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[ox] Freie Software und Umsonstläden, war: bildet NutzerInnen....



holger jhweiss.de schreibt:
Freie Software steht in einem Spannungsverhaeltnis zu kapitalistischer
Produktion, der Umsonstladen (wenn ich ihn recht verstehe) nicht. Fuer
freie Software _an sich_ bekomme ich kein Geld, kapitalistische
Produktion freier Software ist damit erstmal nicht moeglich. Obendrein
untergraebt freie Software, wenn sie denn erfolgreich ist, die
Profitmoeglichkeiten der proprietaeren Konkurrenz. Ernstzunehmen ist
dieser Widerspruch nur dann, wenn man annimmt, dass die
Produktionsprinzipien freier Software _produktiver_ als die der
proprietaeren Software sind. Da genau das m.E. der Fall ist, gibt es
Strategien, diesen Produktivitaetsvorsprung indirekt in kapitalistische
Strukturen einzubinden, siehe RedHat und Co. Dass es, wenn ueberhaupt,
nur indirekt funktioniert, zeigt den Widerspruch.

Prinzipiell stimme ich zu, aber nur prinzipiell. Denn die Sache
mit der Produktivität verhält sich wohl etwas komplizierter. 
In seligen Anfangszeiten von oekonux hat Sabine Nuß von der Prokla
immer die Position vertreten, daß diese indirekte Einbindung in 
kapitalistische Verwertungsstrukturen, weil sie ja auch neue
Profitmöglichkeiten schafft (Service, Systemintegration, Hardware)
in keinem gravierenden Widerspruch zur kapitalistischen Produktion stehe,
lediglich zur Organisationsweise eines bestimmten Geschäftszweiges.
(ich hoffe ich interpretiere sie richtig). Leider hört man von den
"Anti-Keimformtheoretikern" zuletzt recht wenig.

Das mit der Produktivität wird allerdings dann ein Hammer, wenn es
unter Einbindung freier Software zu einem "kooperativen Kreislauf-
schluß" (U.Sigor) zwischen verschiedenen Produzenten kommt, die
die regionale oder sektorielle Demonetarisierung zugunsten von 
nachhaltigen Absprachen vorantreibt. Oder wenn die dezentrale 
Möglichkeit "organisierter Eigenarbeit" (C.Offe) durch Erhöhung 
des Automationsgrades und die massenhafte Verbreitung von 
"Prosumentenwerkzeugen" zunimmt.  Dann wird immer weniger
Kapitalvorschuß in der gesellschaftlichen Produktion benötigt, 
Arbeit löst sich aus der formellen und reellen Subsumtion unters Kapital,
"freie Assoziation der Produzenten" ist dann kein Euphemismus mehr für
Fabrikdiktatur, sondern tatsächliche und sachliche Notwendigkeit.

Also müßtest Du genauer argumentieren wie Du das mit dem 
Produktivitätsbegriff gemeint hast, der sich ja bei Marx andauernd 
"verengt" und "erweitert", was aber kein subjektiver Fehler ist,
sondern Zynismus der Verhältnisse. Zunächst ist alles, was die 
Arbeit produktiver macht, gestiegene Macht des Kapitals. Da macht
die freie Software keine Ausnahme. Daß sie trotzdem "Keimform"
transkapitalistischer Vergesellschaftung ist, glaube ich auch, aber
da sehe ich das Hinzutreten von zusätzlichen Elementen gefordert, 
siehe oben. Produktivität, die zu neuen Produktionsverhältnissen
führt, entfaltet sich zunächst in alten. 


Ein Umsonstladen steht im Unterschied hierzu m.E. in keinem Widerspruch
zu kapitalistischer Produktion. Es werden ja nur die gebrauchten,
kapitalistisch produzierten Produkte weggegeben. Damit steht der
Umsonstladen nicht in "Konkurrenz" zu kapitalistischer Produktion,
sondern hoechstens in Konkurrenz zur "Zu Verschenken"-Rubrik der lokalen
Gebrauchtwarenzeitung. Ob Du die Sachen wegschmeisst, in der Zeitung
annoncierst oder in einen Umsonstladen gibst, ist der kapitalistischen
Produktion herzlich egal. An anderer Stelle hast Du gesagt, dass genau
das ja Sinn der Sache sei (dass Umsonstlaeden nichts mit Kapitalismus zu
tun haben, also in keinem Verhaeltnis zu ihm stehen, auch nicht in einem
Widerspruchsverhaeltnis). Kann ja sein. Das bedeutet nur, dass der
Umsonstladen kein Schritt hin zur Abschaffung des Aequivalenzprinzips
ist -- es bedeutet, dass freie Software "revolutionaerer" ist, weil sie
sich mit kapitalistischen Produktionsprinzipien "anlegt".

Ich stimme mit Dir hier nicht überein, aber wir haben wohl beide zuwenig
Wissen um Umsonstläden. Genauso wie sich freie Software mit dem 
"geistigen Eigentum" und der Informationsrente "anlegt", könnten 
Umsonstläden dem Prinzip der Verkürzung der Umschlagszeit des 
kommerziellen Kapitals entgegenwirken, gekoppelt mit Werkstätten etc.
Glas halbleer oder halbvoll, gilt für beides.

Recht hast Du in einem: kapitalistisch produzierte Waren haben oft etwas
hochgradig Verschleißendes eingebaut, sie sind in der Regel auf schmale
Geldbörsen und damit geminderte Qualitätserfordernisse raffiniert. Kaum
entfernst Du die Verpackung, ist schon der halbe Gebrauchswert futsch.
Also ist ein "Umsonstladen" zunächst sowas wie ein etwas komplizierterer 
Entsorgungsprozeß. Wie andernthreads mit Stefan Mn besprochen, ist 
es allerdings auch ein Ort, in dem sich die Konsummonaden ihre eigenen
Möglichkeiten und Grenzen gemeinschaftlich anschauen können, ganz 
analog den Tauschkreisen, die wiederum das Moment der Produktion an sich 
haben. (was sie vom Umsonstladen unterscheidet)

Vorschlag also, daß sich diese "Szenen" dessen bewußt sind, daß die 
Trennung von Konsum und Produktion das Alpha und Omega der
entfremdeten Warenwelt ist. 

Wir hatten in Wien bis vor einem Jahr ein Kunstprojekt, das nannte sich
"Point of Sale". Dort wurden ganz normale Produkte und ökologische
zugleich verkauft, und zugleich mit dem Verkauf gab es Einblicke in
die Produktion. Ein Umsonstladen kann auf viele Arten sozialer 
Fokus werden, mehr als ein Aldi oder Zielpunkt. Das Bedürfnis wird
jedenfalls stärker, über die Senkung der Lebenshaltungskosten bei 
gleichzeitiger Erhaltung der Lebensgrundlagen durch Koops auch eine
soziale Re-Integration und die Basis für Selbstbestimmung und gemeinsame
Vorhaben zu schaffen. Hier verläuft vielleicht eine Frontlinie gegen die
halbwahnsinnigen Ich-AG-Unmöglichkeiten. Und sie verläuft lokal, in
der Lebenswelt, im Stadtteil.

2. Vorschlag also: nicht freie Software gegen Umsonstläden aufrechnen,
sondern sich eher zu überlegen, was aus der Kombination beider und
weiterer Elemente werden kann....und wenns nur ein Distributionszentrum
für Debian CDs ist....

Franz


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Organisation: projekt oekonux.de


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