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Re: [ox] Reality-Check



Hi Benni und (immer noch) Mitlesende!

Das Subject paßt zwar nicht mehr so gut, aber ich weiß kein Besseres.
Außerdem dürften auch einige Sub-Threads in dieser Mail ihr Ende
finden.

3 weeks (27 days) ago Benni Baermann wrote:
Puh, das wird ´ne Monstermail glaub ich.

Und 'ne Monster-Antwort. Ich lasse mal alle Bezüge auf die
Geschlechterfrage unbeantwortet, weil die andernthreads schon ziemlich
beackert werden. Weil ich sie lesenswert fand, zitiere ich aber auch
die komplett.

On Thu, Feb 14, 2002 at 12:18:33AM [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Merten wrote:
Es ging in diesem Thread nicht in erster Linie um den Dialog mit allen
möglichen Leuten, sondern um eine Betrachtung der real vorkommenden
Phänomene. Und da...

Die Wahrnehmung von anderen ist anders und Du kannst
das nicht einfach wegwischen mit "nur vom Typ wird-nie-funktionieren".
Wenn Du einen Reality-Check wirklich willst, wirst Du nicht
umhinkommen die Sichtweisen anderer Leute zu akzeptieren.

...hatte ich versucht darzustellen, daß die *Erkenntnis* der Realität
auch der KritikerInnen an entscheidenden Stellen sich nicht wesentlich
von dem unterscheidet, was ich z.B. zu erkennen glaube.

Nehme ich anders war. Natürlich wird niemand offensichtliche Fakten
abstreiten,

Na, da haben (vorgeblich) emanzipatorische Bewegungen aber schon
Pferde kotzen sehen...

wie diese aber einzuordnen sind ist schon Teil des
"Reality-Checks". Was heisst, dass schon der Blick mit dem ich gucke
ein anderer ist, wenn ich Kritiker bin, als bei Dir.

Ok, das ist ein Argument: Die eigene Sicht der Dinge strukturiert
natürlich auch den Blick auf die Realität vor.

Es mag hier und da unterschiedliche Gewichtungen geben und sicher ist
- - wie gesagt - die Einschätzung der Folgen anders. Bzgl. Reality-Check
wäre dann aber noch mal im Detail zu klären, wo Realitätserkenntnisse
entscheidend abweichen - was ich sehr spannend fände.

Na, das fängt doch schon damit an, dass Du kommerzielle FS immer
darstellst als "na, die gibt es auch", wärend ein Kritiker eher
betonen würde, wie wichtig die ist.

Ich versuche auch immer zu argumentieren, warum ich die
nicht-kommerzielle für strukturell überlegen halte. Wird die Realität
zeigen.

Oder die von Thomas Berker letztens?

Mit der bin ich noch nicht fertig - siehe andernmails.

Was wäre denn außerdem der Gehalt? Daß Freie Software anders
funktioniert als Kommandowirtschaft ist ja wohl kaum strittig.

Das stimmt auch nicht überall. Es gibt grosse Teile FS, die in
"Kommandowirtschaft" entstehen.

Aha. Könntest du da mal Beispiele erwähnen? Was sind denn die
Sanktionsmöglichkeiten, mit denen im Zweifelsfall das Kommando
gegenüber Widerborstigen durchgesetzt werden kann.

Kündigung? Ganz altmodisch.

Ok. Dann müssen wir jetzt wirklich mal eine Unterscheidung einführen.

Wenn ich von Freier Software spreche, dann meine ich die, die auch
Freiheit für die EntwicklerInnen bedeutet. Wenn Software unter
strukturellen Zwangsverhältnissen geschrieben wird, dann mag sie zwar
open source sein, aber (m.E.: entscheidende - und damit gehe ich
durchaus über die Definition der FSF hinaus) Teile der Freiheit
fehlen. D.h. im Auftrag erstellte Freie Software ist für mich wegen
der Entfremdung etwas anderes als Frei erstellte Freie Software.

Grosse Teile des gcc, von Linux etc.
werden in Arbeitsverhältnissen produziert. Das blendest Du gerne aus
oder stellst es als marginal dar, ist es aber nicht.

Hast du Zahlen? Meine Wahrnehmung ist die, daß am ehesten Adaptionen
an bestimmte Zielsysteme oder bestimmte Hardware im Auftrag entwickelt
werden - aber nicht der Hauptteil.

