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Re: [ox] interessantes Interwiev



* Michael Hoennig <michael hostsharing.net> [2004-06-06 10:07]:
Ich sehe das Aufzeigen dieser Zusammenhänge hier durchaus als On-Topic an,
detaillierte Erklärungen aber nicht mehr.

Merkwuerdige Unterscheidung, aber ich hab nix dagegen, die Diskussion
nach [chox] zu verschieben.

Informiere dich am besten mal über die Zusammenhänge, z.B. auf
http://www.inwo.de,

Ja, bin gerade dabei, mir auch diese Seite anzuschauen. Nur, wie Dir
sicher bewusst ist, ist das einfach die zigste Neuauflage der alten
(proudhonschen/gesellschen) Idee vom dem freien Markt einschraenkenden
Zins. Haette ich die Idee nicht schon gekannt, haette ich sie nicht
kritisiert.

Das Problem ist wie gesagt, dass hier der Zins unvermittelt als etwas
der Warenproduktion aeusserliches, quasi isoliert in die Welt gesetztes
(und daher ebenso isoliert wieder abschaffbares) eingefuehrt wird,
waehrend die Produktion ignoriert wird. Auf dieser Grundlage kann das
sich im Tausch durchsetzende Aeuqivalenzprinzip der von der Produktion
scheinbar unabhaengigen Zirkulationssphaere affirmativ akzeptiert und
dem "leistungslosen Einkommen", dem Zins, gegenuebergestellt, bzw. als
Massstab seiner Kritik genommen werden. Der Tauschwert, also der Zweck
der Warenproduktion, kann, wird und soll so aber nicht mehr als etwas
dem Gebrauchswert entgegengesetztes kritisiert werden, weil dieser schon
in der Wertform der Ware (nicht erst im Geld, Kapital oder Zins)
entwickelte Gegensatz in diesem Kontext vollkommen uninteressant
scheint. Wir haben ja gleich ganz oben, beim hell an der Oberflaeche
leuchtenden Zins angefangen und auf diese Weise schon das eigentliche
Problem inklusive Loesung erfasst; warum sollten wir uns dann noch mit
sowas langweiligem wie der oekonomischen Analyse von Wert und Ware
abgeben.

Zins ist leistungsloses Einkommen, d.h. andere müssen dafür arbeiten.

Das stimmt auch abgesehen von eventuellen "Erpressungsmoeglichkeiten",
allerdings schon fuer den Profit des produktiven Kapitals, nicht erst
fuer den daraus an das Geldkapital gezahlten Zins.

Profit und Zins sind aquivanlent, das wird gerne übersehen.

Profit, welchen die Unternehmen als Resultat der Produktion erzielen,
und Zins, welchen sie daraus zahlen, sind nicht aequivalent. Letzterer
ist nur ein Moment des ersteren, aus welchem noch einiges mehr "gezahlt"
werden muss. Umgekehrt wird das heutige Ausmass der Kapitalisierung von
Geld erst durch den Zins ermoeglicht (ohne Zins wuerde ich mein Geld
nicht zur Bank bringen), insofern wird er gewissermassen auch zur
Voraussetzung des Profits und nicht einfach zu dessen Verhinderung, wie
bei Gesell. Aber mein eigentlicher Punkt hatte ja eh nichts mit dieser
Unterscheidung zu tun, sondern bezog sich auf "andere muessen dafuer
arbeiten", fuer den Profit und damit auch den Zins. Die Produzenten
muessen einfach deshalb fuer andere arbeiten, weil sie die Bedingungen
der Produktion nicht selbst in der Hand haben, nicht weil "die anderen"
ihr Geld zurueck halten koennten. Haetten erstere die Bedingungen in der
Hand, koennten letztere ihr Geld zurueck halten, wie sie wollen. Da die
Freiwirte aber nichts daran aendern wollen, dass die Produzenten die
Bedingungen der Produktion nicht in der Hand haben, wuerden sie auch
nichts daran aendern, dass die Produzenten fuer diejenigen arbeiten
muessen, die sie in der Hand haben.

Das "leistungslose Einkommen" des Kapitals (der Profit und damit auch
der Zins) wird qua Privateigentum an den Produktionsmitteln ermoeglicht,
nicht qua Rueckzugsdrohung. Profit und Zins werden natuerlich ueberhaupt
nur dann erzielt, wenn das produktive Kapital sich _nicht_ zurueckzieht,
sondern verwertet.

Das ist der große Irrtum der Kommunisten,

Wenn Zins auch ohne Produktion erzielt werden kann, kann das ja nur
bedeuten, dass derjenige, der die Zinsen einnimmt, sich nix davon kaufen
kann, denn das haette ja erst produziert werden muessen. Oder?

das hatte schon Keynes erkannt.

Ja, den Keynes moegt Ihr, weil er die Neoklassik auch bezueglich des
Zinses kritisiert, ohne die Oberflaeche der Zirkulationssphaere zu
verlassen. Sein Punkt in diesem Zusammenhang ist ja, dass die Neoklassik
falsch liege, wenn sie behauptet, auf dem Markt wuerde via Angebot und
Nachfrage "automatisch" ein Zinssatz ausgehandelt, der Sparen und
Investitionen in's Gleichgewicht bringt. Stattdessen gaebe es die
Tendenz, Geld zurueck zu halten, um liquide zu bleiben (diesen Anreiz
bezeichnet er als die "Liquiditaetspraemie" des Geldes). Daher bleibt
der Zins u.U. zu hoch, als dass ansonsten moegliche Investitionen
getaetigt wuerden. Soweit, so einig ist sich Keynes bezueglich des
systematisch investitionshemmenden Zinssatzes mit Freiwirt Gesell. Zur
Ehrenrettung von Keynes muss man aber dazu sagen, dass dem Keynes die
gesell'sche Loesung "Stempelgeld" (bzw. Dein "Schwundgeld") dann doch zu
billig ist:

| [Gesell war] sich nicht bewusst, dass das Geld nicht einzigartig darin
| ist, dass ihm eine Liquiditaetspraemie anhaftet, sondern in dieser
| Beziehung nur im Grad von vielen anderen Waren abweicht, und dass seine
| Bedeutung daher ruehrt, dass es eine _groessere_ Liquiditaetspraemie als
| irgendeine andere Ware hat. Wenn den Banknoten somit durch das
| Stempelsystem ihre Liquiditaetspraemie genommen wuerde, wuerde eine
| lange Reihe von Ersatzmitteln in ihre Fusstapfen treten -- Bankgeld,
| taeglich abrufbare Darlehen, auslaendisches Geld, Juwelen und die
| Edelmetalle im allgemeinen und so weiter. ('General Theory', S. 302)

Holger

-- 
"Cursor keys don't work in insert mode in vi. If they do, it's not the
real vi, just a cheap plastic imitation."
 
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