Message 06120 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT05338 Message: 120/159 L21 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Wertkritik vs. Postoperaismus und Umsonstladen



Hi Benni,

On Wednesday 25 December 2002 01:03, Benni Baermann wrote:
On Tue, Dec 24, 2002 at 11:42:35AM [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Meretz wrote:
Das meint das "unabhängig" nicht, natürlich sind sie nicht unabhängig
von der Distribution, ganz im Gegenteil. "Unabhängig" meint
"voneinander getrennt". Die getrennten Privatproduzenten werden
miteinander und mit den Individual-Konsumenten über den Tausch
verbunden. Und dieser Tausch zwingt den Produkten die Waren- bzw.
Wertform auf. Das ist "nun mal" so.

Das mag ja sein (darüber liesse sich vielleicht noch mal getrennt
diskutieren), was aber die ursprüngliche Aussage von Stefan Mn. war,
um die es mir ging, will ich nochmal kurz zitieren:

  "Revolutionär" bzgl. dem Kapitalismus sind Phänomene m.E. dann, wenn
  sie, wenn sie den Kernbereich des kapitalistischen Prinzips
  betreffen. Und dieser liegt nun mal in der Produktion *für* den
  Tausch.

Da steht erstmal ein bisschen was anderes, da gibt es nämlich auf
einmal einen "Kernbereich".

Nö, ich hab nur versucht, das ein bisschen aufzudröseln. Warenproduktion 
ist Produktion für den Tausch, oder etwas allgemeiner: Vergesellschaftung 
über den Wert.

Das ist vielleicht das zentrale Problem,
dass ich mit der Wertkritik habe. Sie macht immer noch den alten
marxistischen Fehler eine komplexe Wirklichkeit auf diese simple
Formel zu reduzieren.

Ok, das ist eine wichtige, erkenntnistheoretische Frage. IMHO wird hier 
aber nicht eine komplexe Wirklichkeit auf eine simple Formel reduziert, 
sondern in ihrer Bewegungslogik auf den Begriff gebracht. Das ist ein 
wichtiger Unterschied, den Annette zurecht immer wieder in ihrer 
Unterscheidung von Wesenlogik und Begriffslogik betont, vgl. z.B. 
http://www.thur.de/philo/hegel/hegel3.htm

Doch gibt es eben Tausende von sich gegenseitig
bedingenden Dynamiken und dieser angebliche "Kernbereich" ist nur eine
davon und eingebettet in eine Vielzahl von Vorgängen.

Ja.

Man kann jeden
beliebigen Bereich der Gesellschaft hervorheben und diesen zum
"Kernbereich" erklären

Nein. Oder ja, kann man schon, aber dann kapiert man nix, siehe 
Postoperaismus was die politische Ökonomie angeht..

Diese Qualität an Erkenntnis erreichst du nicht durch eine 
Aneinanderreihung von verschiedenen Beschreibungen. Deswegen bin ich auch 
so verzweifelt über solche soziologischen Deskriptionen, die hier bei 
Einzelnen teilweise gut ankommen: Sie _begreifen_ eigentlich nichts, 
können aber in großer Eloquenz und Systematik Erscheinungen beschreiben. 
Das ist nicht nichts, aber es ist kein Begreifen (in Begriffen).

und die unterschiedlichsten Theorien tun das ja
auch immer wieder und alle überzeugen durchaus Leute. Das alles sind
sehr gute Möglichkeiten, wenn man "Recht haben" will. Nur ist "Recht
haben" - wie schon angedeutet - keine hilfreiche Kategorie.

Mir geht's nicht um das Rechthaben, sondern um Erkenntnis. Wichtige Mittel 
der Erkenntnis sind das Unterscheiden von Wesentlichem und Unwesentlichem 
und das auf-den-Begriff-bringen. Es gibt aber Leute, die "rechthaberisch" 
auftreten. Das ist aber eine Verhaltensweise, keine Erkenntnisform. Die 
kannst du auch mit bloßen Mystizismus oder mit Esoterik praktizieren.

Im besten
Fall ist sie harmlos im schlechtesten Fall schreckt sie Leute ab, weil
sie verhindert, dass man konkrete Menschen mit ihren konkreten
Problemen ernst nimmt und statt dessen lieber "Recht hat".

