nochmal wiederholen zu müssen. Ich versteh nicht, warum ihr euch so an
dem Pseudo-Dualismus Konkurrenz - Kooperation festhaltet, obwohl ihr doch
beide feststellt, dass es garkein richtiger Gegensatz oder Dualismus ist.

Thomas schreibt:

Was Benni meint - meiner Meinung nach - ist, dass sich eine ganze
Reihe von Dualismen in der Moderne fein saeuberlich und ohne grosse
Bedeutungsveraenderungen assoziieren lassen.  Der Dualismus
Kooperation-Konkurrenz ist Teil davon: Maenner konkurrieren
untereinander, Frauen kooperieren, mit Landsleuten kooperieren wir,
mit Auslaendern konkurrieren wir, usw.

Doch ohne dass es obigem widersprechen würde gilt genauso: Männer
kooperieren miteinander, Frauen konkurrieren, mit Landsleuten konkurrieren
wir, mit Ausländern kooperieren wir.  Und auch nicht nur mal so, mal
so sondern meistens zugleich.

Das Konkurrenz und Kooperation sich nicht widerspricht, ist keine
Neuentdeckung, sondern ist die Basis des Bürgertums. Der Markt und damit
das Geldwesen ist die Ermöglichung von Kooperation, ohne das
Konkurrenzprinzip des Patriarchats anzutasten. Es ermöglicht die
Geschäftsbeziehung: dass Menschen füreinander etwas tun, ohne
freundschaftlich verbunden zu sein.

Der Markt ist ja nicht nur ein (meist virtueller) Ort, wo Menschen
als Verkäufer oder Käufer konkurrieren, sondern zugleich auch ein
Ort der Vermittlung von Kooperationen (Waren oder Arbeit).  Die
Verknüpfung ist sogar noch enger: Die Kooperation ist das Objekt der
Konkurrenz, das, worum konkurriert wird.  Und zwischen den
Kooperierenden (Käufer und Verkäufer) wird auch wieder konkurriert:
Im Preis- bzw Lohnkampf um die Anteile am Gewinn aus der
Kooperation.

Zu was für einem Schaden soll das denn führen? Was ist denn die
besondere Beziehung zwischen Konkurrenz und Kooperation, so dass du
es immer wieder als Begriffspaar verwendest? Denn wenn es keine besondere
Beziehung gibt, wäre es genauso schädlich, Konkurrenz isoliert von
zB Kohlrouladen zu betrachten.

Es ist der Schaden, dass ein wichtiger Dualismus verkannt wird, der
wiederum andere Dualismen stuetzt und von jenen gestuetzt wird. Dualismen
der Art Konkurrenz-Kooperation sind ungemein resistent gegen Kritik, u.a.
gerade wegen der untergruendigen gegenseitigen Unterstuetzung der sich
assoziativ verstaerkenden Dualismen. Fuer viele Leute 'fuehlen sie sich
ganz einfach richtig an'.

Es fühlt sich richtig an, weils normal ist, weil die anderen auch so
denken und immer schon so gedacht haben. Es ist eben eine Ideologie,
die zu unserer Kultur und ihren anderen Mythen passt.  Aber das ist
kein Grund, dabei zu bleiben, wenn man schon erkannt hat, dass da
was nicht stimmt.

Grundlegende und nichthintergehbare Menschen- und
Gesellschaftsbilder speisen sich aus einem derartigen Gefuehl: _Der_ Mensch
ist so und so, _die_ Gesellschaft ist auf dies und jenes gegruendet. Das
macht diese Diskussionen immer wieder so muehsam und das macht es auch so
schwer, die Beziehung zwischen Kooperation und Konkurrenz (im Folgenden
zuweilen Koop-Konk genannt) einfach wegzudefinieren, wie es mir Jobst zu
machen scheint.

Wie also mit Dualismen, wie dem der Konkurrenz-Kooperation, an die so viele
"glauben" umgehen?

Es geht mir hier nicht um den allgemeinen Umgang mit Dualismen, sondern
darum festzustellen, dass Konkurrenz kein Gegensatz zur Kooperation ist,
und damit auch kein Dualismus, sondern höchstens ein Pseudo-Dualismus.

Gegensätze oder Polaritäten an sich sind nichts fieses, ich halte sie
für unverzichtbar zum Strukturieren von Weltmodellen. Problematisch
wirds erst in Verbindung mit "entweder/oder"-, "alles oder nichts"-
und "gut/böse" - Denken. Aber die Gegensätze müssen stimmen.
Wenn es möglich ist zugleich in Richtung mehr Konkurrenz und mehr
Kooperation zu gehen, dann kann es kein Gegensatz sein.

Wie früher schon gesagt, ist Gegensatz von Konkurrenz Solidarität
und der Gegensatz von Kooperation so etwas wie Autarkie. Zugleich
mehr Konkurrenz und mehr Solidarität zu fordern, geht höchstens in
Wahlprogrammen. Ebenso ist klar, dass es mehr Kooperation nur durch
Verminderung der Autarkie gibt und umgekehrt.

Das fatale und ideologische am Koop-Konk Pseudo-Dualismus ist,
dass er suggeriert, wir hätten nur die Wahl zwischen mehr Kooperation
und mehr Konkurrenz. Das ist so, als könnten wir nur wählen zwischen
nordwärts und westwärts. Auf europäisches Klima bezogen heißt das,
wenn es zu kalt wird, ist westwärts die Lösung, wenn es zu feucht
wird, ist Norden die angesagte Richtung. Und dann wundern wir uns,
warum wir in immer kältere und nässere Gegenden kommen, obwohl wir
doch genau das Gegenteil wollten.

In dieser Situation ist die Entdeckung der Kooperenz  wie die
Entdeckung des Nordwestens. Wir brauchen uns nicht zu entscheiden,
wir können beides haben. Papa wählt schwarz/gelb, Mama wählt rot/grün,
so werden wir beiden Seiten gerecht.

Süden und Osten sind auch nur Himmelsrichtungen wie Norden und Westen,
trotzdem glaub ich, dass ihre Entdeckung in dieser Situation mehr
bewirken könnte, als die Entdeckung des Nordwestens.

Gruß, Jobst




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