Das ist mir beim Überarbeiten Deines
Vortrags aufgefallen, dass Du das etwas stillschweigend unter den
Tisch fallen lässt bzw. teilweise sogar falsch darstellst als neue
Entwicklung.

Da wäre ich interessiert, was du genau meinst. *Das* will ich nämlich
sicher nicht.

Du stellst Kommerzialisierung FS als neues Phänomen dar, ist es aber
nicht. Die FSF lebt von Anbegin an zu einem großen Teil von
Firmenspenden, z.B. Richard Stallman hat von Anfang an an, FS
verkauft.

Na, das ist aber nicht wie oben "im Auftrag" sondern eher als Spende
bzw. Verwertung zu verstehen. Entfremdung kann natürlich auch schon
bei (dauerhaften) Spendenbeziehungen auftreten, aber dann ist es ja
auch schon wieder eher "im Auftrag" - wenn auch vielleicht
unausgesprochen und/oder eingebildet.

Was neu ist ist vielleicht das vorübergehende Interesse der
Aktienmärkte und die Größenordnung des Engagements der Global Player
(IBM, Sun, HP, ...).

In meinem Vortrag ging es aber von der Idee her vor allem darum.

Das ist aber keine neue Entwicklung sondern ist schon von
Anfang an so noch bevor Linux überhaupt existiert hat.

Nun, ich sage schon lange - vor Oekonux -, daß die Arbeitsverhältnisse
in der Software-Branche sich erheblich von anderen unterscheiden -
jedenfalls die funktionierenden.

Ack. Aber was das bringt? Lies mein "Warum genau Arbeit Scheisse ist"
;-)

Ausserdem weiss ich nicht, was Du damit jetzt sagen willst? Das sich
auch bei M$ selbstentfaltet wird? Das mag ja sein, ist aber wenn es so
wäre, ist das mindestens genauso ein Zeichen für die Verwertbarkeit
von Selbstentfaltung wie dafür, dass Selbstentfaltung das neue grosse
Ding ist.

Hier habe ich den Zusammenhang zu sehr verloren.

Welche
Strukturen sich realiter bilden ist dann schon wieder Gegenstand von
Untersuchung. Jedenfalls sehe ich bisher keine klaren Widersprüche
gegen die Selbstentfaltungsthese.

Was genau meinst Du jetzt mit "Selbstentfaltungsthese"?

Das Freie Software (nichtkommerzielle sogar: ausschließlich) als
Ausfluß von Selbstentfaltung entsteht. Das schließt Freiwilligkeit
ein.

Genau. Und das sehe ich als falsch an. Selbstentfaltung ist _ein_
Moment unter mehreren bei der Produktion FrS. Das belegen auch die
letztlich hier gemailten Umfragen. Und das gilt sowohl bei
kommerzieller als auch bei nichtkommerzieller Produktion. Bei ersterer
natürlich verstärkt.

Das ist dann wirklich zu klären. Ich verstehe Selbstentfaltung in
einem recht umfassenden Sinne. Da paßt viel rein. Was paßt denn deiner
Meinung nach nicht?

Oder
die Frage mit dem Patriarchat?

Eine Frage, die von einer Oekonux-Theorie bisher nicht beackert wurde.

Aber auch hier: Was wäre denn der Gehalt? Daß sich in Freier Software
die Elitenbildung im Kapitalismus ein Stück weit wiederspiegelt ist
glaube ich unstrittig. Und? Der Umkehrschluß kann ja nur sein, daß
ausschließlich die Armen und Entrechteten überhaupt eine Chance auf
eine Gesellschaftsveränderung haben. Dafür dürfte es historisch aber
kein einziges Beispiel geben.

Auch da verweise ich auf die wieder mal sehr gute Mail von Thoams.

Verstehe ich nicht. Auf den Bündnisvorschlag oder was meinst du?

Bündnisvorschlag? Jetzt weiss ich wieder nicht, was Du meinst ;-)
Nein, auf die These, dass sich da eine Elite organisiert und das das
nicht egal ist.

Nun, da ich persönlich dem Missionieren weitgehend abgeschworen habe
und mich lieber freue, daß Leute Angebote annehmen, die ich machen
kann, würde ich denken, daß sich Bündnisse an und mit den Stellen
bilden werden, wo es Sinn macht.

Full Ack.

