Message 00435 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT00319 Message: 15/34 L4 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] GPL-Gesellschaft - Linux - Ware - Produktionsmittel



Hi Beni, Phil, Thomas, Listige!

Ein paar Gedanken zu diesem Thread.

8 days ago Benedikt Huber wrote:
Lizenzen und Copyrights sind DIE Profitquelle des Informations-
zeitalters.

In gewisser Weise. Mir deucht, daß das Copyright vielleicht schon
immer ein etwas aufgesetztes Gewaltverhältnis war. Ich sage mal so:
Solange die immateriellen Informationsgüter so fest an materielle
Güter gebunden waren, wie z.B. der Inhalt eines Buches an die Seiten
eben dieses Buches, solange ist Copyright kein Thema.

Schon mit der Einführung von Kopierern traten hier erste Probleme auf
und es gab extra rechtliche Regelungen dafür (7 Kopien erlaubt).
Anyway ist unser bürgerliches Recht m.W. sehr stark auf materielles
Eigentum ausgelegt. Der Diebstahl von Strom z.B. erforderte ganz neue
Gesetze.

Kopierer stellten aber noch nicht ein so großes Problem dar, da sie
nicht in der Lage waren, Bücher 1:1 zu duplizieren - weder in der
Druckqualität noch im sonstigen materiellen Aufbau. Auch die von der
Musikindustrie anfangs so gefürchteten CompactCassetten haben via
Aufpreis und GEMA eine Verrechtlichung bekommen. Beides war nur
möglich, weil durch die analoge Arbeitsweise Qualitätsverluste so
stark eingebaut waren, daß eine Kopienkette nicht unendlich lang
werden konnte.

Richtig absurd wird die ganze Copyright-Idee - wohl auch im Bewußtsein
des Alltagsmenschen - eigentlich erst seit der Existenz digitaler
Kopien. Es wird ja niemenschem etwas genommen wenn eine Kopie
angefertigt wird. Daß dem Verkäufer der Ware durch die Kopie ein
Gewinn entgeht, ist erstens nicht wahr (M$ wäre ja ohne Raubkopien
wohl nie so groß geworden) und zweitens schon nur noch mittels
mehrerer Ebenen vermittelbar.

Das ist mir wichtig, weil dies bei materiellen Dingen anders ist -
zumindest wenn ich an Besitz denke. Da ist aus der unmittelbaren
Lebenswelt jeder Einzelnen klar: Wenn ich es benutze, kann es
niemensch sonst benutzen. Eigentum ist schon schwieriger zu vermitteln
und braucht infolgedessen auch mehr Gewalt zur Durchsetzung.

BTW: Ich weiß auch noch nicht genau worauf ich hinaus will. Aber das
(digitale) Kopieren an sich scheint mir immer mehr eine ganz wichtige
Sache zu sein.

Das (bis vorgestern) reichste Unternehmen der Welt, Microsoft
besitzt fast nichts ausser den völlig immateriellen Lizenzen
an Softwareprodukten und - wichtiger - Standarts.

Na, welche "Standards" sollen das denn sein? Word-Format z.B. ist ja
wohl kein Standard im Sinne des Wortes.

Worum wird auf Weltwitschaftgipfeln gestritten? Um Patente und
Lizenzrechte an Software, Teilen des Genpools, und anderen
geistigen, immateriellen Gütern (MP3 Dateien !)

Aber auch, weil um Eigentumsverhältnisse an materiellen Dingen nicht
mehr gestritten werden muß.

Als Mensch des Informationszeitalters kann ich nicht arbeiten,
ja schon fast nicht mehr leben, ohne täglich, stündlich, minütlich
Software und Standarts wie Linux aber auch TCP/IP, SMTP usw
zu verwenden. Sie sind für mich das, was früher für den Bauern
der Boden war.

Ich würde noch einen weiteren Aspekt einbringen. Praktisch unsere
ganze Kultur ist "Open Source". Z.B. Sprache - sicher eines der
wichtigsten Kulturelemente - ist eines der besten Beispiele für "Open
Source". Aber auch Kochrezepte, Teile der Medizin, etc. pp.

Sind diese Standarts in privater Hand, bin ich durch mein Arbeiten
und Kommunizieren lebenslang abgabepflichtig an den Lizenzinhaber.

Das geht meiner Meinung nach sehr weit über einen einfachen
Warentauschvorgang hinaus !

Es ist also nicht so, dass anstelle eines Warentausches ein
Schenkvorgang
tritt. Sondern anstelle eines Abhängigkeits oder Tributsverhältnisses
tritt eine gemeinschaftliche, freie Nutzung von Produktionsmitteln
oder wenn man so will Lebensgrundlagen. So als ob sich Bauern
entschliessen
würden ihren Grund gemeinsam zu beackern, ohne Grossgrundbesitzer.

So gesehen ist dieser Gedanke schon alt und in gewisser Weise ist die
Freie Software nur eine Rückeroberung der geistigen Almenden von ihren
kapitalistischen Ursupatoren.

8 days ago Philbert Desanex wrote:
Im Gegensatz zu den Selbstversorger-Bauern des Mittelalters koennen heutige
ProgrammiererInnen das Produkt ihrer Arbeit auf dem Boden von "Software und
Standards" nicht unmittelbar selbst essen, sondern muessen es, wenn sie denn
davon leben wollen, auf dem Markt an andere verkaufen. Eine passendere Analogie
waere also der kapitalistische Bauer, der fuer den Markt produziert und
logischerweise nicht einsieht, warum irgendein adliger Grundbesitzer, der keine
Arbeit investiert hat (eigene oder eingekaufte), etwas vom Ertrag abhaben
will.

Mir wäre hier wichtig festzuhalten, daß der gleiche Bauer unter
feudalen Bedingungen nicht grundsätzlich ein Problem damit hatte, daß
der Adlige einen Anteil bekommt. Wichtig scheint mir die Vermittlung
durch die feudale Kultur, die mit dem Kapitalismus und seinem -
allerdings schon immer falschen - "Wer nicht arbeitet soll auch nicht
essen" hinweggefegt wurde.

Im Sinne der GPL-Gesellschaft wäre es also wichtig, eine solche Kultur
(offensiv?) zu etablieren.

die meisten heutigen Standards haben als ganz normale
Programmierauftraege angefangen und sind irgendwann de-facto-Standards
geworden.

Viele wichtige Standards - gerade im Internet-Bereich - sind durch
staatliche Förderung im weitesten Sinne ermöglicht worden.

7 days ago Thomas Uwe Gruettmueller wrote:
Hmmm... Dann wäre also der nächstfortschrittlichere Ansatz, daß
allein das Wissen wertschaffend ist und die Arbeit allenfalls noch so
eine Art Produktionsfaktor darstellt.

Puh, das wäre allerdings wirklich ein großer Schritt! Vielleicht
schaffen wir es ja irgendwann mal uns da tiefere Gedanken dazu zu
machen.

Aber stimmt, gerade die Gedanken in "Informationsgesellschaft auf den
Begriff gebracht" deuten in diese Richtung.

Ähm, mir fällt gerade noch auf, daß das Wort "wertschaffend" hier mal
wieder äußerst zweifelhaft ist :-( ...


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan


---------------------
http://www.oekonux.de/



[English translation]
Thread: oxdeT00319 Message: 15/34 L4 [In index]
Message 00435 [Homepage] [Navigation]