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[ox] Re: Tausch und Entfremdung



Lieber Uli, liebe Liste!

Last week (7 days ago) Uli Frank wrote:
Stefan Merten schrieb:
.....
...schöne Gedanken zu dem Thema - finde ich-, lieber Stefan!

:-)

Ich wäre allerdings sehr gespannt (für meine eigene Lebenspraxis) , WIE und WO du das
Beschriebene praktisch machst:

Dagegen hilft nur eins: Konsequent bekämpfen. Ich versuche für mich
seit einiger Zeit das Tauschprinzip auch in meinem persönlichen
Verhalten zu bekämpfen. Und ich bin immer wieder angenehm überrascht,
wie ich mich den *Menschen* annähere, wenn diese Entfremdungsfolie
erstmal weg ist. Das klappt zwar besser, wenn das gegenseitig
funktioniert, aber oft hilft es auch klar zu machen: "Ich mache keinen
Deal.". Auch wenn eine solche Position oft erstmal überrascht, ist es
doch verblüffend zu sehen, wie plötzlich die konkreten Probleme wieder
in den Vordergrund rücken, die durch den Deal übergangen worden wären.

Dabei stirbt übrigens auch gleich ganz schmerzlos das formale
Gleichheitsprinzip. Nur weil ich ein bestimmtes Bedürfnis habe - oder
auch nicht -, muss es jemensch anders noch lange nicht haben - oder
hat es eben doch. Unter formalem Gleichheitsprinzip geht das nicht
richtig gut. Bei der Orientierung auf die Bedürfnisse ist das dagegen
die Regel.


Na ja, nicht gerade an der Kasse im Supermarkt ;-) .

Ich finde, dass es in persönlichen Beziehungen da schon Ansatzpunkte
gibt. Denn auch dort ist - leider - manchmal so einiges als
Tauschverhältnis organisiert. Aber kommt auch immer sehr auf das
Gegenüber an.

In gewisser Weise ist es auch eine Erlösung, denn wenn bis hierher
alles einigermaßen richtig ist, dann muss das bessere Leben auch schon
heute spürbar sein. Und ich denke, nein: ich spüre, dass es das ist.


Ich auch. Da sehe ich den Grundfehler von KRISIS usw. (den Totalitätstheoretikern- übrigens
auch schon im ersten Satz des K1)
Unter der Dominanz der Warenproduktion ist nicht ALLES warenförmig. Offensichtlich gibt es
auch andere Erfahrungen und sind andere Erfahrungen MÖGLICH.

Ich würde heute so sagen: Der Mensch hat viele unterschiedliche
Potenzen, die in ihm schlummern. (Vielleicht könnte das sogar als ein
Wesensmerkmal verstanden werden?) Welche der schlummernden Potenzen
tatsächlich in einem konkreten Leben realisiert werden, hängt
wesentlich vom konkreten gesellschaftlichen Umfeld ab. Im Kapitalismus
werden bestimmte Potenzen abgerufen, im Feudalismus waren es andere
und in der GPL-Gesellschaft werden es wieder andere sein. Aus dieser
Sicht kann es gar keine Totalität geben :-) .

Allerdings muß ich auch immer wieder gut aufpassen, was bei mir gerade abläuft.

Ja, das ist wichtig.

Ich brauche unbedingt andere Menschen dazu, wenn ich weiterkommen kann.(zB diese Diskussion
hier gerade)

:-)

Meine eigene Erfahrung:
Ich stelle ja seit Jahren mein Haus, eine alte Dorfkneipe,

Wo ich auch noch nicht war. Kommt aber ganz bestimmt irgendwann :-) .

für Veranstaltungen,
Gruppensitzungen, Tagungen usw. zur Verfügung. (Immer ohne Geld und ohne Tauschzwang oder
irgendwelche Komplementärwährungen). Es können bis zu 20 Leute hier wohnen, feiern,
diskutieren.
Genau das finde ich richtig und schön. Es ist meine Bedürfnis und gefällt mir- Schon seit
Jahrzehnten möchte ich nicht privatistisch leben, des Haus soll irgendwie vielen gehören .

Ok. Ich glaube dein Bedürfnis habe ich verstanden.

Trotzdem bin ich manchmal etwas niedergeschlagen, wenn ich hinter Gruppen herräumen,
Glühbirnen einschrauben, Matratzen zurückbringen, usw. muß.

Ich versuch's mal theoretisch zu fassen: Das sind alles Tätigkeiten,
die dein Bedürfnis zur Realisierung braucht - Notwendigkeiten also.

Gleichzeitig hast du das Gefühl, dass zumindest einige dieser
Notwendigkeiten von den NutzerInnen deiner Einrichtungen selbst
erledigt werden könnten - als Ausfluss ihrer Selbstverantwortung
gewissermassen. Das kann ich gut verstehen :-) .

Was sich mir aufdrängt ist so eine Art Hausordnung. Die Leute, die
deine Einrichtungen nutzen wollen, haben sich an ein paar einfache
Regeln zu halten - damit du nicht hinterher räumen musst. Das käme
dann deiner Selbstentfaltung zu Gute, weil du dich weniger mit den
lästigen Notwendigkeiten befassen müsstest. Das fände ich völlig
legitim und mit deinem Bedürfnis gut begründet.

Oder wenn ich das Dach
reparieren muß und weiß, daß von den Nutzern des Hauses, die sich begeistert von mir
verabschieden, fast niemand weiß, wieviel Arbeit mit so einem alten Fachwerkhaus verbunden
ist.

Das ist ein schwierigeres Problem. Bei dieser Tätigkeit handelt es
sich nach meinem Gefühl mehr um eine allgemeine Instandhaltung. Da ist
es in der Tat schwieriger. Aber wenn dir der andere lästige Kram
genommen würde, dann könnte dir das ja auch leichter fallen?

Da kommt doch so ein Gefühl bei mir auf, daß das Verhältnis von Geben und Nehmen nicht
recht stimmt. Ist das nur die alte Logik?

Wie würde es aus deiner Sicht mit bedürfnisorientierter Logik
aussehen? Du hast ein Bedürfnis, das andere nicht erfüllen wollen -
die du aber gleichzeitig als Gäste möchtest. Ein klassischer Fall von
Güterabwägung fürchte ich.

Mit Geben und Nehmen im Sinne von Tausch hat das aber m.E. nicht so
sehr viel zu tun, da du ja andere Bedürfnisse haben könntest und dann
das Geben-/Nehmen-Verhältnis anders aussähe. Bei Tausch wäre die
Grundlage aber unveränderbarer - nämlich der Preis deiner
Arbeitskraft.

Habe ich zu wenig Energie, meine Ansprüche
deutlicher zu äußern?

Das klingt für mich durch, ja.

Aber ich möchte mich auch nicht selber vergewaltigen und immer
verhandeln, andere auf Gedankenlosigkeiten aufmerksam machen, Leute nach- zu sozialisieren
usw.

Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich *das* nachvollziehen kann
;-) . Ich finde es aber völlig legitim, auch eigene Bedürfnisse
anzumelden. Leider fällt das den Deutschen immer ungeheuer schwer -
oder es wird gleich zum Kommandoton. Mein Eindruck ist, dass wir
Deutsche es hier von unserer Kultur her sehr viel schwieriger haben,
als z.B. die Briten. BTW: Aus dieser Schwierigkeit nehme ich mich
überhaupt nicht aus :-( .

Wie geht das also?

Mein Cent.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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