Eine breite Bewegung an sich, wie sie Thomas beschreibt, sehe ich in
der Tat übrigens auch - und nicht erst seit der Freien Software. Es
ist ja geradezu verblüffend, wieviele Leute sehr genau wissen, daß es
*so* nicht (mehr lange) weitergeht.

Scheinbar hast Du was ganz anderes gelesen ;-)

Ja. Später hatte ich dann die Mail gelesen, die du wohl meintest. Ich
versuche die tägliche Mail-Flut halt Thread-weise zu bewältigen - da
kommt das vor.

Wenn eine priviligierte Gruppe von Leuten die Gesellschaft umwälzt
wird sie das in ihrem Sinne tun und das muss nicht der Sinn von
Unbeteiligten sein - auch wenn der Weltgeist oder das Gute für die
Menschheit gerne als Begründungen herangeführt werden.

Wie uns die Neoliberalen tagtäglich vorexerzieren...

Nun versuche ich immer wieder darzustellen, daß ich nicht unbedingt
sehe, wo die Privilegien in einer GPL-Gesellschaft überhaupt entstehen
bzw. erhalten werden können. Unterschiede zwischen Menschen wird es
immer geben - das ist aufgrund der Verschiedenheit der Menschen auch
unabdingbar und ich persönlich finde das auch angenehm.

Mal andersrum: Wie sollen Privilegien in einer GPL-Gesellschaft
entstehen bzw. sich dort halten können?

Um bei dem großen Selbstentfaltungsding mitmachen zu können sind
Kenntnisse und Mittel erforderlich und zwar nicht zu knapp.

Hupps? Für mich nicht.

Die hat
nicht jedeR. Auch oder womöglich sogar gerade in einer auf
Selbstentfaltung basierenden Gesellschaft nicht.

Wait a minute. GPL-Gesellschaft beinhaltet für mich *zentral*, daß
Knappheit abgeschafft ist. Dann hat das jedeR per Definition und es
unterliegt einzig und alleine irgendwelchen Anlagen und der freien
Entscheidung einer Person. D.h. wer die Kenntnisse und Mittel haben
*will*, kann sie auch bekommen. Eigene Anstrengung um die eigenen
Handlungsmöglichkeiten kann einem aber niemensch abnehmen.

Oder mal etwas theoretischer ausgedrückt. Die Entstehung des
bürgerlichen Individuums haben vielleicht überhaupt erst 20% der
Menschheit mitvollzogen (und die anderen sind tendeziell Verlierer).
Du kommst jetzt her und willst den nächsten Schritt machen. Da bin ich
ja schwer dafür, nur sind dafür vielleicht gerade mal 5% der Leute
"reif".

Wenn ich dich recht verstehe, dann behauptest du irgendwelche
Eintrittsbedingungen für Selbstentfaltung. Das würde ich heftigst
zurückweisen. Die Fähigkeit zur Selbstentfaltung ist dem Menschen qua
Menschsein gegeben. Wie sich das individuell, historisch, kulturell
ausbuchstabiert ist höchst variabel. Vielleicht ist es nicht mal so
eine steile These zu vermuten, daß Mitglieder einer
Stammesgesellschaft sich auch schon selbstentfaltet haben.

Doch erklärst Du nirgends, was mit den anderen Leuten
passiert.

Brauche ich auch nicht, weil es für mich keine "anderen Leute" gibt.

Selbstentfaltung ist halt auch ein Egotrip. Ist ja auch
alles gut und richtig, ich bin ein grosser Selbstentfaltungsfreund,
aber die Tragweite dieser Umwälzung ist halt nicht von allen auf
einmal mitzumachen.

Was hindert sie unter den von mir genannten Bedingungen deiner Ansicht
nach?

Deswegen ja immer meine Rede, dass es
Übergangssachen braucht, z.B. Existenzgeld, z.B. FK, vielleicht sogar
Tauschringe.

Nun, ich rede auch oft nicht so sehr über eine Übergangszeit -
zugestanden. Übergangszeiten sind immer schwer und besonders
turbulent. Bifurkationspunkte halt.

Das dann einfach wegzubügeln mit "Alles nur
Verwertungsdreck" wie Du es tendenziell machst, ist ungefähr genauso
sinnvoll wie das alte Frankfurter-Schule-Denken ala "es gibt kein
richtiges Leben im Falschen".