Erkenntnis haben zu wollen und konkrete Menschen mit ihren konkreten 
Problemen Ernst zu nehmen, schliesst sich nicht aus, sondern gerade 
umgekehrt: ein. Recht-haben-wollen ist hingegen gar kein Erkenntnismodus.

Und in
genau diesem "nun mal" steckt die ganze Rechthaberei von 150+ Jahren
Marxismus mit drinnen.

Das hat, auch wenn es viele Beispiele gibt, die ich am eigenen Leibe 
erfahren habe, nicht viel mit Marx nichts zu tun. Er bot zwar zu diesem 
Rechthabe-Modus Anlaß (z.B. durch den wissenschaftlichen Anspruch), aber 
dass es dann _diese_ Form des "Marxismus" annahm (gegen die Marx immer 
war), konnte er nicht ahnen.

Und nein, das ist leider nicht nur ein
stilistisches Problem, sondern ein fundamentales philosophisches
Missgeschick.

Wieso philosophisches Missgeschick??

Deswegen mach ich mir ja überhaupt die ganze Mühe mit
der Dialektik in den letzten Wochen, weil ich da endlich mal dahinter
steigen will, wodurch dieses Unbehagen ausgelöst wird, dass ich
irgendwie schon immer mit mir rumtrage.

IMHO reagierst du auf Erscheinungen und lässt dich davon blenden. Nimm 
doch mal die Rechthaber auch als Menschen mit Gründen ernst. Die mögen 
dir nicht gefallen, aber das Rechthaben ist auch eine mögliche Form - 
eben für sie. Genauso etwa wie dein Reden für die Beliebigkeit der 
Kernbereiche, das für dich wohl irgendwo Sinn machen muss, während ich es 
für nicht erkenntnisförderlich halte und auf der Erkennbarkeit von 
Kernbereichen (und also auch: Nicht-Kernbereichen) und Kategorien 
bestehe.

Die Warenform und der Wert entstehen in Abermilliarden von
menschlichen Handlungen jeden Tag neu. Und diese Handlungen finden in
allen gesellschaftlichen Bereichen statt und nicht nur in der
Produktionssphäre.

Nein. Hier könnten wir uns endlos streiten, weil wir zwei inkompatible 
Bedeutungen von "Wert" im Sinn haben. Dein Argument klingt für mich wie: 
"Zu Fuss ist aber doch kürzer als über den Berg." Für mich ist das 
sinnlos, denn du argumentierst einfach nicht polit-ökonomisch. Es ist für 
mich genauso sinnlos wie die abstrakte-logische Folgerung, dass es wohl 
einen Gruppenstandpunkt geben müsse, da es doch auch eine Gruppe gäbe.

Das sind zwei völlig verschiedene Wertbegriffe: Ersteres ist ein
ökonomischer Begriff, zweites ein moralischer. Äpfel und Birnen IMHO.

Nein. Mit moralischen Wertbegriffen hab ich nix am Hut. Der
postoperaistische Wertbegriff (so es den den gibt) ist nicht
moralisch. Wie kommst Du denn darauf?

Weil es bei Marx auch sowas gibt (ja, echt!). Ist aber nur eine Vermutung, 
vielleicht liege ich beim Postoperaismus falsch. Nenn ich's halt 
neutraler: "deskriptiver Wertbegriff".

Er basiert auf einer weiter
gefassten Vorstellung von Produktivität (siehe den Text von Lazarato,
den ich schon hundertmal verlinkt hab).

Gut, diese weiter gefasste Vorstellung von Produktivität (ich denke das 
alles mal vom Empire aus, weil ich das ganz gut kenne) hat auch was 
Inspirierendes. Diese "Produktivität der Menge", "Generation" usw. sind 
Metaphern, die den Blick auf die Schöpferkraft der Menschen richten, also 
das, was ich was genuine Potenz zur Selbstentfaltung nennen könnte 
(Achtung: Ontologie!). Finde ich wichtig. Hat aber nicht viel mit 
politischer Ökonomie und schon gar nicht mit Kritik derselben zu tun. Ist 
einfach eine andere Dimension.

