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[ox-de-raw] Re: [ox-de] Re: Nochmal: gesellschaftliche Natur



Hallo Jac,

danke für deine sehr klaren Ergänzungen, insbesondere noch einmal der
Betonung, dass es auch aus deiner Sicht primär auf die interpersonalen
Beziehungen unter Berücksichtigung *beider* Enden ankommt.

Jac wrote:
Das Wesen der Gesellschaft sind die interpersonalen Beziehungen der 
Individuen untereinander. "Einzelinstanz einer Gemeinschaft" bedeutet
hier, daß von den Individuen interpersonale Beziehungen eingegangen
oder verweigert werden, zum Begreifen dieser Beziehungen aber immer
die Betrachtung von mindestens zwei Instanzen oder Individuen einer
Gemeinschaft gehört - von Sender und Empfänger, wenn man so will.

Man sollte hier nicht die gesellschaftliche Wirkung interpersonaler
Beziehungen auf das Wesen des Individuums mit der Betrachtung der
Gesellschaft als ihrem Wesen nach ein Geflecht interpersonaler
Beziehungen vermengen. Sonst kommen da solche Scheinargumente
wie oben heraus, durch die ihr beide lange aneinander vorbeireden
könnt.

------

Wobei die Verwertungslogik nur eine Verschleierung der Logik des
Machtmodelles ist. Übe ich Macht aus, um ein mir zusagendes
Verhalten eines anderen zu erzwingen, welches dieser mir gegenüber
augenblicklich nicht zeigt bzw. auch nicht auf die Idee kommt, es mir
gegenüber jetzt zu zeigen, so verwerte ich ihn. Ich handle stark
narzisstisch, indem ich den anderen zu benutzen suche wie ein
Körperteil von mir, indem ich ihn und sein mir zusagendes, von ihm
erzwungenes Verhalten zur Funktion meines Wohles mache.

In diesem Sinne transportiert die Verwertungslogik etwas und ist nicht
"das Übel" selbst. Wenn ich für eine genauere Analyse der Wertform
plädiere, dann will ich das endlich mal sauber auseinandernehmen und
nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Und habe hierzu seit längerem
klare Thesen.

Dass ich hier mit anderen "Ossis" was gemeinsam habe ist mir durchaus
ein Trost:

(Stefan Meretz am 19.9.)
Das ist völlig nachvollziehbar, dass auch Heinz P. genauso wie du und 
Ruben und die wahrscheinlich übergroße Mehrheit der Ossis (die das 
überhaupt noch interessiert) so argumentieren. Es ist - und das wurde 
von Seiten der unterschiedlichen Richtungen der Wertkritik bis in die 
kleinsten Winkelzüge ausargumentiert - trotzdem nicht haltbar. Es ist 
menschlich und aus der Geschichte der Theorieentwicklung im Osten 
völlig nachvollziehbar, aber trotzdem falsch. (Ja, ja, das ist _meine_ 
Meinung etc. pp.)

Ich glaube nicht, dass diese "Ossis" (etwa Ruben - im Übrigen auch
"Südis" wie Peter Fleissner) die Wertkritik nicht sehr genau studiert
haben. Scheint ihnen (wie mir) trotzdem nicht plausibel zu sein. Mit der
Kategorie "falsch" habe ich in dem Zusammenhang meine Schwierigkeiten.
Sie riecht so sehr nach letzten Wahrheiten. Kann sein, dass da meine
Ossi-Nase in 40 Jahren (na gut, bei mir nur 35) besonders geschädigt wurde.

Das Dilemma dieser Gesellschaft besteht auch darin, die gesellschaftliche
Produktion des Lebens größtenteils verkürzt auf die ökonomische Produktion
zu begreifen, in den Begriffen der Ökonomie zu denken und sich der weiter
gehenden Dimension der Produktion des Lebens im reflexiven Bereich zu
verweigern. Die Produktion des Lebens erzeugt ein dialektisches Verhältnis
zwischen der Persönlichkeit des gesellschaftlichen Individuums und der
sozial-ökonomischen und reflexiven Struktur der Gesellschaft. Es werden
Individuen geformt, die nicht einfach "die Gesellschaft beliebig neu erfinden
können", eben weil ihr Leben in der alten Gesellschaft ihr ganzes Wesen so
geformt hat, daß es ohne Therapie, ohne ein Anknüpfen an den Prozess der
Entwicklung eigener Autonomie (als Übereinstimmung mit allen Gefühlen,
Wünschen und Bedürfnissen) nur in die alte Gesellschaft paßt.

Zustimmung. Womit wir relativ zügig thematisch beim Potsdamer Manifest sind.

s.mz: Diese schließt ein, auch "nein" sagen zu können - und das tue
ich an der Stelle. Der Grund dafür ist, dass ich diverse 
Rechtfertigungs- und reziproke Vorwurfsrunden für nicht sinnvoll 
halte. Ich habe meinen Eindruck geschildert und Hans-Gert seinen - 
und gut ist es (erstmal).

Womit Du durch die Hintertür die Illusion einer Unabhängigkeit  von der 
Formung des Wesens des Menschen durch die Gesellschaft - seiner 
Persönlichkeit - wieder einführst. 

Nein, Jac, dieses "Nein"-Sagen ist m.E. diskursiv motiviert und eine
Form des "Ich"-Sagens, für das du gerade eben noch vehement eine Lanze
gebrochen hast. AUßerordentlich sinnvoll als Reaktion auf meinen
Diskursteil, um die Debatte wirklich auf die analytische Ebene zu
bekommen. Sozusagen "kühlen Kopf zu bewahren." Gerade Stefan eine solche
"Illusion" zu unterstellen halte ich für abwegig.

Viele Grüße, hgg

-- 

  Prof. Dr. Hans-Gert Graebe, Inst. Informatik, Univ. Leipzig
  Augustusplatz, D-04109 Leipzig, Raum 5-53	
  tel. : +49 341 97 32248
  email: graebe informatik.uni-leipzig.de
  Home Page: http://www.informatik.uni-leipzig.de/~graebe




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