Da gibt es aber schon einen erheblichen Unterschied: Während die
Frankfurter Schule das wirklich kategorisch ausschließt, versuche ich
mit einem Kriterienkatalog mir die Dinge anzuschauen. Und leider haben
wir / ich es hier noch nicht geschafft, über konkretes Handeln auf der
Basis unseres / meines Kriterienkatalogs mal näher nachzudenken :-( .

Was ich halt nicht verstehe bei Dir ist,
wie Du einerseits immer die positiven Entwicklungen in den Vordergrund
stellst und von dem Negativismus weg willst aber andererseits halt
theoretisch so überaus rigoros daherkommst, sobald etwas auch nur
entfernt nach "Wert" riecht (ausser es ist FS, da kann es stinken wie
will, Du riechst immer nur Selbstentfaltung ;-). Das passt für mich
nicht zusammen.

Vielleicht hast du da ein bißchen recht ;-) . Aber du bist mein
Lieblingskorrektiv :-) .

Und wie Thomas
richtig geschrieben hat, sind die besten Revoltionen diejenigen, die
sich dieser Beschränktheit bewusst sind (und trotzdem versuchen zu
handeln?).

Nun, von einer Revolution im Sinne einer kurzen, oft gewaltsamen
Episode wähne ich uns noch relativ weit weg. Tatsächlich denke ich
aber, daß die Umwälzung schon am Laufen ist. Vielleicht geht's ja
diesmal auch weniger blutig ab.

Ersätze meinetwegen "Revolution" durch "Umwälzung". Thomas hatte schon
recht, dass Wort zu meiden, scheinbar verleitet es dazu über was ganz
anderes zu reden, als worum es gerade ging. Also nochmal:

Die besten Umwälzungen sind diejenigen, die sich ihrer eigenen
Beschränktheit bewusst sind. Im Fall FS/Selbstentfaltung wäre das halt
die Eingeständnis, dass es da um ein Elitending geht. Das muss es
nicht schlecht machen, irgendjemand muss ja anfangen, aber nur dann
bitte nicht 95% der Menschheit einfach vergessen.

Tue ich nicht. S.o.

Eine Männerdominanz bei der Freien Software für ein schlechtes Omen
für eine GPL-Gesellschaft zu nehmen, hieße im übrigen die Keimform mit
der entwickelten Form zu verwechseln - die wir alle noch nicht kennen.

Natürlich nicht. Aber man kann nicht nur die positiven Aspekte
hernehmen und die dann vorstellen mit dem Argument, dass das ein
Aufscheinen des Neuen im Alten ist und man hier schon eine Ahnung vom
Neuen kriegen würde und gleichzeitig negative Aspekte runterspielen
mit dem Argument, dass wir die entwickelte Form ja noch nicht kennen
und sich das schon ergeben wird.

Ich sage ja gar nicht, daß sich das schon ergeben wird. Warum sollte
ich auch? Würde ich das tun, würde ich damit die Vorstellungen von
heute in ein Morgen projizieren - was eher selten gut ist - gerade bei
solchen Fragen, die auch einen stark kulturellen Faktor haben.

Bei mir kommt es aber immer so an.

Mal als offene Frage: Warum hältst du diese Entwicklung eigentlich
*konkret* für ein Problem?

Die Männer-Frauenfrage? Weil ich es an mir selbst als Hemmnis für
meine Selbstentfaltung wahrnehme. Und weil ich gleichzeitig sehe, dass
99% der Leute das Problem noch nicht mal sehen, geschweige denn
versuchen was dran zu ändern. Ich nehme das als ganz parallel zur
Verwertungsfrage wahr. Das ist auch eine "kybernetische Maschine" nur
eine noch perfidere, weil sie mit unseren Identitäten ganz unmittelbar
verknüpft ist.

Das wirkt für mich ziemlich ähnlich
wie die Parteidisziplin einzufordern um den Sozialismus zu erreichen
und dann zu behaupten, wenn das gemeinsame Ziel erstmal erreicht sei
würden alle glücklich aber auf dem Weg dahin müssten eben Opfer
gebracht werden.

Nun, das Gegenteil ist mein Motto: Schon der Weg in die
GPL-Gesellschaft muß von Selbstentfaltung dominiert sein - whatever
that may mean on an individual basis.

Hast Du zuviel auf der englischen Liste gemailt in letzter Zeit? ;-)

Aber inhaltlich: Dann solltest Du vielleicht mal Dein Motto auch
umsetzen. Das müsste eben heissen nach Anti-Selbstentfaltungs-Effekten
bei FS zu suchen. Da zeigst Du aber immer eine erstaunliche Resistenz.