Mit "spezifisch" meine ich nicht, "Produktion" als solche sei
spezifisch. Spezifisch ist, wie sich das bestimmende Prinzip der
Vergesellschaftung herstellt: über den Tausch und die Wertform, weil
Produktion zwar gesellschaftlich, aber getrennt privat vollzogen
wird: sozusagen ungesellschaftlich gesellschaftlich.

Genau. Wenn Negri/Hardt aber nun völlig zu Recht sagen, dass die
Kommunikation ins Herz der Produktion vorrückt (oder: Produktion heute
eben etwas wesentlich umfassenderes ist, als zu Marxens Zeiten),
bedeutet das doch nichts anderes, als dass die getrennt private
Produktion zusehends zur Fessel wird.

Ja, diese Widersprüche und Dysfunktionalitäten kann man an vielen Stellen 
beobachten. Das, was Marx noch mühsam herausfinden musste, zeigt sich 
heute viel deutlicher, wenn man mal genauer hinschaut.

Das ist nichts anderes als der
von Dir immer behauptete Widerspruch zwischen Selbstverwwertung und
Selbstentfaltung, nur anders formuliert - und ich möchte sagen
durchaus eher polit-ökonomisch als bei Dir.

Nein, diese ganzen Deskriptionen und Illustrationen haben eine andere 
Qualität. Sie bringen erstmal nichts auf den Begriff, sondern können 
bestimmte Zusammenhänge veranschaulichen. Ja, auch mein 
Widerspruchstheorem "Selbstverwertung vs. Selbstentfaltung" ist 
eigentlich eher illustrativ, obwohl ich beide Begriffe als Kategorien 
ausweisen kann. Das jedoch interessiert kaum jemanden, die meisten 
bleiben lieber bei der illustrativen Wirkung stehen: "ja, klingt gut" 
oder: "nee, klingt schräg" - als ob das was sagt.

Abgekoppelt von der Wertverwertung heisst (leider) nicht, das die
Wertform weg wäre. Wenn unter den Bedingungen der Wertform Verwertung
nicht mehr stattfindet, dann kommt es genau zu den von dir (und
Krisis, da seid ihr ganz einig) beschriebenen Zerfallsformen.

Da findet Verwertung ja durchaus statt nur eben anders als bei uns.
Durch eine viel direktere Verwertung menschlichen Lebens - um es mal
zynisch auszudrücken.

Wieder ein anderer Begriff von Verwertung, eben ein zynischer. Am 
krassesten sieht man das übrigens am Begriff der "Selbstverwertung" 
(autovalorizzazione) bei Hardt/Negri, der nun wirklich voll daneben ist. 
Hier wird deutlich, dass Hardt/Negri eben keinen Begriff von 
Wertverwertung und von Wertvergesellschaftung haben: Sie versuchen 
Befreiung _in_ den bürgerlichen Kategorien zu denken, ihr Ringen geht 
nicht um eine kritische Durchdringung, sondern um eine bedeutungsmäßige 
"Umwidmung": ein Kampf um Bedeutungen. Sie gehen aber genauso wie der 
Traditionsmarxismus nicht über die bürgerlichen Kategorien hinaus: 
Befreiung der Arbeit statt Befreiung von der Arbeit usw. Genau in der 
Tatsache, dass sie den "Kern" nicht begreifen können, liegt IMHO auch ihr 
größter Schwachpunkt, liegt ihre eigene Beschränkung. Wenn du sagt, es 
gäbe aber nicht diesen "Kern" (bzw. man könne beliebige "Kerne" annehmen, 
was auf das Gleiche rausläuft), dann reproduzierst du genau die 
Beschränkung auf die immerwährenden bürgerlichen Formen: Wenn du sie 
nichts siehst, dann musst du sie notwendig reproduzieren (der 
Umkehrschluss gilt übrigens nicht automatisch).

"Das neue an der neuen Informationsinfrastruktur ist die Tatsache,
dass sie in die neuen Produktionsprozesse eingelassen und ihnen
vollständig immanent ist. Information und Kommunikation führen die
heutige Produktion an und sie sind die eigentlich produzierten
Waren; das Netzwerk selbst ist Ort der Produktion wie der
Zirkulation." (S.310)

Da steht, alles wird mit IT gemacht. Information und Kommunikation
werden als Waren produziert. Das alles passiert netzwerkartig. Kein
bisschen: alles ist eins. H/N sprechen vom wechselseitigen
Gegenwärtigsein von Produktion und Konsumtion (S. 308), aber noch
nicht mal vom Prosumenten.

