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Re: [ox] Re: Leitfrage zu Open Music



Hi Benni and all,

nach langer Zeit versuche ich endlich mal ein  reply. Es sind aber mehr
Fragen als Antworten und irgendwie passt das alles nicht mehr zum
Thread, sorry.

mehr zu dieser neuen Kultur passt. Kunst verlangt vom Konzept her
Selbstverwirklichung und nicht Selbstentfaltung, also eine
individualistische Entwicklung von "Talenten" und nicht eine gemeinsame
Entfaltung von Fähigkeiten.

ich sage jetzt mal ganz ehrlich: ich verstehe ueberhaupt nicht, was du
damit meinst.
Erklaer mal.
 
Erst wenn wir beginnen zu begreifen, dass die Ideen von anderen uns nicht
einschränken, sondern die Bedingung unserer Ideen sind - und zwar nicht nur
im Sinne von Inspiration, sondern wirklich und unmittelbar - kommen wir
diesem neuen Verständnis von Kultur vielleicht nahe und damit auch einem
neuen Verständnis von Subjektivität - das nur um klar zu machen, warum ich
da so drauf rum reite.

Meinst du jetzt, dass es mir als Kuenstlerin bewusst sein soll, dass
das, was ich tue
nur ganz marginal von mir selbst ist sondern im Grunde genommen das
Produkt ein gesamtgesellschaftlichen
kulturhistorischen Prozesses? 


Als Malerin haette ich es auch nicht gern,
wenn jemand auf meinem eigenen Bild ein neues malt.

Hm. Warum eigentlich?

Weil ich es genau so haben wollte wie es da nun mal ist - und weil ich
schrecklich eitel bin und mich teilweise auch ueber das definiere, was
ich geschaffen habe.

Genau. Das ist der Punkt. Deswegen hat Kunstverständnis soviel mit Identität
und mit Subjektivität zu tun.

Und diese Art der Identitaetsfindung findest du problematisch? Ich
verstehe noch immer nicht, wieso eigentlich. Weil ich mich dabei zu sehr
als Erschaffende fuehle, obwohl ich es gar nicht alleine war? Vielmehr
hat mich die Musik, der Text, die Farbe gesucht und mich als Medium
gewaehlt, um auszudruecken, wie die Gesellschaft derzeit beschaffen ist?
Weshalb ICH auf diesem Punkt so herumreite ist folgender: Ich bin der
Ansicht, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt geschaffene Kunst ein
durchaus schuetzenswertes Gut darstellt. Nur, weil Bach uns heutzutage
etwas anderes sagt als zeitgenoessischen Zuhoererinnen und sich die
Musik weiterentwickelt hat, wuerde ich auch nicht wollen, dass wir Bachs
Noten wegschmeissen und durch eine neue Version "Bach Millenium"
ersetzen. Das heisst aber auch nicht, dass ich nicht der Meinung bin,
dass wir Bach nicht gemaess unserer Zeit interpretieren sollten, anstatt
- wie viele MusikerInnen vertreten - ihn lediglich "werkgetreu", also
nach Barock-Manier aufzufuehren. Aber vielleicht verstehe ich dich da
auch nicht ganz richtig. Vielleicht meinst du sowieso, dass eine neue
freie Kultur schon genau weiss, welche Kulturgueter nach wie vor aktuell
sind und wuerde sie allein deshalb immer wieder erschaffen. Nur bin ich
gegen so etwas wie demokratische Abstimmung hinsichtlich des
kuenstlerischen Wertes bestimmter Kunstwerke - was nicht gefaellt oder
wir alle sowieso besser koennen, duerfte eine jede dann einfach loeschen
und nach eigenem Gusto ersetzen? Es gibt ja durchaus Kunstwerke, die
inhaerent schon auf eine Interaktion zwischen Kunstschaffenden und
Kunstkonsumierenden setzen und die Konsumenten an der Werkentstehung
teilnehmen lassen (viele Installationen beispielsweise). Aber sind das
die einzig "waren" oder "guten" Kunstwerke? Solche Gedanken finde ich
gefaehrlich.

Petra

-- 
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That way, at least you'll get one thing done."
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