Na ja, ich behaupte ja schon, daß sich entfremdet produzierte Freie
Software nicht durchsetzen wird.

Und ich halte ja auch BTW die Frauendominanz bei der Kindererziehung
und ihren Selbstentfaltungsanteilen nicht für ein schlechtes Omen.

Nicht? Ich schon. Wäre aber mal ein interessanter Vergleich:

A) Verhältnis von Frauen zu Männern in der Kindererziehung.
B) Verhältnis von Frauen zu Männern bei den stärker an
Selbstentfaltung orientierten Versuchen zur Kindererziehung.

C) Verhältnis von Männern und Frauen bei der Softwareproduktion.
D) Verhältnis von Männern und Frauen bei der Produktion Freier
Software.

Wenn ich mal in meine Kristallkugel gucke, würde ich wetten, dass gilt:

                          A - B  <  C - D

Puh. Ich setze mal ein paar mehr oder weniger willkürliche Zahlen ein:

			95% - 80% < 80% - 98%

B ist sicher am strittigsten, aber irgendwie wird die rechte Seite
immer ziemlich negativ.

Ohje, hab ja befürchtet, dass das jemand aufdröselt. War mehr so
hingeworfen. Ich dachte Formeln kommen immer gut ;-)

Für mich kommen Formeln immer Sch* ;-) .

Ich hab glaub ich schlicht grösser mit kleiner verwechselt...

Also was ich sagen wollte, ist, dass obiges (mit vertauschtem
Vergleichsoperator und immer Modulo Reality-Check) darauf hindeutet,
dass in der Kindererziehung vermehrte Selbstentfaltung eine positive
Auswirkung auf das Geschlechterverhältnis hat, wärend es bei der FS
eine negative Auswirkung hat.

Kann ich natürlich nicht beweisen. Aber vielleicht können wir ja darin
einen Konsens erreichen, dass das kein gutes Zeichen für FS und die
sich möglicherweise daraus ergebenden entwickelten Formen wäre, wenn
es denn gälte?

Dazu müßte ich erst verstehen, was du eigentlich sagen willst? Daß
Männer sich (in ihren Domänen) eher selbstentfalten als Frauen?

Hm, vielleicht das auch, soweit hab ich noch garnicht gedacht. Mir
ging es erstmal nur darum aufzuzeigen, dass es auch Schattenseiten der
ach so Selbstentfalteten FS gibt, die eher antiemanzipatorisch sind.
Das setzt natürlich voraus, das ein extrem eindeutiges
Geschlechterverhältnis antiemanzipatorisch ist, was jetzt wieder in
eine weitere Grundsatzdiskussion ausufern könnte...

Das hattest du ja schon gut antizipiert ;-) .

Die passen alle nicht in diese
Kategorie.

Nein, aber zumindest die beiden letzten denken auch noch sehr in den
überkommenen Mustern - und versuchen alles in diese Muster zu pressen.
Vielleicht ist das nicht immer richtig. Vielleicht macht es Sinn, die
Welt mit anderen Mustern anzuschauen.

Nenn das mal beim Namen, was das für alte und neue Muster sein sollen.
Ist mir nicht klar.

Nun, ich hatte schon beim Thema Freie Kooperation darauf hingewiesen,
daß ich es nicht für sinnvoll halte, *alles* *nur* durch die
Machtbrille zu betrachten. Weiter hatte ich schon mehrfach versucht
anzudeuten, warum ich denke, daß die Prinzipien der Entwicklung Freier
Software Macht strukturell abschaffen. Dann wäre eine Sichtweise, die
Macht als Phänomen ins Zentrum rückt, grundsätzlich inadäquat. Eine
Forderung nach Gleichverteilung von Macht hätte dann ihre Basis
verloren.

Aber vielleicht können wir ja einfach mal als Konsens festhalten, dass
ein betrachten durch die Machtbrille *auch* sinnvoll ist?

Ich bin für Adäquatheit. Der Blick durch die Machtbrille kann sinnvoll
sein - klar. Muß aber nicht. Es kommt halt immer drauf an... Und
überhaupt fließt sowieso immer alles... Sorry, ich kann leider nur
schwankenden Boden bieten.

Das ist es
ja aber gerade, was Du immer ablehnst. Du lehnst ja FK in Bausch und
Bogen ab, nur weil Macht drin vorkommt.