Da steht aber auch "das Netzwerk selbst ist Ort der Produktion wie der
Zirkulation". Was ist das anderes als zu behaupten, dass Produktion
und Distribution in eins fallen?

Das ist der Abschnitt "Information Highways". Über das Internet zu sagen, 
es sei der Ort der Produktion wie der Zirkulation, ist nicht wirklich 
neu. Neu wäre hingegen schon, zu behaupten: Das ist (tendenziell) überall 
so. Das sagen sie auch nicht, sondern sie gucken wie sich die 
verschiedenen Bereiche in Bezug auf die Produktion verändern, wie 
Reproduktion, Kommunikation, Affekte. Die industrielle Produktion 
verschwindet auch für H/N durchaus nicht "im Netz".

Wie sollen sie noch unterscheidbar
sein, wenn sie am selben (Nicht-)Ort stattfinden. Aber ist mir
letztenendes auch egal, was sie schreiben, ich will ja nicht zum
Exegeten verkommen.

Rechthaber, Rechthaber... ;-)

Der Abschnitt "Jenseits des Masses (Das Virtuelle)" (S 364ff) ist
durchaus eine Form der Kritik der politischen Ökonomie. Das klingt
alles zugegebenermassen sehr windig

...gelinde gesagt. Die Wortkonstruktion des "s-misurato" (des Unmessbaren 
und gleichzeitig Unermesslichen) und des daraus abgeleiteten 
Wertbegriffes hat nichts mit dem Marxschen Begriff des Wertes gemein.

Da muss ich Frigga Haug zustimmen, die schrieb: "An dieser Stelle kann nur 
erwähnt werden, dass der Wert auf ein Instrument monetärer Maße 
banalisiert wird, um sogleich als eine Art urmythisches Wesen wieder 
aufzutauchen, das uns Macht verleiht." (Argument 235, S. 209).

und ich fange auch erst an zu
verstehen, worum es dabei geht, seit ich anfange mich mit
Deleuze/Guattari direkt zu beschäftigen. Ich sage ja auch nicht, dass
das besonders gut ausformuliert wäre, ich sage nur, dass es da
durchaus Ansätze gibt - auch wenn ich sie noch weniger verstehe als
die wertkritischen.

Es sind Ansätze, aber eben völlig andere, keine politökonomischen. Wenn 
ich da gleich den Anspruch weglasse, bringt das IMHO viel mehr, als wenn 
ich noch versuchen wollte, da irgendwie im kritisch-politökonomischen 
Sinn was verstehen zu wollen. Das ist wirklich eher peinlich, und auf 
solche Stellen können sich Wert- und andere KritikerInnen (aber auch die 
Haugs) stürzen, weil sie das mit Leichtigkeit in der Luft zerfetzen 
können.

Der ganze alte Marxkram funktioniert nicht mehr, weil sein Begriff
von Arbeit und von Produktivität heute nicht mehr passt.

Ja, deswegen ist ja die Kritik von Krisis an diesem Marx und vor
allem den dann sich darauf beziehenden Arbeitsmarxismus so wichtig.
Es gibt nicht "den" alten Marxkram.

Die "Rechthaberei" ist immer noch vorhanden und sogar bei Krisis so
schlimm wie nie. Ohne diesen Wahrheits- und Aufklärungsfetisch der
tausenden so-ist-das-nunmals wird das alles nix werden. Als müsste
man den Leuten nur laut und häufig genug sagen, dass sie Idioten sind,
dann wird es zum einen schon wahr werden und zum anderen würden sie
dann anfangen auf einen zu hören. Beides völlig abwegige Vorstellungen.

Ack. Jetzt musst du den Krisisianern nur laut und häufig genug sagen, dass 
sie selbst die Aufklärungsform fetischisieren (obwohl sie die Aufklärung 
selbst vehement kritisieren), dann werden sie es schon einsehen;-)

Aber lass mal, darüber wird in wertkritischen Kreisen schon gerungen, z.B. 
anhand des Begriffes "Anti-Politik" - und wenn ich mich einmische, anhand 
des Begriffes des "Aufhebung".

