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Postmoderne - Re: Re[2]: [ox] Zum Begriff der Herrschaft



Hallo Thomas, Hallo Liste,

On Thu, Nov 07, 2002 at 01:04:32PM [PHONE NUMBER REMOVED], Thomas Berker wrote:
Anbei nur kurz eine Lesefrucht hierzu. Ausser dass es mir bei dem Wort
'postmodernism' die Zehennaegel hochstellt,

Warum?

a) weil postmodern als Begriff so gut wie nichts sagt und

Ich finde dieser Begriff wird zwar inflationär verwendet, er sagt aber schon
etwas entscheidendes aus. Mit ihm können zeitliche Veränderungen in der
Bedeutung von Begriffen, Ideen u.ä. deutlich gemacht werden. Es ist m.E.
sehr wichtig sich Gedanken zu machen wie und warum sich "die Dinge" im Laufe
der Zeit ändern.

b)das, was es sagt auch noch falsch ist: ich glaube nicht, dass wir
irgendwie nach der Moderne sind.

Aber sicher doch. In der Moderne waren Konzepte von Bedeutung, welche heute
nur noch belächelt werden, Bzw. Konzepte welche heutzutage "verbrannt" sind.
Die Unterscheidung fällt nur so schwer, weil diese Dinge meist in der
"Nachmoderne" in veränderter Form noch immer existent sind. Etwas konkreter:

Konzepte wie "nachholende Entwicklung (Industrialisierung)",
Entwicklungshilfe, Massenparteien, Staatskapitalismus, Liberalismus, "Bürger
in Uniform", "Blut und Boden (Lebensraumtheorie...)" oder Vorstellungen von
"Autos mit Kernenergieantrieb" u.v.a.m. haben sich grundlegend verändet.
Niemand verwendet diese Dinge noch so wie sie früher gemeint waren (wenn
überhaupt). Wenn sich solche Konzepte aber verändern, weil sich unsere ganze
Kultur verändert hat, dann kann man nicht behaupten das wir immernoch in der
selben Zeit leben.

Wenn wir also in einer neuen Zeit leben, dann muß man dem Ganzen auch einen
Namen geben, eben "Postmoderne".

Bleibt die Überlegung ob der Begriff überhaupt passend ist. Epochen kann man
mit Sicherheit nur im Nachhinein festlegen, wenn sie schon längst wieder
vorbei sind. Das die Konzepte der Gegenwart, wie etwa "die Idee der
Nachhaltigkeit", "lebenslanges Lernen", "Hilfe zur Selbsthilfe (bei der
Entwicklungshilfe)" sich mit Typisch "modernen" Konzepten vermischen zeigt
IMHO an, dass wir uns in einer Phase des Übergangs befinden. (Deswegen jagt
auch eine Kriese die Nächste. Zeiten des Umbruchs sind immer etwas rau.)

Somit ist unsere Zeit mit "Nachmoderne" gut charakterisiert: Wir leben nach
der Moderne, die Dinge haben sich verändert. Aber was das Neue ausmacht ist
noch im dunkeln. Wir sind doch merheitlich auf dieser Liste weil wir uns
fragen ob die Zukunft vielleicht eine etwas emanzipatorischere Zeit wird,
wie sie sich mit dem kooperativen Modell der Entwicklung Freier Software
andeutet. Einem Modell welches überhaupt nicht mit den Konzepten der Moderne
vereinbar ist.

Wenn der Begriff Postmoderne
irgendeinen Sinn macht, dann m.E. als Bewegung, die nochmal das
versucht, was moderne Bewegungen immer schon versucht haben: zu
ueberbieten, 'modern' zu sein, nicht altmodisch. Insofern: nichts ist
moderner als die Postmoderne.

Diese Sicht verdreht meiner Meinung nach die Dinge, "modern" hat nichts mit
der "Moderne" zu tun.
Die "Bewegungen" der Moderne (politisch etwa der Nationalsozialismus oder
ökonomisch der Fordismus...) waren in ihrer Zeit "modern" (von aktuell) aber
heute...?

Ich glaube auch nicht das, dass typische Charakteristikum der Moderne der
Wunsch danach "nicht altmodisch zu sein" ist. Viel entscheidender war ein
naiver, rücksichtsloser, unreflektierter Fortschrittsglaube, der im
Zeitalter der "Technikfolgenabschätzung", von "Nachhaltigkeit" und
"Windenergie" von Niemanden mehr ernstzunehmend propagiert wird.

Ich weiß, dass sich heutzutage noch viele Einzelbeispiele für diese Art
Fortschrittsglauben finden lassen. Etwa das "Drei Schluchten
Staudammprojekt" in China. Aber es ist gleichzeitig auch Gegenbeispiel da
die internationale Unterstützung, wegen sozialer und ökologischer Probleme,
gestrichen wurde. - Das ist m.E. postmodern :-)

beste Grüße,
AndreasFH

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