Nicht nur. Weißt du aber.

Ähnliches gilt für die von dir wohl gemeinten Ziele des Feminismus.
Wenn du immer alles durch die Brille des Geschlechterproporzes
betrachtest, dann kann keine Gesellschaft was taugen, wo nicht alles
annähernd 50-50 verteilt ist.

Es geht nicht um 50-50 sondern vielleicht nur um 70-30. Also nur
darum, dass das Verhältnis sich _verbessert_ anstatt _verschlechtert_.

Nun stellt sich mir aber die Frage, was
das noch mit Freiwilligkeit und dann eben auch Selbstentfaltung zu tun
hat. Das ist doch im Reich der Freiheit nur noch eine absurde
Einschränkung. Und BTW würde ich denken, daß nach der Aufklärung unter
Freien Bedingungen sich in vielem eine annähernde Gleichverteilung
einstellen würde.

Wir reden ja aber nicht über das Reich der Freiheit, sondern über den
Weg dahin.

Da unterscheiden wir uns vielleicht.

Wenn Du jetzt die Freiheit schon postulierst, wo sie noch
garnicht da ist, machst Du den selben Fehler, wie die Liberalen.

Für beide Fälle gilt: *Heute* sind das sinnvolle Forderungen - und
notfalls auch gegen die Selbstentfaltung Einzelner durchzusetzen. Wenn
aber meine Thesen über die GPL-Gesellschaft halbwegs Hand und Fuß
haben, dann wären das *dann* einfach substanzlose oder gar reaktionäre
Forderungen, die gegen die Selbstentfaltung der Menschen (vulgo:
Freiheit) verstoßen würden.

Ja, mag sein. Nur glaube ich nicht an dieses Reich der Freiheit. Wie
gesagt halte ich Befreiung für einen nie endenden Prozeß (siehe 8
Thesen - da hattest Du mir glaub ich dazu auch zugestimmt) und Utopia
für eine Asymptote.

Mir geht es eigentlich nur am Rande darum, eine Theorie zu bauen, die
auf irgendwelche Phänomene passt. Man kann beliebig viele Theorien
bauen.

Ja, aber nicht beliebig viele interessante. Wie schon bei meiner
Kritik der Freien Kooperation: Eine Theorie beschreibt Wirklichkeit
und ist desto nützlicher, je besser sie sie beschreibt. Und BTW: Du
hast auch eine Theorie darüber, daß morgen die Sonne wieder aufgeht -
nützlich, nicht wahr?

Eine Theorie ist genau dann nützlich, wenn sie mir Antworten für meine
Praxis gibt (oder mir wenigstens hilft, die richtigen Fragen zu
stellen) _und_ zufällig auch halbwegs stimmt.

Nun kommt es natürlich ein wenig auf deine Praxis an, aber eine
Theorie, die besser stimmt (d.h. Realität abbildet), dürfte auch
bessere Antworten für deine Praxis geben können - oder?

Nicht zwingend. Z.B. war die aristotelische Physik so lange eine
bessere Theorie, bis das Militär massiven Bedarf für ballistische
Berechnungen hatte. Erst dann wurde die Newtonsche Physik besser. Das
hatte wieder Auswirkungen auf die Praxis, bis schliesslich auch die
Theorie nicht mehr passte usw. ad infinitum.

Ich sehe gar nicht den Widerspruch.

"Unsere" Stärke ist nun gerade, dass es tatsächlich Bedarf für eine
neue Theorie gibt, weil es da ein Phänomen gibt, nämlich FS, das von
den traditionellen Theorien nicht ausreichend erklärt werden kann.

Oh - so viel der Ehre von dir? Das erstaunt mich jetzt ehrlich.

Wichtig ist also, dass "wir" für diese neue Praxis hilfreich sind.

Würde ich mir auch wünschen. Andere mögen das anders sehen. Aber
schön, daß zumindest wir zwei schonmal im gleichen Boot sitzen :-) .

Ja, aber die Theorie muss halt für mich passen. Und wenn die genannten
Kritiken nicht oder nur unzureichend adressiert werden, passt sie eben
nur bedingt.

Jetzt sprichst du aber über die Passung von Theorie - wieder eine
andere Frage. Einer Theorie ist es an sich erstmal egal, ob und wer
sie nutzt.

Nein. Zumindestens nicht, wenn sie sich emanzipativ oder kritisch nennt.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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