So. Jetzt kommen die Umsonstladenteile. Deine Warum-nicht-Fragen habe ich 
IMHO in dem jeweils nachfolgenden Textteil beantwortet, ich würde mich 
wiederholen. Deswegen jetzt nur noch Ergänzungen.

Sehe ich anders. Wieso soll das nix neues sein, wenn man in der
Nachbarschaft nicht-wertförmige Brennpunkte etablieren kann?

Weil es keine andere Form der gesellschaftlichen ReProduktion
konstituieren kann.

Warum nicht?

Du kannst zwar nicht-wertförmige Nachbarschaften
etablieren, vielleicht. Das bleibt aber immer nur die abgespaltene
Seite der Verwertungslogik, der Ort, wo Verwertung nicht oder nicht
mehr möglich ist. Es kann aber nichts Gesellschaftskonstitutives,
eine Art und Weise, wie sich eine ganze Gesellschaft re/produzieren
kann, hervorbringen.

Warum nicht?

Es bleibt als Nichtwertförmiges negativ bezogen auf das
Wertförmige (Weiternutzung der Gebrauchswerte).

Gilt für FS genauso. Wie oft hört man denn, das FS jetzt endlich
genausogut (oder besser) sei wie MS? Ist doch nix anderes.

Doch, genau hier ist ein grundsätzlicher Unterschied. FS konstituiert was 
Neues, eben die wertfreie Softwareproduktion (unabh. vom konkreten 
Produkt), deren Prinzipien potenziell gesamtgesellschaftlich für alle 
Bereiche verallgemeinerbar sind (Keimformthese).

_Alles_
bezieht sich immer auf den Wert. Sagen die Wertkritiker doch zu Recht
immer. Nur hören sie sich manchmal selber wohl nicht zu.

Nein, das sagen sie nicht, auch z.B. auch Ernst Lohoff in seinem letzten 
Artikel nicht - im Gegenteil, er kritisiert dort völlig zurecht die 
platten "alles-dient-dem-Kapital"-Aussagen von Fuchs, Nuss, Heinrich.

Und was ist das sonst, wenn nicht re-produktion.

Es ist Weitergabe und Verbrauch, nicht Herstellung.

Da wird es doch super platt, etwa zu argumentieren, das da aber z.B.
Kommunikation "produziert" würde. Wenn H/N das nennen, dann ist es
immer auf industrielle Produktion bezogen: Die Produktion kann ohne
die ganzen affektiven Netzwerke usw. nicht mehr funktionieren. Aber
nur mit affektiven Netzwerken kannst du keine Gesellschaft versorgen.

Ja und mit FS keine Brötchen backen. Selbes Argument.

Nein. Umsonstladen funktioniert am Ende und von der Wertproduktion; FS 
funktioniert als Softwareproduktionsweise jenseits der Wertproduktion. 
Das ist ein Unterschied auch wenn beide keine Brötchen backen.

Wo um alles in der Welt sollen denn die Freien Brötchen verteilt
werden, wenn nicht im Umsonstladen?

Freie Brötchen verteilen, ok, die dann durch Verallgemeinerung der 
Prinzipien Freier Software als Freie Brötchen produziert wurden. Ja, 
eben, du braucht die Freie Produktion für einen Umsonstladen, und FS 
_ist_ Freie Produktion (in einem Sonderbereich). Vielleicht aber ist 
sowas wie ein "Laden" dann gar nicht mehr sinnvoll?

Man kann sehr wohl sinnvoll für einen Umsonstladen auch materielle
Dinge produzieren. Beispiel: Freunde von mir wohnen auf dem Land. Sie
würden sich gerne Hühner anschaffen. Hühner fühlen sich aber wohler zu
mehreren. Zu mehreren produzieren sie aber ein vielfaches an Eiern als
sie verbrauchen können. Von diesem Ort fahren jeden Tag hunderte von
Pendlern in die Stadt. Es wäre denkbar, dass einer von denen jeden Tag
die Eier in den Umsonstladen bringt und fertig ist die komplette
Produktions-Distributions-Konsumptionskette. Natürlich ist das nicht
"an der Spitze der Produktivkräfte" aber erstens wollen das gerade bei
Nahrungsmitteln viele Leute explizit nicht und zweitens hat es dafür
gegenüber dieser Spitze den enormen Vorteil, dass es anfassbar wäre
und deshalb einfach überzeugender wäre als die rein theoretischen
Überlegungen zur Verallgemeinerung Freier Software die wir hier seit
Jahren umwälzen.

Wenn man das weiterdenkt ist man irgendwann bei einem System in dem
die Umsonstläden für die materielle Produktion die selbe Rolle
spielen, wie sie das Internet für die immaterielle Produktion schon
heute übernimmt. Nämlich: Durch Distribution Produktion ermöglichen
und umgekehrt!

Das ist die Idee der Alternativklitsche und die funktioniert doch nur 
wertförmig. Leider. Deine Freunde müssen einen "Gegenwert" für die Eier 
haben wollen, mindestens das Hühnerfutter. Usw. usf. - In der stofflichen 
Welt gelten die Sonderbedingungen der virtuellen Welt nicht. Leider. 
Deswegen geht die Verallgemeinerung in Klitschenmanier IMHO nicht. Da 
müsste man mindestens in Richtung von Franz' Kreisschlüssen und 
High-Tech-Nebenbei-Produktion gehen.

Ein Vorteil der FS ist ja auch, dass es klare und relativ schmale 
Schnittstellen zur Wert-Welt gibt: Die Kohle für den Alltag kommt 
sonstwie rein, PC hab ich mal gekauft oder zusammengebastelt - und los 
geht's mit FS, die ich da nicht reinmische. Sobald ich anfange zu 
mischen, geht die Sauerei los - ob bei FS oder sonstwo. Nur sonstwo sind 
die Schnittstellen eben nicht so schmal, sondern dick und fett. Da ist 
die Idee des "Nebenbei-Produzierens/Verteilens" schon interessant, weil 
sie diese Schnittstelle verkleinert. Nur hat das alles nicht mehr viel 
mit dem Umsonstladen zu tun. Ist aber auch egal...

Und dazu gibt es eben verschiedene Ansätze. Der
Wertkritische Ansatz hat halt einfach das Problem, dass er nicht
weiterführt. Er ist nur-negativ.

Es gibt nicht "den" wertkritischen Ansatz (tm). Wenn du aber die
Krisis-Kernthesen meinst, dann stimme ich dir zu. Das muss aber nicht
so sein, es ist wertkritischen Ansätzen nicht immanent. Siehe mein
Zeug.

Ja, das finde ich ja auch ausgesprochen Klasse an Deinen Sachen. Aber:
Wenn Du ehrlich bist: Ist da nicht eine riesige Lücke zwischen den
Wert-theoretischen überlegungen und den von der kritischen Psychologie
her kommenden. Ich nehme Dein Denken oft so wahr, als ob Du von diesen
beiden Polen aus versuchst, was zusammen zu kriegen, nur scheint mir
das ein Versuch zu sein, der zum Scheitern verursacht ist. Du hast mir
mal gesagt, dass die Krisisleute mit der kritischen Psychologie nix
anfangen können, sondern lieber von der Frankfurter Schule her ihre
Subjekt-Theorie machen wollen. Ich glaube das ist durchaus
folgerichtig, weil eben eine Theorie, die die Handlungsmacht des
Einzelnen in den Vordergrund stellt nicht kompatibel ist mit einer
"Rechthaber-Theorie". Naja, aber Du hast da ja sicherlich Deine Gründe
für - um es mit KP-Speak zu sagen ;-)

Genau - wie die Rechthaber;-)

Ich mache das sowieso alles nur für mich. Und wenn andere auch was davon 
haben, dann können sie sich das Lernen einfach nehmen:-)

Ciao,
Stefan

--
    Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
    Internetredaktion
    Potsdamer Platz 10, 10785 Berlin
-- 
    stefan.meretz verdi.de
    maintaining: http://www.verdi.de
    private stuff: http://www.meretz.de
-- 



________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT05338 Message: 120/159 L21 [In index]
Message 06120 [Homepage] [Navigation]